Brosius-Gersdorf verzichtet auf Kandidatur für Verfassungsgericht
Wahl zur Verfassungsrichterin:Brosius-Gersdorf verzichtet auf Kandidatur
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Die von der SPD nominierte Kandidatin für das Verfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, steht für das Amt nicht mehr zur Verfügung. Grund: Die Ablehnung der CDU/CSU-Fraktion.
Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf zieht ihre Kandidatur für ein Richteramt am Bundesverfassungsgericht zurück. Grund sei die Ablehnung durch die Unionsfraktion gewesen.07.08.2025 | 1:57 min
Die von der SPD nominierte Juristin Frauke Brosius-Gersdorf zieht ihre Kandidatur zur Verfassungsrichterin zurück. Eine entsprechende Erklärung veröffentlichte die Bonner Kanzlei, die sie vertritt. Brosius-Gersdorf begründete den Schritt mit Widerstand in den Reihen der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Sie ziehe ihre Kandidatur "nach reiflicher Überlegung" zurück, heißt es in ihrer Erklärung.
Mir wurde aus der CDU/CSU-Fraktion - öffentlich und nicht-öffentlich - in den letzten Wochen und Tagen sehr deutlich signalisiert, dass meine Wahl ausgeschlossen ist.
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Frauke Brosius-Gersdorf
"Teile der CDU/CSU-Fraktion lehnen meine Wahl kategorisch ab", so die Juristin weiter.
Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf verzichtet auf die Wahl zur Richterin am Bundesverfassungsgericht. Ein Grund: Fehlender Rückhalt aus der Union. ZDFheute live zu den Folgen. 07.08.2025 | 27:46 min
Brosius-Gersdorf dankt SPD-Fraktion für Rückhalt
Weil im Rahmen der Diskussion um ihre Kandidatur auch über ein Aufschnüren des "Gesamtpakets" diskutiert wurde, wolle sie an ihrer Kandidatur nicht weiter festhalten. Das gefährde "die beiden anderen Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht", sagt Brosius-Gersdorf. Darüber hinaus müsse "verhindert werden, dass sich der Koalitionsstreit wegen der Richterwahl zuspitzt und eine Entwicklung in Gang gesetzt wird, deren Auswirkungen auf die Demokratie nicht absehbar sind".
Der Richterwahl-Streit habe sich zu einem echten Koalitionsstreit entwickelt. Die größte Verliererin sei Brosius-Gersdorf selbst, so Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke.07.08.2025 | 17:12 min
"Die SPD-Bundestagsfraktion hat bis zuletzt an mir festgehalten. Sie stand uneingeschränkt vor und hinter mir", so Brosius-Gersdorf. "Für sie ist es eine Prinzipienfrage, dem Druck unsachlicher und diffamierender Kampagnen nicht nachzugeben." Brosius-Gersdorf weiter: "Großen Zuspruch und Rückendeckung" habe sie auch von den Fraktionen der Grünen und der Linken erhalten.
Die SPD-Fraktion im Bundestag wollte nach ZDFheute-Informationen am Nachmittag zu einer virtuellen Sondersitzung zusammenkommen.
Der Verzicht von Brosius-Gersdorf auf das Amt am Verfassungsgericht sei der stillste Ausweg gewesen, so ZDF-Hauptstadtkorrespondent Schmiese. Die Koalition habe es nicht geschafft.07.08.2025 | 8:14 min
SPD bedauert Rückzug von "exzellenter Kandidatin"
SPD-FraktionschefMatthias Miersch drückte sein Bedauern aus: "Die Entscheidung, ihre Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht zurückzuziehen, bedauere ich zutiefst", schreibt Miersch. "Sie ist eine herausragende Juristin mit exzellenter fachlicher Qualifikation, großer persönlicher Integrität und einer klaren demokratischen Haltung." Die Angriffe, denen sie in den vergangenen Wochen ausgesetzt war, hätten mit einer sachlichen Auseinandersetzung nichts mehr zu tun gehabt.
Sie wurde Ziel einer beispiellosen Kampagne. Das hinterlässt Spuren.
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Matthias Miersch, SPD-Fraktionschef
Auch SPD-Chef Lars Klingbeil sagt, er bedauere und respektiere den Schritt von Brosius-Gersdorf. Die Anfeindungen der vergangenen Wochen ihr gegenüber seien "in keiner Weise akzeptabel". Seine Partei habe immer zu dieser "exzellenten Kandidatin" gestanden.
Diejenigen, die am Ende nicht zu ihrem Wort innerhalb der Koalition gestanden haben, müssen dringend aufarbeiten, was da passiert ist. So ein Vorfall darf sich nicht wiederholen.
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Lars Klingbeil, SPD-Chef
Frauke Brosius-Gersdorf zieht ihre Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht zurück. ZDF-Korrespondent Lars Bohnsack zu den möglichen Folgen des Rückzugs aus Berlin.07.08.2025 | 1:09 min
Die SPD-Co-Vorsitzende Bärbel Bas übte Kritik am Koalitionspartner: Die Union müsse jetzt für sich klären, damit so etwas nie wieder vorkomme. "Denn hier ist ein großer Schaden entstanden und natürlich auch in der SPD-Fraktion eine große Unruhe", sagte sie gegenüber dem ZDF.
Spahn: Entscheidung verdient "größten Respekt"
Unionsfraktionschef Jens Spahn erklärte, dass der Entscheidung von Brosius-Gersdorf "größter Respekt" gelte. Der CDU-Politiker betonte, dass er die "herabsetzende und beleidigende Kritik", die die Juristin erdulden musste, ausdrücklich verurteile.
"Ich bedauere, dass diese Lage auch durch die zu späte Ansprache unserer inhaltlichen Bedenken entstehen konnte", fügte er hinzu. Nun werde die Fraktion "mit der nötigen Ruhe und Sorgfalt eine gemeinsame Lösung mit unserem Koalitionspartner finden".
Viele Faktoren seien zusammengekommen, so Philipp Sälhoff von der Denkfabrik polisphere zu der Verleumdungskampagne gegen Brosius-Gersdorf. Das zerstöre den demokratischen Diskurs.20.07.2025 | 6:27 min
Grüne: Spahn ungeeignet als Fraktionschef
Die Grünen sehen die Verantwortung für den Rückzug von Brosius-Gersdorf bei Unionsfraktionschef Jens Spahn. Dieser hätte sein Wort gegeben, könne dieses aber nicht mehr halten. Die beiden Grünen-Fraktionschefinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge bringen indirekt sogar Spahns Rücktritt ins Gespräch:
Ein Fraktionsvorsitzender einer Regierungsfraktion, dessen Wort nicht mehr zählt, weder gegenüber dem Koalitionspartner noch anderen demokratischen Fraktionen, ist ungeeignet für eine solch verantwortungsvolle Aufgabe.
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Britta Haßelmann und Katharina Dröge, Grüne
Haßelmann und Dröge kritisierten auch die SPD. Die Unterstützung der eigenen Kandidatin sei offenbar nicht stark genug gewesen. "Wir fragen uns, wieso die SPD offenbar bereit war, ein Nein der CDU zu akzeptieren. Dieses Verhalten ist schwach."
Die Linke sprach von einem "fatalen Signal". "Es ist kein gutes Zeichen für den Zustand unserer Demokratie, dass die rechte Hetzkampagne schlussendlich Erfolg hatte", erklärte die Linken-Innenpolitikerin Clara Bünger.
Wer schürte wann warum Stimmung gegen die Kandidatin der SPD für das Richteramt am Bundesverfassungsgericht? Ließen sich Unions-Mitglieder von rechter Stimmungsmache beeinflussen?20.07.2025 | 3:11 min
ZDF-Korrespondent: SPD ist "moralischer Gewinner"
Der Rückzug von Brosius-Gersdorf löse "das bislang größte Problem von Schwarz-Rot auf die stillstmögliche Art und Weise", sagt ZDF-Hauptstadtkorrespondent Wulf Schmiese. Die Koalition selbst, vor allem die Union, habe keinen Plan gehabt, um aus dem Dilemma heil herauszukommen.
Die Union habe gehofft, dass Brosius-Gersdorf selbst zurückziehen würde. Diese Möglichkeit hatte die Kandidatin selbst im ZDF-Interview genannt. "Diese staatspolitische Verantwortung hat die Union ausgenutzt", so Schmiese.
Die SPD geht aus diesem Streit als moralischer Gewinner hervor, weil die Union sich nicht an gemachte Absprachen gehalten hat.
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Wulf Schmiese, ZDF-Hauptstadtkorrespondent
Wie die SPD-Kandidatin für das Verfassungsgericht auf die geplatzte Richterwahl und die Berichterstattung über sie und ihre Standpunkte blickt - die ganze Lanz-Sendung.15.07.2025 | 84:20 min