Syrien und der Sturz des Assad-Regime: Vier Syrer erinnern sich

Erinnerungen an 8. Dezember 2024:Syrien nach Assad: Angst, Hoffnung, Neustart?

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Am 8. Dezember 2024 fiel in Syrien das Regime von Baschar al-Assad. Millionen Syrer haben Jahrzehnte auf diesen Tag gewartet. Vier von ihnen erinnern sich, wie er für sie war.

Eine Frau vor einem Assad-Plakat mit einer Waffe in der Hand.
Die syrische Hauptstadt im Freudentaumel: Assad ist gestürzt. Die Geschichten der Überlebenden, Kämpfer, Rückkehrer und Mütter zeigen: Die Befreiung ist der Anfang eines neuen Kapitels.22.05.2025 | 30:18 min

Mustafa al-Aloush: Kämpfer aus Idlib

Mustafa Al-Aloush steht auf der Straße, im Hintergrund ein Panzer und zerstörte Gebäude
Mustafa Al-Aloush wird den 8. Dezember 2024 lange in Erinnerung behalten. Für die Befreiung Syriens hat er gekämpft - mit Verlusten.
Quelle: ZDF

"Als wir an diesem Tag ganz Syrien befreiten und vor allem Damaskus, dachte ich zuerst an alle, die nicht mehr unter uns sind. Ich wusste nicht, ob ich den Familien der Gefallenen zum Sieg gratulieren sollte. Schließlich war die syrische Revolution erfolgreich.
Oder sollte ich trauern, weil ihre Söhne gestorben waren und ich sie wegen ihrer Verluste trösten musste? Für mich persönlich war das der entscheidende und bewegendste Moment an diesem Tag."
Der syrische Interimspräsident Ahmad al-Sharaa schüttelt US-Präsident Donald Trump die Hand.
US-Präsident Trump hat den neuen syrischen Präsidenten getroffen. Er hat angekündigt, die Sanktionen gegen Syrien aufheben zu wollen.14.05.2025 | 1:42 min

Safwan Bahloul: Vier-Sterne-General unter Baschar al-Assad

Safwan Bahloul blickt in die Weite über Straßen und Natur
Safwan Bahloul arbeitete jahrelang als Vier-Sterne-General unter Assad. Doch seine Meinung über den ehemaligen Machthaber Baschar al-Assad hat sich geändert.
Quelle: ZDF

"Ein gut unterrichteter Untergebener rief mich an. So haben die Sicherheitsoffiziere des 4. Armeekorps alle Dokumente verbrannt und sind geflohen. Und der Bruder des Präsidenten, Maher al-Assad, sei ebenfalls aus dem Land geflohen. Auch sei das Hauptquartier am Umayyaden-Platz verlassen.
Um 1 Uhr 30 nachts rief ich den Verteidigungsminister an. Er antwortete nur: Safwan, es ist vorbei.
Ich war total schockiert - und bin noch immer wütend. Ich sage das ganz offen: Bis zur letzten Minute war ich meiner Regierung, meinem Staat und Staatsoberhaupt treu ergeben. Ich meine das im militärischen Sinne, nicht was die dunklen Seiten des Regimes angeht."

Da habe ich begriffen, dass ich jemandem ergeben war, der nie das Land hätte führen dürfen.

Safwan Bahloul, Vier-Sterne-General unter Baschar al-Assad

Safwan will Blutvergießen vermeiden: Er befiehlt seinen verbliebenen Männern, sich den Rebellen zu ergeben.

Sehen Sie die dreiteilige Dokuserie "Tatort Syrien" am 21. Mai ab 00:45 Uhr im ZDF oder streamen Sie sie jederzeit bei Web und App.

Rauda Hassan: Mutter eines Verschleppten

Rauda Hassan blickt in die Kamera und umklammert ein Bild ihres verschleppten Sohnes.
Rauda Hassans Sohn kam unter dem Assad-Regime in Gefangenschaft. Die Verschleppung ihres Sohnes überschattet ihre Freude über die syrische Revolution.
Quelle: ZDF

"Alle freuten sich, sangen und riefen den Sturz des Regimes aus. Ich dagegen ging sofort nach Saidnaya. Sie sagten uns, dass die Gefangenen freigelassen worden seien. Ich ging direkt zur Victoria-Brücke. Es gab keine öffentlichen Verkehrsmittel, also kletterten wir auf einen Gemüse-Lkw. Ich, in meinem Alter - ich bin 63 Jahre alt - klettere auf einen Gemüse-Lkw, um meinen Sohn zu suchen?
Ich suchte an sechs verschiedenen Orten in Damaskus nach meinem Sohn, während Kugeln um uns herumflogen - bei der Victoria-Brücke, in Barzeh und unter der Präsidentenbrücke. Es war niemand dort außer den Männern der Befreiungsfront.
Assad links neben ihm ein junger Mann der ein Kind trägt.
Verschleppung, Folter, Angst: Das Assad-Regime regierte mit äußerster Brutalität. Die Suche nach Opfern und Angehörigen geht weiter. Das Ende der Diktatur bringt für sie noch keine Gerechtigkeit.22.05.2025 | 30:04 min
Am Morgen des Sturzes des Regimes waren die Straßen leer. Ich suchte nach meinem Sohn. Ich kann mich über nichts freuen, nicht einmal bei besonderen Anlässen.

Ich kann keine Freude empfinden, solange ich nicht weiß, wo mein Sohn ist.

Rauda Hassan, Mutter eines Verschleppten

Ich will nur wissen, ob er noch lebt oder nicht. Seit 14 Jahren bin ich in einer Spirale aus Ungewissenheit gefangen - lebt er oder nicht? Ist es nicht endlich an der Zeit, dass ich es erfahre und Ruhe finde?

Wer in Syrien regiert



Samir Kazma: Christ aus Damaskus

Samir Kazma steht vor einem zerstörten Gebäude.
Samir Kazma lebt als Christ in Damaskus. Die christliche Gemeinschaft blickt, als Minderheit in Syrien, bedenklich auf die neuen Herrscher im Land.
Quelle: ZDF

"Um 2:30 Uhr morgens begannen wir, Schüsse zu hören - alle Arten von Waffen, große und kleine. Zuerst hatten wir Angst. Aber nach ein oder zwei Stunden bemerkten wir: Es ist eine feierliche Schießerei.
Am nächsten Morgen ging ich auf die Straße und schaute nach, ob mein Auto und mein Haus in Ordnung waren. Ob etwas durch die Schüsse passiert ist. Wir haben auf dem Umayyaden Platz gesehen, wie die Revolutionäre einmarschiert sind. Wir haben alles gesehen!
Eine junge Frau mit einem weißen Kopftuch.
Milizen, Trümmer und Misstrauen. Die Herausforderungen für Übergangspräsident Ahmad Al-Scharaa sind immens. Kann er Syrien bieten, was es braucht? Kann er das gespaltene Land zusammenführen?22.05.2025 | 30:56 min
Alle Syrer sind jetzt glücklich und wir blicken optimistisch in die Zukunft, aber auch ein wenig ängstlich. Hoffentlich wird es gut für mich und für alle Syrer.
Die christliche Gemeinschaft hat jetzt ihre Bedenken, weil wir von den neuen Herrschern nichts gesehen haben. Wir warten. Sagen wir mal, Syrien ist jetzt schwanger. Wir brauchen mindestens neun Monate, um zu sehen, was kommt, mindestens. Man kann jetzt nicht vorhersagen, was in zehn oder 15 Tagen passieren wird."
Das Interview mit Samir Kazma wurde im Dezember 2024 geführt.
Nahost-Experte Daniel Gerlach
Für Syrien sei ein Ende der Finanzsanktionen wichtig, da die USA den Bankensektor kontrollieren, so Nahost-Experte Gerlach. Auch ein Kabinettsmitglied sei noch immer sanktioniert. 13.05.2025 | 2:56 min

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Quelle: dpa

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