Ukraine-Krieg: Wie Russland Motorräder auf dem Schlachtfeld nutzt

Aus der Not geborene Taktik:Wie Russland Motorräder im Ukraine-Krieg nutzt

von Christian Mölling, András Rácz
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Motorräder haben eine lange Geschichte auf dem Schlachtfeld. Im aktuellen Krieg versprechen sie Geschwindigkeit, um Drohnen zu entkommen - aber auch um Breschen zu schlagen.

Mitglied der Nachtwölfe auf dem Motorrad. Anlass für den Korso auf der Krim war der elfte Jahrestag der russischen Annexion.
Motorräder versprechen Geschwindigkeit: Deswegen werden sie schon lange in Kriegen eingesetzt(Symbolbild).
Quelle: AP

Die russischen Streitkräfte setzen in der Ukraine seit 2024 Motorräder für Angriffszwecke ein. Diese Taktik mag auf den ersten Blick überraschen. Aber sie ist nicht neu und es gibt viele Gründe dafür.

Lange Geschichte des Einsatzes von Motorrädern

Die Präsenz von Motorrädern auf dem Schlachtfeld ist alles andere als eine Neuheit. Im 20. Jahrhundert kam immer wieder die Idee auf, den niedrigen Preis und die hohe Mobilität von Motorrädern für Kampf- oder Unterstützungsaufgaben zu nutzen. Vor dem Zweiten Weltkrieg experimentierten die sowjetischen, dänischen, nazideutschen und auch die US-Streitkräfte mit der Montage von Waffen - etwa Maschinengewehre, manchmal auch Panzerabwehrkanonen - auf Motorrädern.
Während des Zweiten Weltkriegs waren deutsche BMW-R75- und Zündapp KS-750-Motorräder als "Kradschützen" - also als Motorrad-Aufklärer - zur Unterstützung von Panzereinheiten sehr erfolgreich. Sie waren schneller, leichter und kleiner als Autos und verfügten dank des Maschinengewehrs auf dem Seitenwagen über eine gewisse Feuerkraft.
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Motorräder: Russische und sowjetische Erfahrungen

Auch die Sowjets verfügten über eigene Motorradbataillone, die ihre Panzereinheiten bei der Aufklärung, Flankendeckung und Verfolgung fliehender feindlicher Einheiten unterstützten. Neben der eigenen Produktion nutzten die Sowjets auch eine große Anzahl von Harley-Davidson-Motorrädern, die von den USA im Rahmen des Lend-Lease-Abkommens zur Verfügung gestellt wurden.
Die russische Armee setzte Motorräder bis 2011 hauptsächlich zu Aufklärungszwecken ein, aber es wurde auch mit der Montage von Panzerabwehrraketen auf ihnen experimentiert. Die Bodentruppen haben die Motorräder 2011 mit der Begründung aus dem Verkehr gezogen, sie seien unzureichend geschützt und außerdem zu laut. Die Luftlandetruppen setzten jedoch auch danach noch Cross-Motoren für Aufklärungszwecke ein.
Russland hatte also eine reiche Vergangenheit beim Einsatz von Motorrädern im Kampf, auf die es zurückgreifen konnte, als der Krieg in der Ukraine dies erforderte.

Die Autoren der Militäranalyse



Drohnen machen Mannschaftstransport hochgefährlich

Im Jahr 2024 wird der Einsatz von gepanzerten Mannschaftstransportwagen für Angriffsoperationen extrem gefährlich: Die Ukraine kann viele Drohnen auf dem Schlachtfeld einsetzen, darunter sowohl Aufklärungs- und Bombardierungsdrohnen als auch "Selbstmorddrohnen".
Größtes Problem auf russischer Seite: Man verfügt nur über sehr wenige moderne Schützenpanzer, die mehrere Drohnentreffer überstehen können. Bei den meisten russischen Schützenpanzern handelt es sich um alte sowjetische Fahrzeuge mit schwacher Panzerung und der Tendenz, bei direkten Treffern zu explodieren.
Da Russland nicht in der Lage ist, eine ausreichende Zahl moderner, besser geschützter Schützenpanzer zu produzieren, musste eine andere Lösung für das Drohnenproblem gefunden werden.
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Geschwindigkeit ist ein Überlebensschlüssel

Auf einem dicht mit FPV-Drohnen bedeckten Schlachtfeld ist Geschwindigkeit das wichtigste Element zum Überleben. Es ist alles andere als einfach, ein sich schnell bewegendes Ziel mit einer FPV-Drohne zu treffen. Die veröffentlichten Videos von erfolgreichen Treffern weisen eine sogenannte Selektionsverzerrung auf: Es werden nur erfolgreiche Treffer veröffentlicht, nicht aber solche, bei denen der FPV-Operator das Ziel verfehlt hat. Je nach Ausbildungsstand der Besatzung und den verwendeten Drohnentypen schwankt die Erfolgsquote zwischen 20 und 40 Prozent.
Die Notwendigkeit, sich schnell fortzubewegen, erklärt also den Einsatz der Motorräder - aber auch von leichten Geländewagen, manchmal sogar Elektrorollern. Sie alle sind schneller als ein Fußsoldat und bieten somit eine bessere Überlebenschance gegen FPV-Drohnen.
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Motorräder: Auch im Angriff wirksam

Darüber hinaus sind die Motorräder schnell genug, um die Reaktionszeit der ukrainischen Verteidiger erheblich zu verkürzen. Aufgrund ihrer Geschwindigkeit ist es auch ziemlich schwer, sie mit Artillerie- und Mörserfeuer zu treffen. Sogar für einen Maschinengewehrbediener ist es eine Herausforderung. Obwohl sie in unwegsamem Gelände und auch durch Landminen extrem verwundbar sind, bieten die Motorräder Russland die Möglichkeit, seine Infanterie schnell in die Nähe ukrainischer Stellungen oder sogar in diese hineinzubewegen.
Dies gilt insbesondere für die Abschnitte der Frontlinie, in denen die ukrainischen Einheiten dünn besetzt sind und daher nicht alle Bereiche der Frontlinien ausreichend abdecken können. Russische Motorradeinheiten finden schnell Lücken und Schwachstellen in den Verteidigungslinien und sind bereit, diese auszunutzen - auch wenn sie in der Regel sehr hohe Verluste erleiden.
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Ukraine kopiert Motorrad-Taktik

Russland war mit dem Einsatz von Motorrädern trotz hoher Verluste so erfolgreich, dass die Ukraine dem Beispiel folgte: Im Mai 2025 stellte die Ukraine ihre erste Motorrad-Einheit im Rahmen des "425th Separate Assault Regiment" mit dem Spitznamen "Skala" auf.
Die Ukrainer haben sogar die Taktik verbessert und trainieren ihre Motorradtruppen auch für den Kampf: Auf jedem Motorrad sitzen zwei Männer, von denen der erste fährt und der zweite schießt. Außerdem haben sie geübt, unter Rauchschutz vorzurücken, der entweder von der Artillerie oder von Drohnen, die Rauchgranaten abwerfen, bereitgestellt wird. Es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich dies im Gefecht funktionieren wird.
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