Migration: Innenminister Dobrindt liebäugelt mit Notlage

CSU-Innenminister bei "illner":Migration: Dobrindt liebäugelt mit der Notlage

von Torben Schröder
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Innenminister Dobrindt schließt nicht aus, für die Migrationswende den Notlage-Paragrafen der EU zu nutzen. Auch zum AfD-Urteil äußert er sich.

von links: Julia Reuschenbach, Melanie Amann, Alexander Dobrindt, Katharina Dröge, Maybrit Illner
Sehen Sie hier die Sendung "maybrit illner" vom 8. Mai 2025 unter anderem zu Dobrindts Plänen.08.05.2025 | 67:23 min
Die Union hatte eine Migrationswende von Tag eins an im Falle einer Regierungsbeteiligung angekündigt. In der ZDF-Sendung "maybrit illner" verteidigt der neue Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) nun seine Anordnung zu Zurückweisungen an der Grenze.
Ein rechtliches Instrument könnte EU-Artikel 72 sein. Dieser sieht vor, dass zur "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit" von EU-Recht abgewichen werden kann. Die Nutzung der Klausel hatten CDU und CSU im vergangenen Jahr verlangt, um "umfassende Zurückweisungen" auch von Asylbewerbern zu ermöglichen.
Die Ausrufung der "nationalen Notlage" schließt Dobrindt bei "illner" explizit nicht aus. Um das schärfere Grenzregime umsetzen zu können, sei "Paragraph 18, der einschlägige im Asylgesetz, den wir nutzen im Zusammenhang mit bilateralen Verträgen und auch in Verbindung mit Artikel 72", so Dobrindt.

Was das deutsche Asylrecht sagt

Paragraf 18 des deutschen Asylrechts sieht vor, dass Einreisen verweigert werden können, wenn die Menschen aus einem sicheren Drittstaat kommen. Dies ist an deutschen Grenzen praktisch immer der Fall, da alle Nachbarstaaten als sicher gelten. Europäische Regeln sehen aber vor, dass zunächst geklärt werden muss, welcher Staat für das Asylgesuch des Migranten zuständig ist.
Natürlich sei dies alles europäisch eingebunden, sagt Dobrindt. Deutschland werde bei Zurückweisungen so vorgehen, dass die Nachbarländer nicht überfordert werden. Zug um Zug werde die Polizei an den Grenzen zwecks Kontrollen verstärkt, bis die Situation sich gebessert habe. Es gelte, das Signal an die Welt zu senden, dass die deutsche Migrationspolitik sich geändert hat.
Alexander Dobrindt bei der Ernennung des Bundeskanzlers und des Bundeskabinetts im Schloss
Ein Wahlversprechen der Union war eine Verstärkung der Grenzkontrollen und weniger irreguläre Migration. Der neue Innenminister Alexander Dobrindt hat jetzt Einzelheiten bekanntgegeben.07.05.2025 | 1:39 min

Dobrindt sieht Überforderung durch bisherige Migrationspolitik

"Die letzten 48 Stunden an der Grenze waren ein ziemliches Chaos", kritisiert die Journalistin Melanie Amann ("Spiegel"). Populisten und Oppositionelle könnten Versprechungen auf schnelle Lösungen geben. Den funktionierenden Plan dafür sehe Amann aber nicht.
Die Politik müsse, so Dobrindt, wieder darüber reden, was möglich ist, und nicht, was alles nicht geht.
Mit einer Basta-Politik sei der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gerade dabei, Europa auseinanderzutreiben, moniert Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. Dabei brauche es in der derzeitigen Lage einen Bundeskanzler, der Europa eint. Dobrindt hält entgegen:

Die Destabilität Deutschlands ist das Problem in Europa.

Alexander Dobrindt, Bundesinnenminister

Die Überforderung durch die bisherige Migrationspolitik müsse korrigiert werden.
 Eine Beamtin der Bundespolizei stoppt bei der Eireisekontrolle am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke ein Fahrzeug.
Die neue Regierung will illegale Migration umgehend eindämmen – das hatte Merz im Vorfeld angekündigt. Die Grenze zu Polen wird bereits seit eineinhalb Jahren stärker überwacht. 07.05.2025 | 0:21 min

Dobrindt denkt über Veröffentlichung von AfD-Urteil nach

Als "gelungenes Zeichen, dass man Herausforderungen lösen kann", ordnet Dobrindt den Ablauf zwischen erstem und zweitem Wahlgang bei der Kanzler-Kür ein. Von der Linkspartei trenne die Union so ziemlich alles, doch über Verfahrensfragen müsse man sprechen können.
Die AfD-Fraktion komme hierfür aber nicht in Frage. Das Verfassungsschutzgutachten, das die AfD als rechtsextrem einstuft, sei noch nicht im Innenministerium geprüft worden. "Ich habe überhaupt keinen Grund, daran zu zweifeln", sagt Dobrindt zur Einstufung der AfD.
Die Entscheidung stehe an, ob und wie das Gutachten veröffentlicht wird. Zunächst wolle der neue Innenminister sich vom Verfassungsschutz-Vizepräsidenten in den Urteilstext einweisen lassen.
Alexander Dobrindt
Der designierte Innenminister Dobrindt hat schnelle Maßnahmen zur Begrenzung illegaler Migration angekündigt. Es werde mehr Zurückweisungen geben, aber keine Grenzschließungen. 04.05.2025 | 0:25 min

Amann kritisiert Unvereinbarkeitsbeschluss der Union zur Linken

Journalistin Amann sagt zu Merz' gescheitertem erstem Wahlgang:

Ich glaube nicht, dass das eine konzertierte Aktion war. Das waren 18 freie Radikale.

Melanie Amann, Journalistin

Womöglich habe dieser "Blechschaden" eine disziplinierende Wirkung auf die Koalition. Schlimm sei gewesen, dass offenbar niemand auf diesen Fall vorbereitet war.
Kritisch sieht die Journalistin den Unvereinbarkeitsbeschluss der Union zur Linken. Davon gehe das Signal aus, Linke und AfD seien gleich schlimm: "Da kann man nur hoffen, dass Sie diese Äquidistanz aufheben."
Für die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach passt der Kanzlerwahltag in das Bild der neuen Koalition, denn dieses Szenario sei in den Fraktionen offenbar nicht durchgespielt worden. Es gelte, in der neuen Realität anzukommen, dass es im Bundestag erstmals keine Zweidrittelmehrheit in der politischen Mitte gibt.
Wahlkampf der CDU mit Kanzlerkandidat Merz
Messerattacken wie zuletzt in Aschaffenburg will Unions-Kanzlerkandidat Merz mit einer radikalen Asylwende beantworten. In Aschaffenburg selbst wurde der Opfer gedacht. 26.01.2025 | 2:58 min

Dröge sieht Koalition auf wackeligen Beinen

"Es ist nicht nur ein Misstrauen gegenüber Friedrich Merz, sondern der gesamten Koalition gegenüber", blickt Dröge auf die Nein-Stimmen aus dem ersten Wahlgang.

Wer das macht, macht es nicht leichtfertig, sondern will seiner Spitze einen erheblichen Denkzettel mitgeben.

Katharina Dröge, Grünen-Fraktionschefin

Die Koalition stehe auf wackeligen Beinen. Die Haltung der Grünen sei gewesen: "Mehrheiten müssen sie alleine hinkriegen, aber bei den Verfahren helfen wir."

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