Zölle gegen Kanada: Trumps Vergeltung für ungeliebte Wahrheiten

Analyse

Zollstreit mit Kanada:Trumps Vergeltung für ungeliebte Wahrheiten

Elmar Theveßen

von Elmar Theveßen, Kuala Lumpur

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Die Zollpolitik von Donald Trump käme beim früheren US-Präsidenten Ronald Reagan wohl nicht gut an. Doch Trump behauptet das Gegenteil - und stellt Vergeltung über Fakten.

Donald Trump spricht im Weißen Haus vor einem Porträt von Ronald Reagan

Donald Trump vor einem Porträt des früheren US-Präsidenten Ronald Reagan im Oval Office.

Quelle: epa

Wer Donald Trump verärgert, bezahlt einen Preis - trocken serviert per Social Media:

Aufgrund ihrer ernsten Falschdarstellung der Fakten, also ihres feindlichen Akts, erhöhe ich die Zölle für Kanada um 10 Prozent über das hinaus, was sie jetzt schon zahlen. Dankeschön für Ihre Aufmerksamkeit in dieser Angelegenheit.

Donald Trump, US-Präsident

Zuvor hatte der US-Präsident auf dem Flug zum ASEAN-Gipfel in die malaysische Hauptstadt Kuala Lumpur seinem Ärger vor Reporten Luft gemacht: "Kanada lügt. Sie haben ein Statement von Präsident Reagan gefälscht." Aber ist der Vorwurf wirklich gerechtfertigt?

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Ronald Reagan kritisiert Zollpolitik in kanadischem Fernsehspot

Die Regierung der kanadischen Provinz Ontario hatte einen Fernsehspot beauftragt, in dem Ronald Reagan Strafzölle und Handelskriege heftig kritisiert: "Hohe Zölle führen unvermeidbar zu Vergeltung durch andere Länder. Die Folgen sind mehr und mehr Zölle, höhere und höhere Handelsbarrieren und weniger Wettbewerb", sagt der frühere US-Präsident darin.

Bald darauf würden die Menschen aufhören, Dinge zu kaufen, weil die Preise durch Zölle künstlich erhöht würden, die ineffizientes und schlechtes Management subventionierten. "Und dann passiert das Schlimmste: Die Märkte schrumpfen und kollabieren; Geschäfte und Unternehmen schließen; und Millionen von Menschen verlieren ihre Jobs."

All das hat US-Präsident Ronald Regan in seiner Radioansprache vom 25. April 1987 tatsächlich gesagt, inklusive einer unmissverständlichen Schlussfolgerung:

Auf lange Sicht schaden solche Handelsbarrieren jedem amerikanischen Arbeiter und Konsumenten.

Ronald Reagan, 40. Präsident der USA (1981-1989)

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Trump bestreitet negative Folgen der Zölle für USA

Letzteres aber bestreitet Trump immer wieder vehement. Strafzölle, so argumentiert er, würden den USA nicht schaden, sondern die Amerikaner reicher und ihr Land noch mächtiger machen.

Trump behauptete am Freitag in Sperrschrift auf Truth Social, dass Reagan ein Fan von Strafzöllen war: "he LOVED TARIFFS FOR OUR COUNTRY" ("Er liebte Zölle für unser Land").

Reagan verhängte keine pauschalen Zölle

Doch ganz so einfach ist es nicht. Präsident Reagan machte seine kritischen Anmerkungen, um der Nation zu erklären, warum er im April 1987 gezielte Strafzölle gegen die japanische Halbleiter-Industrie verhängt hatte. Er wollte amerikanische Mikrochip-Hersteller vor der Billigkonkurrenz aus Ostasien schützen.

Gleiches tat er für den US-Motorradhersteller Harley-Davidson, indem er Motorradimporte aus Japan mit hohen Zöllen belegte. Die japanische Autoindustrie zwang er mithilfe von Importbeschränkungen, eigene Fertigungsstätten in den USA zu errichten und damit Arbeitsplätze für Amerikaner zu schaffen.

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Trotz allem aber verhängte Ronald Reagan nie pauschale Strafzölle auf alle Waren aus anderen Ländern, sondern er nutzte Handelsbeschränkungen gewissermaßen als Präzisionswerkzeug, um konkrete Ziele zu erreichen. Insgesamt aber befürwortete er einen freien und fairen Welthandel, wie er ihn in seiner Radiobotschaft von 1987 beschrieb.

Gewaltige Unterschiede zwischen Trumps und Reagans Handelspolitik

Es ist eine Wahrheit, auf die Trump offenbar empfindlich reagiert, wenn sie offen ausgesprochen wird: Die Handelspolitik des jetzigen Präsidenten unterscheidet sich massiv von der Reagans.

Durch seine pauschalen Strafzölle auf Waren aus anderen Ländern hat Trump die durchschnittliche US-Zollrate von 2,5 Prozent zu Beginn seiner Amtszeit auf derzeit 18 Prozent gesteigert. Es ist der höchste Wert seit 1934. Die Strafzölle tragen zu erheblichen Preissteigerungen in den USA bei.

Anderer Ex-Präsident ist Trumps Vorbild

Über die dramatischen Folgen solch einer Handelspolitik könnte ein anderer US-Präsident Zeugnis ablegen, den Trump immer wieder als großes Vorbild darstellt. Die Präsidentschaft von William McKinley von 1897 bis 1901 ist offenbar der Referenzpunkt für die "Greatness", die Trump mit seinem "Make America Great Again" wiederherstellen will.

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Ein Markenzeichen McKinleys waren tatsächlich die Strafzölle, die er schon in seiner Zeit als Abgeordneter im Repräsentantenhaus federführend mit einem nach ihm benannten Gesetz vorangebracht hatte. Mit dem "McKinley Tariffs Act" von 1890, der ihm den Spitznamen "Napoleon des Protektionismus" einbrachte, wurden die Zölle auf alle Importe von 38 auf 49,5 Prozent erhöht.

Warum McKinley seine Meinung über Zölle änderte

Aber genau diese Politik trug in den Folgejahren erheblich zu einer Krise der amerikanischen Wirtschaft bei, die Arbeitslosenrate kletterte auf 18,9 Prozent. Als McKinley Präsident wurde, war seine Vorliebe für Strafzölle schon deutlich abgeflaut. In einer Rede vom September 1901 sagte er:

Wirtschaftskriege sind unprofitabel.

William McKinley, 25. Präsident der USA (1897-1901)

Eine Politik des guten Willens und freundschaftlicher Handelsbeziehungen verhindere Vergeltung, so McKinley. "Verträge auf Gegenseitigkeit sind im Einklang mit dem Geist unserer Zeit, Vergeltungsmaßnahmen sind es nicht."

Es sind Worte, die sich durch Daten und Fakten belegen lassen, ebenso wie die von Ronald Reagan in 1987. Aber wer sie in der aktuellen politischen Auseinandersetzung offen ausspricht, zieht Trumps Zorn auf sich und muss seine Vergeltung fürchten.

Elmar Theveßen ist Leiter des ZDF-Studios Washington.

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