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Interview
Politologin Hanna Gers:Was passiert, wenn China Taiwan angreift?
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Taiwan hat große Militärübungen gestartet. Könnte sich Taiwan gegenüber China behaupten und was hat der Konflikt mit Europa zu tun? Das erklärt Politologin Gers bei ZDFheute live.
Mit einer groß angelegten Militärübung bereitet sich Taiwan auf den Ernstfall vor - die militärische Eroberung durch China. Zum Einsatz kommen bei dem Manöver, das noch bis zum 18. Juli dauert, neue High-Tech-Raketensysteme, aber auch 22.000 Reservisten sowie Übungen, um die Zivilbevölkerung auf hybride Angriffe vorzubereiten.
"Die Übung ist erstmal nichts außer der Reihe", sagt Politikwissenschaftlerin Hanna Gers von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik bei ZDFheute live. Die Übung werde schon seit mehr als 40 Jahren durchgeführt. Neu sei dieses Jahr die "Intensität und Qualität der Übung".
Taiwan sendet Signal an China und internationale Gemeinschaft
Taiwan reagiere damit auf die gestiegene Bedrohung durch China und möchte "zeigen, dass es sich nicht einschüchtern lässt, es möchte Widerstandsfähigkeit - nicht nur des Militärs und der Streitkräfte, sondern auch der Bevölkerung demonstrieren", sagt Gers. "Nicht zuletzt möchte Taiwan auch ein Signal an die internationale Gemeinschaft schicken." Der Inselstaat wolle den Willen demonstrieren, die Demokratie und Freiheit des Landes zu verteidigen.
China betrachtet das demokratische und selbstverwaltete Taiwan als abtrünnige Provinz, die notfalls mit militärischer Gewalt wieder mit dem Festland vereinigt werden soll.
In den vergangenen Jahren erhöhte Peking rund um die Inselgruppe die Zahl der chinesischen Kampfjets und Kriegsschiffe. China hielt auch immer wieder große Militärmanöver rund um die Insel ab, was die Furcht in Taiwan vor einer chinesischen Invasion wachsen ließ.
Hanna Gers, Politikwissenschaftlerin bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, mahnt, dass sich Deutschland und Europa schon aus Eigeninteresse mit dem Konflikt zwischen Taiwan und China beschäftigen sollten.
Quelle: privat
Wie steht es um Taiwans Verteidigungsfähigkeit?
Schon 2027 könnte dieser Fall eintreten, befürchtet Taiwan. Wie realistisch das ist, hängt laut Gers von vielen Faktoren ab, "nicht zuletzt auch von der Rolle der USA", dem wichtigsten militärischen Unterstützer Taiwans. Es sei aber nicht von der Hand zu weisen, dass China sich vorbereitet: mit militärischen Übungen und massiver Aufrüstung, auch im nuklearen Bereich.
Doch was käme auf Taiwan zu, sollte China wirklich militärisch angreifen? Hat der kleine Inselstaat überhaupt eine Chance gegen den mächtigen Nachbarn?
China ist Taiwan zweifelsohne militärisch weit überlegen, sagt Gers - sowohl bei Truppenstärke als auch bei der Ausrüstung und beim Militärbudget. Aber:
Das bedeutet aber nicht, dass Taiwan jetzt ganz schutzlos dasteht.
Hanna Gers, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Parallelen zwischen Taiwan und der Ukraine
Zum einen sei eine Invasion Taiwans nicht so einfach zu leisten, da es so zerklüftet und bergig ist. Zudem würde Taiwan bei einem chinesischen Angriff, so Gers, eine Strategie der asymmetrischen Kriegsführung verfolge - ähnlich, wie man sie auch in der Ukraine beobachten kann.
Dass also Taiwan "nicht darauf setzt, jetzt mit den Streitkräften Chinas gleichziehen zu können, sondern stattdessen auf kleinere, unbemannte Systeme wie zum Beispiel Drohnen oder Schiffsabwehrminen setzt, um eine Attacke Chinas abwehren zu können."
Es bestehe also ein deutliches Gefälle zwischen Taiwan und China, "aber Taiwan ist auch dabei, eben in diese Kapazitäten zu investieren und auch deutlich mehr als in der Vergangenheit in sein Militär zu investieren."
Hybride Kriegsführung Chinas gegen Taiwan
Auch mit Bedrohungen durch hybride Kriegsführung müsste Taiwan im Fall einer Invasion rechnen - führt sie China doch jetzt schon gegen die Provinz aus. "China geht ganz massiv im Bereich dieser Taktiken gegen Taiwan vor und das sind im Endeffekt ähnliche Strategien, die wir auch bei Russland gegen Europa und die Ukraine beobachten", erklärt Gers.
Dazu gehörten Desinformation, Cyberangriffe und Angriffe auf kritische Infrastruktur, weswegen auch solche Angriffe in der laufenden Militärübung berücksichtigt würden, so Gers.
Da ist es natürlich dann auch wichtig und essenziell, die Zivilbevölkerung mit einzubeziehen, weil die oftmals auch die Opfer von solchen Kampagnen sind.
Hanna Gers
Von dieser Form der zivilen Verteidigung könnten Deutschland und Europa viel lernen, glaubt Gers, weil es in der modernen Kriegsführung eben auch um hybride Attacken geht.
Was der Taiwan-Konflikt mit Europa zu tun hat
Das ist laut Gers jedoch nicht der einzige Grund, warum Deutschland und Europa genau auf diesen Konflikt schauen sollten - auch wenn er weit weg erscheint: "Allen voran geht es um die wirtschaftliche Bedeutung Taiwans." Taiwan habe eine Monopolstellung, "wenn es um die Produktion und den Export von Chips und Hochleistungschips, also Halbleitern, geht, wovon auch in Europa unsere Industrien abhängig sind."
Die Straße von Taiwan
Quelle: ZDF
Zudem passierten etwa 50 Prozent der internationalen Handelsschiffe die Taiwanstraße, die zwischen Taiwan und dem chinesischen Festland entlangführt.
Nicht zuletzt handelt es sich bei Taiwan natürlich auch um eine lebhafte Demokratie.
Hanna Gers
Die Demokratien in Europa hätten ein Interesse daran, dass diese Demokratie und die internationale Ordnung bestehen und Handelswege frei und offen bleiben, erklärt Gers.
Das Interview führte Christina von Ungern-Sternberg, zusammengefasst hat es Marie Ahlers.
Quelle: AFP, ZDF
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