Ein Jahr nach der US-Wahl:Die Trump-Bilanz in Truthahn-Währung
von Elmar Theveßen, Washington
Am Wahlabend vor einem Jahr versprach Trump ein besseres Amerika. Knapp zehn Monate nach Amtsantritt hat er das Land verändert - aber nach Meinung der Mehrheit nicht zum Besseren.
Es sieht derzeit nicht nach dem "goldenen Zeitalter" aus, das Donald Trump bei der Siegesfeier in der Wahlnacht vor genau einem Jahr allen Amerikanern versprochen hatte.
Quelle: APIn den USA nennt man es Sticker-Schock - das düstere Gefühl beim Blick auf das Preisschild, dass irgendetwas schiefläuft. Mit Thanksgiving - dem traditionellen Erntedankfest - vor der Tür reiben sich die Menschen die Augen: Das Pfund Truthahn kostet über zwei Dollar, also 25 Prozent mehr als vor einem Jahr. Natürlich liegt das auch an der Vogelgrippe, die in Amerika umgeht. Aber viele Preise im Supermarkt und im Warenhandel insgesamt haben deutlich angezogen.
Rindfleisch um fast 15 Prozent; Kaffee um fast 21 Prozent; die Strom-, Gas- und Wasserpreise schießen in vielen Bundesstaaten in die Höhe; Halloweenkostüme waren dieses Jahr viel teurer, dank der Strafzölle; und schon der Gedanke an Weihnachtsgeschenke für Familie und Freunde versetzt manche in Panik. Die Inflationsrate liegt bei drei Prozent und der durchschnittliche amerikanische Haushalt muss nach einer Analyse der Ratingagentur Moodys monatlich rund 200 Dollar mehr für die gleichen Waren ausgeben als vor einem Jahr.
Ein Jahr Donald Trump: Seine Politik spaltet die USA, verändert die Welt und verliert an Rückhalt. Auch Trumps Anhänger spüren die Folgen seiner Politik. Trotzdem bleibt die Treue groß.
29.10.2025 | 6:41 minBescheidende Zwischenbilanz
Kurz - es sieht derzeit nicht nach dem "goldenen Zeitalter" aus, das Donald Trump bei der Siegesfeier in der Wahlnacht vor genau einem Jahr allen Amerikanern versprochen hatte.
Wir werden unserem Land helfen, wieder gesund zu werden. Unser Land braucht Hilfe, es braucht dringend Hilfe.
Donald Trump nach seinem Wahlsieg
Die Worte des frisch gewählten Präsidenten damals: "Wir werden unsere Grenzen reparieren, wir werden alles in unserem Land reparieren. Amerika hat uns ein nie dagewesenes und mächtiges Mandat dafür erteilt. (…) Es ist ein politischer Sieg, wie ihn unser Land noch nie erlebt hat. Dies wird nun wahrlich das goldene Zeitalter." Gemessen daran ist im November 2025 die Bilanz der trumpschen Politik, freundlich ausgedrückt, bescheiden.
Ein Haushalts-Shutdown legt Teile der US-Bundesverwaltung lahm, verzögert Zahlungen und Projekte und zeigt die Auswirkungen politischer Blockaden auf die Funktionsfähigkeit des Staates.
08.10.2025 | 5:34 minDie Liste der Regelbrüche ist lang
Ja, eines der wichtigsten Wahlversprechen hat er weitgehend erfüllt, die illegale Zuwanderung ist fast auf Null gesunken, die Grenze ist dicht. Aber die Jagd seiner Schergen auf illegale Zuwanderer im Land hat drastische Formen angenommen. Schätzungsweise 500.000 Menschen wurden festgenommen, die meisten auch deportiert. Doch von den Betroffenen, die teils unter menschenverachtenden Bedingungen in Abschiebehaft gehalten werden, haben rund 70 Prozent keinerlei Straftaten begangen, auch wenn Donald Trump immer behauptet, seine Agenten suchten nach Kriminellen und Schwerverbrechern. Das rabiate Vorgehen, die Verletzung von Grundrechten und die Missachtung von Kongress und Gerichten in den USA sind zu Markenzeichen dieser US-Regierung geworden. Die Liste der Regelbrüche ist lang, hier nur ein kleiner Auszug:
Die Trump-Administration ignoriert Rechte des amerikanischen Parlaments und untergräbt damit die Gewaltenteilung. Sie hat jede unabhängige Aufsicht über die Regierungsarbeit zerstört. Sie hat den Staatsapparat mit teils rechtswidrigen Massenentlassungen auf Linie gebracht. Sie bricht die Verfassung und geltendes amerikanisches Gesetz. Sie ignoriert einen Teil der Rechtsprechung des Obersten Gerichts und zahlreicher Richter in niedrigeren Instanzen. Trump verklagt Universitäten, Unternehmen und amerikanische Medien und will kritische Berichterstattung am liebsten verbieten.
Er setzt Justizministerium und FBI als Waffen ein, um an politischen Gegnern Vergeltung zu üben. Mit einem präsidentiellen Memorandum hat er Andersdenkende zu Terroristen oder Terrorhelfern erklärt. Er militarisiert die Innenpolitik und will die Streitkräfte in amerikanischen Großstädten gegen US-Bürger einsetzen. Er attackiert die Integrität des Wahlsystems, indem er die Zuständigkeit der Bundesstaaten bestreitet, die Abschaffung der Briefwahl fordert und die Neuordnung der Wahlbezirke zugunsten seiner Partei vorantreibt.
In den USA gibt es heftige Proteste gegen Donald Trumps Pläne, die US-Nationalgarde nach Portland und Chicago zu entsenden. Trump sagt, der Schritt sei nötig, um die Beamten vor Ort zu schützen.
07.10.2025 | 1:57 minDrakonische Strafzölle und üppige Handelsdeals
In der Außenpolitik rühmt sich Donald Trump vor allem seiner drakonischen Strafzölle, die Amerikas Ansehen und seiner Wirtschaftskraft nach Einschätzung von Experten eher Schaden als Nutzen bringen. Im Zuge der üppigen Handelsdeals, zu denen sich viele Staaten und die EU genötigt sahen, bereichert sich die Trump-Familie nebenher um Milliarden von Dollar. Der schnelle Frieden im Ukraine-Konflikt hat sich als leeres Wahlversprechen erwiesen. Im Nahen Osten bröckelt Trumps 20-Punkte-Plan. Gleichzeitig droht der selbsternannte Friedensstifter mit dem Einsatz der amerikanischen Kriegsmaschinerie in Venezuela, Mexiko und Nigeria.
Zustimmungsrate für Trump fällt auf 40 Prozent
Die Mehrheit der Amerikaner ist über all das nicht glücklich, das zeigt die neueste Umfrage des Pew Research Centers von Ende Oktober. 62 Prozent der mehr als 5.500 Befragten glauben, das Land bewegt sich in die falsche Richtung; 65 Prozent halten die wirtschaftliche Entwicklung für falsch, 57 Prozent das teils brutale Vorgehen gegen Zuwanderer, 60 Prozent Trumps Umgang mit anderen Ländern. Die Zustimmungsrate für den Präsidenten ist auf 40 Prozent gefallen.
In allen Punkten hat er aber weiterhin große Unterstützung aus der republikanischen Partei. Insgesamt sehen 41 Prozent der Amerikaner in Trump "einen starken Anführer, der die Macht haben sollte, Amerikas Größe wiederherzustellen". Offenbar sind ihm immer noch viele seiner Wähler dankbar, dass er ihnen, die sich ohnmächtig fühlten gegenüber der Politik, das Gefühl von Macht verleiht, wenn er das Alte zerschlägt. Auch wenn das Neue ihr Leben nicht verbessert, vielleicht gar verschlechtert, wollen sich viele noch nicht eingestehen, dass sie einem falschen Propheten folgen. Trotzdem halten immer mehr Amerikaner, mittlerweile 56 Prozent, Donald Trump für "einen gefährlichen Diktator, dessen Macht beschnitten werden sollte, bevor er die amerikanische Demokratie zerstört".
Nach den landesweiten „No Kings“-Demonstrationen gegen Präsident Trump kehrt nur kurz Ruhe ein. Doch die Spaltung der USA bleibt sichtbar – politisch, sozial und medial. Heike Slansky zeigt, wer von dieser Spaltung profitiert.
24.10.2025 | 2:44 minErfolge der Demokraten
Das breite Mandat, das Donald Trump in jener Wahlnacht vor einem Jahr für sich reklamierte, ist verschwunden. Die Wahlsiege der Demokraten in New York, Virginia und New Jersey in der Nacht zum Mittwoch unterstreichen den Trend.
Es könnte noch schlimmer für Trump und seine Partei kommen. Von der Fortschreibung der Steuersenkungen und vom Höhenflug der Börse profitieren in erster Linie die Reicheren. Die US-Regierung hat die Staatsverschuldung um mehr als vier Billionen Dollar auf neue Rekordhöhe getrieben. Und während sich der Präsident einen riesigen, goldverzierten Ballsaal bauen lässt und die Errichtung eines Triumphbogens im altrömischen Stil am Ufer des Potomac plant, sind die Lebensmittelhilfen für 40 Millionen Menschen von den Streichungen bedroht.
Die Arbeitslosenrate liegt bei 4,3 Prozent, Tendenz steigend, bei Amerikanern zwischen 20 und 24 Jahren liegt sie bei über neun Prozent. Die Prämien für Krankenversicherungen schnellen in die Höhe, weil die staatlichen Zuschüsse auslaufen. Bei einem Vertrag bei mittlerem Einkommen steigt die Jahreszahlung von derzeit rund 7.000 auf mehr als 25.000 Dollar. Und im nächsten Jahr werden bis zu 18 Millionen Amerikaner ihre Krankenversicherung verlieren.
Da klingen Trumps Worte nach dem Wahlsieg, er wolle das Land "wieder gesund machen", wie blanker Hohn. Die hohen Truthahnpreise sind nur ein winziger Messpunkt einer Politik, der Amerika von Grund auf verändert. Das Land ist auf dem Weg in eine sogenannte kompetitive Autokratie, in der Legislative und Judikative noch existieren und formell auch noch Wahlen stattfinden, aber einer allein alle Macht für sich beansprucht. Und Donald Trump scheint zu allem bereit, um diese Macht nicht mehr zu verlieren.
Mehr zu den USA unter Trump
Halbierung der Zuschüsse:Trump kündigt gekürzte Lebensmittelhilfen für Bedürftige an
Minister: Tests ohne nukleare Explosionen:Trump über Atomwaffentests: Andere Länder testen auch