Milliardenpläne von Union, SPD - Grimm: "Grenzt an Harakiri"

Interview

Grimm zu Plan von Union und SPD:Milliardenpaket: "Das grenzt an Harakiri"

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Die Wirtschaftsweise Grimm hält das Infrastruktur-Paket von Union und SPD vor allem mit Blick auf EU-Regeln für problematisch. Bei ZDFheute live konkretisiert sie ihre Kritik.

Veronika Grimm im Interview bei ZDFheute live
Das Gespräch mit Wirtschaftsweise Veronika Grimm hier in voller Länge.05.03.2025 | 27:48 min
Union und SPD haben sich noch während ihrer Sondierungsgespräche über die Bildung einer neuen Regierung auf wegweisende Finanzbeschlüsse geeinigt. Ziele sind die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit und notwendige Investitionen in die Infrastruktur. Umfang: Viele hundert Milliarden Euro.
Durch das beschlossene Finanzpaket dürfte sich die Staatsverschuldung deutlich erhöhen - das Ausmaß hängt jedoch von der weiteren Ausgestaltung und Umsetzung ab. Klar ist, dass alle zusätzlichen Kredite, auch die für das Sondervermögen, bei den EU-Schuldenregeln mitzählen - etwa für die Berechnung des Schuldenstandes.
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat Bedenken mit Blick auf die Fiskalregeln der EU. Im Interview mit ZDFheute live erklärt sie, warum.
Sehen Sie das ganze Interview mit Veronika Grimm oben im Video und lesen Sie hier Auszüge. Das sagt Veronika Grimm ...

... zu den Finanzbeschlüssen beim Thema Bundeswehr und Verteidigung

"Das ist sinnvoll". Jetzt sei es wichtig, dass man das Geld effektiv einsetze. "Aktuell tun wir das nicht. Wir haben eigentlich nur die Hälfte unserer Schlagkraft, die wir mit dem Budget realisieren könnten", sagt Grimm. Gründe nennt die Wirtschaftsweise auch: Zu wenig europäische Kooperation, falsche Waffensysteme, langsames Beschaffungswesen.
Soldatinnen und Soldaten der Ehrenformation der Bundeswehr stehen am Bendlerblock, dem Sitz des Bundesministeriums der Verteidigung.
Angesichts der durch Donald Trump veränderten Weltlage soll massiv in die deutsche Verteidigung investiert werden. Wie steht es aktuell um die Bundeswehr?05.03.2025 | 2:06 min

... zum 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur

"Da frag ich mich, warum muss man das im alten Bundestag jetzt noch machen?" Da habe sich die Weltlage nicht "dramatisch und plötzlich" verändert. "Bei dem 500-Milliarden-Sondervermögen ist das große Problem, dass wir in den Konflikt mit den europäischen Fiskalregeln kommen", erklärt Grimm.
Der deutsche Haushalt sei schon vorher "nicht kompatibel mit den EU-Fiskalregeln" gewesen und "wenn wir jetzt noch mal 500 Milliarden draufsetzen, dann ist es natürlich erst recht problematisch", mahnt Grimm.
Das torpediere auch die Tragfähigkeit der Finanzen in der Europäischen Union, da laut Grimm andere EU-Staaten Nachverhandlungen verlangen könnten, wenn sich Deutschland einen "Schluck aus der Pulle" erlaube. "Das ist auf europäischer Ebene durchaus heikel". Einen solchen "Schnellschuss durch den alten Bundestag" solle man sich genau überlegen.

Das grenzt schon ein bisschen an Harakiri.

Veronika Grimm, Wirtschaftsweise

Darüber hinaus hat Grimm auch inhaltliche Bedenken: "Irgendwie reden jetzt alle mit. Und da gibt es ganz viele gefühlte Notwendigkeiten und Ausgabenbedarfe. Und ein ganz großer Teil von dem, was da immer in der Diskussion ist, ist gar nicht wachstumsfördernd. Das ist natürlich schon ein Problem." Für die 500 Milliarden Euro seien keine Ausnahmen von den EU-Fiskalregeln angekündigt.  
Markus Söder, Friedrich Merz und Lars Klingbeil laufen durch den Bundestag.
Union und SPD kündigten ein 500-Milliarden-Euro-Infrastruktur-Sondervermögen an und wollen Verteidigungsausgaben über ein Prozent des BIP von den Schuldenregeln ausnehmen.05.03.2025 | 1:17 min

 ... zur Problematik deutscher Staatsverschuldung

"Das Problem ist die Situation in der Europäischen Union." Es gebe verschiedene Länder mit unterschiedlich hohen Staatsschuldenquoten. Die Länder der Euro-Zone müssten zusammen gesehen werden, da "die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen über die Mitgliedschaft im Euro miteinander verknüpft" sei.
Deshalb müsse man auf die gemeinsame Staatsverschuldung der Staaten in der Eurozone schauen, denn diese Staatsverschuldung sage etwas aus über die fiskalische Tragfähigkeit.
ZDF-Reporter Schmiese und Neuhann berichten
Das angekündigte Finanzpaket von Union und SPD stößt im Bundestag und in der Wirtschaft auf gemischtes Echo. Wulf Schmiese und Florian Neuhann berichten.05.03.2025 | 3:04 min
Einige Staaten seien sehr hochverschuldet. Frankreich, Italien und Spanien als große europäische Staaten seien zum Beispiel über 100 Prozent verschuldet. "Deutschland ist so eine Art Stabilitätsanker". Die deutsche Tragfähigkeit der Staatsfinanzen habe etwa dazu geführt, dass man sich als Mitglied der Europäische Union zu sehr günstigen Konditionen in der Corona-Krise habe verschulden können.
"Und das sollte man eben nicht riskieren, die Tragfähigkeit Deutschlands", so Grimm. Wenn jetzt noch außer für Verteidigung viel Geld ausgeben werde, könne es sein, dass der deutsche Staatsschuldenstand auch in die Richtung von 90 Prozent gehe. "Dann steigen irgendwann die Zinsen für Staatsanleihen. Und dann wird es teurer, uns zu verschulden", bilanziert die Wirtschaftsweise.
Davon sei man gegenwärtig zwar "relativ weit" entfernt, sagt Grimm, warnt jedoch: "Aber man muss ja vorausdenken, weil so schnell kriegt man eben eine Tragfähigkeit auch nicht wieder hergestellt, wenn es erst mal wackelig wird."
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Quelle: mit Material von AFP

Nach der Bundestagswahl