EU: Moskau provoziert:Drohnen-Vorfall: Polen ruft nach der Nato
Zum ersten Mal seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine hat Polen in der Nacht Drohnen über seinem Staatsgebiet abgeschossen. Laut Regierungschef Tusk stammen sie aus Russland.
Erstmals hat Polen offenbar russische Drohnen über seinem Staatsgebiet abgeschossen. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen spricht von einer „beispiellosen Verletzung des Luftraums“. Ministerpräsident Tusk berief Krisensitzungen ein und informierte die NATO.
10.09.2025 | 1:41 minWährend russischer Angriffe gegen die Ukraine hat Polens Armee Drohnen zerstört, die in den Luftraum des Nato-Landes eingedrungen sein sollen. Das teilte das Oberkommando der Streitkräfte mit. Nach Angaben der polnischen Regierung stammten sie aus Russland.
Sieben Drohnen oder Trümmerteile von Drohnen seien gefunden worden, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. Fünf von ihnen in der ostpolnischen Wojwodschaft Lublin. Eine Drohne sei über der Wojwodschaft Lodz in Zentralpolen abgestürzt, eine weitere über der nordöstlichen Wojwodschaft Masuren-Ermland. Außerdem seien Trümmer eines Geschosses unbekannter Herkunft gefunden worden.
Oberkommando: Akt der Aggression
Es sei das erste Mal, dass russische Drohnen über dem Territorium der Nato abgeschossen worden seien, sagte Polens Regierungschef Donald Tusk. Er sprach von "Provokation großen Ausmaßes". Alle Bündnispartner nähmen den Vorfall sehr ernst.
Vier Flughäfen des Landes wurden vorübergehend geschlossen. Das Oberkommando teilte mit:
Dies ist ein Akt der Aggression, der eine reale Bedrohung für die Sicherheit der Bevölkerung dargestellt hat.
Mitteilung des Oberkommandos
In der Nacht hat Polen mehrere Drohnen in seinem Luftraum abgeschossen, die laut Regierungschef Tusk aus Russland kamen. ZDF-Korrespondentin Natalie Steger berichtet aus Warschau.
10.09.2025 | 1:09 minTusk: 19 Verletzungen des polnischen Luftraums
Laut Tusk handelte es sich um russische Drohnen, insgesamt seien zwischen 23.30 Uhr und 6.30 Uhr mindestens 19 Verletzungen des polnischen Luftraums festgestellt worden. Viele der unbemannten Flugobjekte seien direkt aus dem Nachbarland Belarus gekommen. Belarus ist ein enger Verbündeter Russlands im Ukraine-Krieg.
Beim Vorgehen hat nach Angaben der Nato auch die Luftabwehr des Verteidigungsbündnisses geholfen. Es sei das erste Mal gewesen, dass Nato-Flugzeuge "potenzielle Bedrohungen im Luftraum eines Verbündeten angegriffen haben", erklärte ein Nato-Sprecher in einer Stellungnahme. Während der Luftraumverletzung seien auch deutsche Patriot-Luftabwehrsysteme in Polen in Alarmbereitschaft gesetzt und ein italienisches Frühwarnflugzeug gestartet worden, hieß es weiter.
"In dieser Nacht kam es zu einer Verletzung des polnischen Luftraums durch eine große Anzahl russischer Drohnen", sagte Tusk bei der Krisensitzung der Regierung.
Quelle: APNato-Chef verurteilt Verletzung von Polens Luftraum
Die Regierung in Warschau beantragte laut Tusk zudem Konsultationen nach Artikel 4 des Nato-Vertrags mit den Verbündeten. Diese Provokation überschreite die bisherigen Grenzen, betonte er.
Wir erwarten deutlich mehr Unterstützung bei der Verteidigung des polnischen Luftraums.
Donald Tusk, Regierungschef Polen
Der Artikel 4 des Nato-Vertrags sieht Beratungen vor, wenn sich ein Nato-Staat von außen gefährdet sieht. Konkret heißt es darin: "Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist." Konkrete Konsequenzen müssen die Konsultation der Artikel-4-Beratungen nicht haben. Theoretisch könnte aber etwa in Folge die Luftraumüberwachung über die Nato verstärkt werden.
Der Artikel wurde seit Gründung des Bündnisses 1949 sieben Mal in Anspruch genommen - zuletzt am 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine. Beantragt wurde das damals von Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Tschechien und der Slowakei.
Quelle: dpa
Die Nato verurteilte die Verletzungen des polnischen Luftraums durch russische Drohnen als "rücksichtsloses Verhalten" Moskaus. Bei einer Sitzung des Nordatlantikrats am Mittwochvormittag hätten die Verbündeten ihre "Solidarität mit Polen" bekundet, sagte Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Unabhängig davon, ob es sich um eine absichtliche Verletzung des Luftraums handele oder nicht, sei Russlands Verhalten "absolut rücksichtslos" und "absolut gefährlich", stellte Rutte fest.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte in ihrer Rede zur Lage der Union im EU-Parlament: "Wir haben eine rücksichtslose und beispiellose Verletzung des polnischen und europäischen Luftraums durch mehr als zehn russische Shahid-Drohnen erlebt". "Europa steht Polen in voller Solidarität bei", fügte sie hinzu.
"Es ist ganz klar, Polen als Nato-Land wird keinen Alleingang machen", sagte ZDF-Korrespondentin Natalie Steger. In der Nacht habe das Land zwar auch in Absprache mit Partnern reagiert - aber jetzt sei eine Reaktion aus Brüssel gefragt.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Polen die volle Solidarität zugesichert. Das betonte sie in ihrer Rede im Europäischen Parlament zur Lage der EU.
10.09.2025 | 1:30 minPolen rüstet massiv auf
In den vergangenen Wochen waren mehrfach Drohnen in den Luftraum über Polen eingedrungen und abgestürzt. Verletzt wurde dabei niemand. Laut ZDF-Korrespondentin Steger seien dieses Mal "Drohnen wirklich aktiv abgeschossen". Diese Möglichkeit hatte der Verteidigungsminister bereits am Dienstag angekündigt. Die Entscheidung darüber müsse die Armee im Einzelfall treffen, hatte er betont.
Das EU- und Nato-Mitglied Polen ist ein wichtiger politischer und militärischer Verbündeter der von Russland angegriffenen Ukraine. Das Land hat auch eine zentrale Funktion als logistische Drehscheibe für die Militärhilfe des Westens für Kiew. Polen fühlt sich auch selbst von Russland bedroht und rüstet massiv auf.
Durch Russlands Massenproduktion der Geran-2-Drohnen wird das Ausmaß der russischen Luftangriffe auf die Ukraine in Zukunft immer weiter wachsen, sagt Militärexperte Nico Lange.
07.09.2025 | 11:26 minSelenskyj: Mindestens acht Drohnen auf Polen gerichtet
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Russland vor, die Drohnen gezielt auf Polen gerichtet zu haben. Es habe sich nicht um eine einzelne Drohne gehandelt, die als Versehen bezeichnet werden könnte, schrieb Selenskyj beim Kurznachrichtendienst X. Dies sei ein weiterer Schritt der Eskalation.
Selenskyjs Post bei X
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Selenskyj forderte erneut eine gemeinsame Luftabwehr der Ukraine und ihrer europäischen Verbündeten. Ein solches System könne durch "die vereinte Stärke unserer Luftwaffe und Luftabwehr" einen "garantierten Abschuss" von Drohnen und Raketen gewährleisten.
Auch der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha bezeichnet das Eindringen der Drohnen in den polnischen Luftraum als Beweis für die Eskalation des Krieges durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Putin eskaliert, weitet seinen Krieg immer weiter aus und testet den Westen", schrieb Sybiha auf der Plattform X.
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