Lebenslange Haft für syrischen Arzt in Frankfurter Folterprozess

Verbrechen gegen Menschlichkeit:Syrischer Arzt in Folterprozess verurteilt

von Susana Santina
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Lebenslange Haft lautet das Urteil für den syrischen Arzt, der laut Gericht Gegner des Assad-Regimes gefoltert hat. Die Richter begründen es mit Aussagen von Zeugen wie Hmde Alale.

Syrischer-Arzt
Das OLG Frankfurt hat einen syrischen Arzt zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Er soll in Syrien für das Assad-Regime Gefangene gefoltert haben. 16.06.2025 | 2:03 min
Hmde Alale ist mit seiner Familie schon am Vortag aus Duisburg nach Frankfurt am Main angereist. Mit klopfendem Herzen, sagt er. Denn der Angeklagte, der sich seit drei Jahren vor Gericht verantworten muss, habe auch ihn schwer gequält. "Den werde ich nie vergessen können", sagt Alale.
Der 44-jährige Syrer zeigt uns Fotos von seinen vielen Narben, die er durch die schwere Folter bis heute an seinem Körper hat. Die seelischen könne man nicht sehen.

Dieser kriminelle Arzt hat mich immer wieder geschlagen. Einmal waren die Schläge so heftig, dass er mir den Kiefer und mehrere Zähne brach.

Hmde Alale, Folteropfer

Der Angeklagte syrische Arzt
Der Prozess gegen den syrischen Arzt startete im Januar 2022.19.01.2022 | 1:32 min

Verurteilt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat den syrischen Arzt Alaa M. am Montag zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt: wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Gericht ist damit dem Antrag der Bundesanwaltschaft gefolgt, die sich zufrieden zeigte:

Das heutige Urteil ist ein starkes Signal für den langen Atem des Völkerstrafrechts in Deutschland.

Anna Zabeck, Oberstaatsanwältin

Sie danke explizit den Opferzeugen, die den Mut aufgebracht hätten, zur Aufklärung der Verbrechen des Assad-Regimes beizutragen. Mut auch deshalb, weil viele massiv bedroht wurden, auch ihre Familien in Syrien. Das habe erst nach dem Sturz Assads ein Ende gefunden.
Ein Mann geht an einem zerbrochenen Porträt des verstorbenen syrischen Präsidenten Hafez Assad vorbei, während Menschen in der durchwühlten Privatwohnung des syrischen Präsidenten Bashar Assad im Stadtteil Malkeh nach Habseligkeiten suchen.
Ende 2024 haben Rebellen in Syrien überraschend schnell - nach Aleppo und Homs - die Hauptstadt Damaskus eingenommen. Syriens Langzeitdiktator Bashar al Assad ist geflohen. 08.12.2024 | 2:41 min

Richter: Verurteilter habe sadistische Züge

Das OLG wirft dem angeklagten Alaa M. unter anderem vor, in den Jahren 2011 und 2012 in Militärkrankenhäusern in Homs und Damaskus die Genitalien von Gefangenen angezündet und mehrfach auch ohne Narkose operiert zu haben. Alaa M. habe sadistische Züge, so der Richter am Montag.
Alaa M. war 2015 nach Deutschland gekommen und hatte bis zu seiner Festnahme 2020 in einer Rehaklinik in Nordhessen gearbeitet.
Auch Hmde Alale sagte als Zeuge gegen Alaa M. aus. Seine Angaben stechen hervor, weil er seine schlimmen Erlebnisse sehr detailgetreu und glaubwürdig berichtet konnte.

Zeuge Alale: Syrischer Arzt habe Häftlinge getötet

Alale gibt vor Gericht an, dass er sich 2011 als Oberleutnant der syrischen Armee geweigert hatte, auf Demonstranten zu schießen. Daraufhin sei er im berüchtigten Saidnaja-Gefängnis bei Damaskus inhaftiert worden.
Hmde Alale sitzt auf einer Parkbank - er war im Prozess gegen den syrischen Arzt am Frankfurter Oberlandesgericht der Hauptzeuge.
Hmde Alale hat als Zeuge vor dem OLG Frankfurt gegen den angeklagten syrischen Arzt ausgesagt.
Quelle: ZDF

Die Bilder dieses dunklen, teils unterirdischen Kerkers gingen im Dezember um die Welt, nachdem die Insassen nach dem Sturz von Machthaber Assad befreit worden waren. Ausgemergelte Menschen, die unter entsetzlichen Bedingungen jahrelang festgehalten wurden, ohne Tageslicht und in miserablen hygienischen Verhältnissen.
Nach Sturz des syrischen Regimes - Syrien
Nach dem Sturz Assads werden Tausende Gefangene freigelassen, die jahrelang im Saidnaja-Gefängnis in Syrien gefoltert wurden - darunter auch Frauen und Kinder. 09.12.2024 | 3:05 min
Er sei dort wie die meisten gefoltert worden, sagt Alale. Deswegen habe man ihn und andere Gefangene 2012 in das Militärkrankenhaus Tishreen in Damaskus gebracht. Dort sei er auf den angeklagten Arzt getroffen.

Alaa M. hat auf die eingepferchten Männer geblickt und auf die gedeutet, die in der schlechtesten körperlichen Verfassung waren.

Hmde Alale, Zeuge im Prozess

Die seien dann nach und nach in einen Raum gebracht worden und er habe beobachten können, wie Alaa M. "Spritzen aus seinem Koffer nahm und sie den auf den Boden liegenden kranken Gefangenen injizierte". Sie hätten dann Schreie gehört, kurz danach seien die Männer verstorben.

Alale: "Angst, dass mir das gleiche passiert"

Alale sagt, er habe mit anderen Gefangenen die Toten in schwarze Plastiksäcke packen und im Hof des Militärkrankenhauses Krankenhauses ablegen müssen. Am nächsten Tag der gleiche Ablauf.
Jubel in Syrien nach dem Sturz des langjährigen Diktators Baschar al-Assad
Freiheit nach 13 Jahren Krieg. Euphorie, Schmerz und Misstrauen bestimmen Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes. Eine Reise durch ein Land, das wieder zusammenfinden muss.06.02.2025 | 30:03 min
"Ich hatte Angst, das mir das gleiche passiert, deswegen habe ich gehofft, wieder ins Gefängnis Sednaya zu kommen, so schrecklich es dort war." Das passierte dann auch. Drei Jahre lang, bis 2014, sei er dort inhaftiert worden, sagt Alale.

Mit Tabletten, ohne Tabletten, mit Hilfe, mit Psycho-Arzt, ohne Psycho-Arzt, ich kann das alles nicht vergessen.

Hmde Alale, Folteropfer

"Aber was soll ich machen? Ich habe Familie, ich habe Kinder, ich muss weiterleben", so Alale weiter.
Dass Alaa M. heute zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, und auch nach 15 Jahren nicht frei kommen wird, sei ein kleines Stück Gerechtigkeit, sagt Hmde Alale.
Susana Santina ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Hessen.
Quelle: dpa, AFP
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