Moskaus Militärparade: Wie die Ukraine die Feierlichkeiten nutzt

Analyse

Feierlichkeiten zu Weltkriegsende:Wie die Ukraine Moskaus Parade für sich nutzt

von Christian Mölling, András Rácz
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Der 9. Mai ist für Russland ein wichtiger Feiertag. Kiew betont, man könne nicht für die Sicherheit der Teilnehmer garantieren. Ein direkter Angriff ist aber unwahrscheinlich.

Maschierende russiche Soldaten.
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Vor 80 Jahren endete der Krieg in Europa. Vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Ukraine und der zunehmenden Isolation Russlands gegenüber dem Westen ist die erfolgreiche Durchführung der Parade für Präsident Wladimir Putin von großer Bedeutung.

Krieg und Sieg als Teil der nationalen Identität

Der 9. Mai ist für das heutige Russland ein sehr wichtiger Feiertag, ebenso wie früher für die Sowjetunion. Das Gedenken an den Sieg im Zweiten Weltkrieg in Europa ist ein symbolträchtiger Akt und auch ein wesentlicher Bestandteil der nationalen Identitätsbildung. Er ist als großer vaterländischer Krieg in die russisch-sowjetische Geschichtserzählung eingegangen.



Inszenierung als wichtiger Akteur

Russland will mit der Parade sowohl der heimischen Öffentlichkeit als auch der Außenwelt zeigen, dass Moskau nicht isoliert ist und Russland nach wie vor ein Global Player ist. Offiziellen russischen Quellen zufolge haben insgesamt 29 Staats- und Regierungschefs ihre Bereitschaft zur Teilnahme an der Parade erklärt.
Der ranghöchste Gast wird Xi Jinping aus China sein, der sich zu einem viertägigen Besuch in Moskau aufhält. Aus Europa hat bisher der serbische Präsident Aleksandar Vucic seine Teilnahme zugesagt. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico ist ebenso nach Moskau gereist. Seine Teilnahme ist aber nicht bestätigt.
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Ukraine deutet Angriff auf Parade an

Die Ukraine hat, auch als Reaktion auf die anhaltenden verheerenden russischen Raketen- und Drohnenangriffe auf ihre Städte, mehrfach angedeutet, dass sie die Moskauer Parade mit Langstreckendrohnen angreifen könnte.
Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, die Ukraine könne nicht für die Sicherheit der Teilnehmer an der Moskauer Parade garantieren, während der Leiter des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kirillo Budanow, der für seinen sarkastischen Humor bekannt ist, anmerkte, dass die Teilnehmer der Parade Ohrstöpsel mitbringen sollten.

Moskau in Reichweite ukrainischer Drohnen

Technisch gesehen können die ukrainischen Drohnen Moskau leicht erreichen. Die Ukraine greift die russische Hauptstadt bereits seit zwei Jahren mit behelfsmäßigen Langstrecken-Drohnen an.
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Seither haben sich die Fähigkeiten der Kiewer Drohnen radikal verbessert. Inzwischen verfügen sie über mehrere Arten von Drohnen, die mehr als tausend Kilometer weit fliegen können, sodass Moskau eindeutig in ihrer Reichweite liegt.

Vermehrte ukrainische Angriffe auf russische Hauptstadt

In den letzten Tagen haben ukrainische Drohnen die russische Hauptstadt bereits mehrfach angegriffen, zuletzt am 7. Mai. Darüber hinaus griffen sie auch zwei nahe gelegene Flughäfen an, auf denen russische Kunstflugstaffeln, darunter die berühmte Fliegergruppe Russian Knights, zu Hause sind.
Diese Angriffe waren zwar nur von geringem Umfang, verursachten aber erhebliche Störungen im russischen Luftraum: Alle zivilen Flüge mussten ausgesetzt oder umgeleitet werden, Flughäfen mussten ihren Betrieb einstellen.

Russland zieht Luftverteidigung zusammen

Und der Kreml bereitet sich tatsächlich vor: In den letzten Wochen wurde die Luftverteidigung Moskaus auf ein noch nie dagewesenes Niveau verstärkt. Mehr als 200 (!) Luftabwehrsysteme wurden in vier Staffeln in der Hauptstadt stationiert, zusätzlich zu Kampfjets. Der Kreml ist fest entschlossen, die Parade am 9. Mai abzuhalten und will sicherstellen, dass ukrainische Drohnen sie nicht stören können.
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Gründe, warum ein Angriff der Ukraine unwahrscheinlich ist

Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, dass die Ukraine tatsächlich versuchen würde, die Parade selbst anzugreifen, und zwar aus einer Reihe von Gründen.
Erstens wäre es unklug von Kiew, zu riskieren, Xi Jinping versehentlich zu schaden oder ihn überhaupt in eine unangenehme Situation zu bringen. Die politischen Verluste wären viel zu hoch im Vergleich zu dem kurzfristigen PR-Ergebnis eines Anschlags auf die Parade.
Zweitens ist unklar, welches Eskalationsrisiko ein solcher Angriff mit sich bringen würde. Zwar haben ukrainische Drohnen bereits mehrfach die Außenbezirke Moskaus getroffen, doch haben sie nur minimalen Schaden angerichtet, sodass Russland dies tolerieren könnte.
Ein Treffer auf dem Roten Platz selbst würde den Kreml jedoch wahrscheinlich zu einer eskalierenden Vergeltung zwingen, allein schon wegen des zu erwartenden innenpolitischen Aufschreis in Russland.
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Drittens ist der Rote Platz, der sich im Zentrum Moskaus befindet, äußerst schwer zu treffen, vor allem wegen der großen Zahl zusätzlicher Luftabwehranlagen. Bisher wurden bei allen Drohnenangriffen nur die südlichen und südwestlichen Außenbezirke Moskaus getroffen, ein Dutzend Kilometer vom Roten Platz entfernt.
Viertens haben bereits die Drohungen mit einem möglichen Angriff einen erheblichen PR-Effekt erzielt, da sie den Kreml zu spektakulären Präventivmaßnahmen zwangen und wahrscheinlich die Bereitschaft mehrerer Würdenträger zur Teilnahme an den Feierlichkeiten herabsetzten.
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Mit anderen Worten: Der größte Teil des PR-Effekts wurde bereits dadurch erzielt, dass die Möglichkeit eines Angriffs in den Raum gestellt wurde - ohne dass ein tatsächlicher Angriff erfolgen musste.

Paraden in anderen Städten stärker gefährdet

Das wahrscheinlichste Szenario für den 9. Mai ist daher, dass die Ukraine weiterhin mit Angriffen droht und auch weiterhin kleinere Angriffe im Vorfeld des 9. Mai durchführt. Es mag auch Angriffe auf die Außenbezirke Moskaus geben. Doch ein Angriff auf die Parade ist sehr unwahrscheinlich.
Stattdessen dürften andere russische Städte, die ebenfalls Paraden abhalten, stärker gefährdet sein. Hier könnte die Ukraine den PR-Effekt maximieren und die Risiken minimieren.
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