Ein Jahr nach den US-Wahlen 2024:Regierung vs. Justiz: Uneingeschränkte Macht für Trump?
von Beatrice Steineke, Washington, D.C.
Donald Trumps zweite Amtszeit beschäftigt auch die Justiz. Viele Dekrete wurden vor Gericht angefochten und gestoppt. Doch der US-Präsident hat einen Trumpf: den Supreme Court.
US-Präsident Trump gerät auch immer wieder mit der Justiz aneinander - Anlass sind oft Dekrete, die er erlässt.
Quelle: dpaAn jedem Tag seiner Amtszeit werde er ganz einfach eines tun: Die USA vorne anstellen. Das war Donald Trumps Versprechen zum Amtsantritt im Januar. Seitdem passierte das, was Trumps Ex-Berater und "Make America Great Again"-Anhänger Steve Bannon mal die Überflutungstaktik nannte. Bevor etwa Richterinnen und Richter ihre Urteile zur Rechtmäßigkeit von Trumps Entscheidungen sprechen konnten, schaffte der US-Präsident Tatsachen.
Wer im Justizministerium gegen Donald Trump ermittelt hatte, wurde entlassen. An der Spitze des Ministeriums stehen Pam Bondi und ihr Stellvertreter Todd Blanche. Beide vertraten Donald Trump früher vor Gericht.
Ein Jahr nach den US-Wahlen zeigt sich an vielen Stellen: Trump sieht das Justizsystem offenbar vor allem als ein Werkzeug und nicht als unabhängige Säule in der Gewaltenteilung.
Die amerikanische Verfassung setzt Präsident Trump Grenzen. Trump versucht das zu umgehen, indem er Notstände erklärt, die seine Befugnisse erweitern. Steht Amerika am Kipppunkt?
07.09.2025 | 4:37 minMehrere Verfahren gegen Trump-Kritiker
Donald Trump forderte öffentlich, das Ministerium solle gegen seine politischen Gegner ermitteln. Beispiele gibt es einige. In Trumps erster Amtszeit war John Bolton Nationaler Sicherheitsberater. 2019 zerstritt er sich mit Trump. Im Oktober wurde Bolton angeklagt: Er habe unter anderem sensible Informationen weitergegeben.
Ebenso angeklagt ist der frühere FBI-Chef James Comey - wegen Falschaussage. Letitia James, der New Yorker Generalstaatsanwältin, wird Bankbetrug vorgeworfen.
In einer Umfrage der Quinnipiac University im Oktober gaben 52 Prozent aller Befragten an: Der US-Präsident benutze das Justizministerium, um ungerechtfertigte Strafanzeigen gegen seine politischen Gegner zu erheben.
Der ehemalige Sicherheitsberater von US-Präsident Trump, John Bolton, ist in den USA angeklagt worden. Zu den Vorwürfen zählt die Weitergabe sensibler Informationen.
17.10.2025 | 0:20 minUmstrittene Abschiebungen nach Venezuela
Nach 15 Jahren im Ministerium wurde Anwalt Erez Reuveni im Sommer gekündigt. In mehreren Interviews hatte er seine Version über den 14. März erzählt.
An diesem Tag habe der damalige Vizejustizminister Emil Bove intern über eine geplante Abschiebung von Hunderten Venezolanern nach El Salvador informiert. Bove habe betont, die Flugzeuge müssten in jedem Fall am Wochenende starten. Sollte ein Gericht dies mit einer Verfügung stoppen, müssten sie dem Gericht eventuell sagen "F*** you".
Hier ist der dritthöchste Beamte, der mit Schimpfwörtern Karriereanwälten sagt, dass wir möglicherweise in Betracht ziehen müssen, Urteile von Bundesgerichten zu ignorieren.
Erez Reuveni, Ex-Anwalt im US-Justizministerium
US-Präsident Trump will elf Millionen Menschen ohne Papiere in den USA abschieben. Kalifornien rebelliert, Städte wie Chicago rüsten sich.
02.07.2025 | 6:37 minAm Tag danach habe ein Kollege auf die Frage eines Bundesrichters, ob die Abschiebungen am Wochenende starten würden, geantwortet: Er wisse es nicht.
Da seien die Flugzeuge, so Reuveni im Sender CBS, schon längst in der Luft gewesen. An Bord: etwa 300 Venezolaner - laut US-Regierung alle Mitglieder eines Kartells.
Es ist der schwerwiegendste und krasseste Verstoß gegen den Berufskodex eines Anwalts, ein Gericht vorsätzlich in die Irre zu führen.
Erez Reuveni, Ex-Anwalt im US-Justizministerium
Laut Erez Reuveni ist dies seit Januar kein Einzelfall im Ministerium gewesen.
Das Weiße Haus wies die Behauptungen des Anwalts zurück, gab allerdings zu: Als der Bundesrichter einen vorläufigen Stopp erließ, hätten die Flugzeuge die USA bereits verlassen gehabt.
US-Präsident setzt auf den Supreme Court
Zwischen Mai und Ende Juni wurden in 94,3 Prozent der Verfahren an Bezirksgerichten nicht zugunsten der US-Regierung entschieden.
Auffallend ist laut Politikwissenschaftler Adam Bonica: Im gleichen Zeitraum sprachen die obersten Richter, also der Supreme Court, in 93,7 Prozent der Fälle das Recht der US-Regierung zu. Der Supreme Court billige die Maßnahmen der Regierung, so Bonica:
Er baut damit systematisch die Autorität aller Gerichte ab, die sich ihm in den Weg stellen. Die Gerichte können die Verfassung nicht schützen, weil der Oberste Gerichtshof sie daran hindert.
Adam Bonica, Politikwissenschaftler Stanford University
Neue Wahlkreise, streng kontrollierte Museen und die Nationalgarde in der Hauptstadt: Präsident Trump sorgt mit seinen Entscheidungen für eine bedenkliche Entwicklung in den USA.
20.08.2025 | 3:04 minDie konservative Richtermehrheit von 6 zu 3 hatte Donald Trump etwa erlaubt, 1.400 Angestellte im Bildungsministerium zu entlassen.
In der US-Ausgabe von "The Guardian" analysiert der ehemalige Bundesberufungsrichter J. Michael Luttig:
Der Oberste Gerichtshof hat den unteren Bundesgerichten den Boden unter den Füßen weggezogen - und das absichtlich und wissentlich.
J. Michael Luttig, ehemaliger Bundesberufungsrichter
Anfang November starten die Anhörungen zu einem der wichtigsten Themen von Trumps zweiter Amtszeit: der Zollpolitik.
Ein Berufungsgericht für Handelsfragen hatte einen Großteil der von Trump verhängten Einfuhrzölle für rechtswidrig erklärt. Nun werden die obersten Richterinnen und Richter des Landes urteilen: Sind die Zölle des US-Präsidenten rechtmäßig?
Beatrice Steineke ist ZDFheute-Korrespondentin im Studio Washington, D.C.
Mehr zu Trump und US-Justiz
- Analyse
Zollstreit mit Kanada:Trumps Vergeltung für ungeliebte Wahrheiten
Elmar Theveßen, Kuala Lumpurmit Video Streit um Truppeneinsatz:Nationalgarde in Chicago: Trump schaltet Supreme Court ein
mit VideoUS-Bildungsministerium:Supreme Court erlaubt Trump Entlassungen
mit VideoVenezolaner mit Schutzstatus:Supreme Court erlaubt vorerst Abschiebungen
mit Video