Update am Abend:Triage-Regeln sollten kein "Flickenteppich" sein
von Jan Schneider
Guten Abend,
es ist wohl eine der schwersten Entscheidungen, die Ärztinnen und Ärzte treffen müssen: die sogenannte Triage - also die Entscheidung, wer in einer Notlage zuerst behandelt wird, wenn die Ressourcen knapp sind. Während der Corona-Pandemie hatte der Bundestag 2022 eine Triage-Regelung ins Infektionsschutzgesetz aufgenommen. Sie sollte festlegen, wie Ärztinnen und Ärzte entscheiden, wenn Intensivbetten oder Beatmungsgeräte knapp werden. Ziel war, Benachteiligung - etwa wegen einer Behinderung oder des Alters - zu verhindern. Entscheidend sollte allein die kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit eines Patienten sein.
Heute hat das Bundesverfassungsgericht diese Regelung jedoch gekippt. Sie verletze die Berufsfreiheit der Ärztinnen und Ärzte, entschieden die Juristen. Ärztliches Handeln müsse "frei von fachlichen Weisungen" bleiben - dazu gehöre auch die Entscheidung, wer in einer Notsituation zuerst behandelt wird. Außerdem fehle dem Bund die Gesetzgebungskompetenz: Für solche Vorgaben seien die Länder zuständig.
04.11.2025 | 1:56 min
Nach Ansicht von Intensivmediziner Christian Karagiannidis von der Berliner Charité stärkt das Urteil zwar die ärztliche Entscheidungsfreiheit, "Klarheit über zukünftige Triage-Kriterien schafft es aber nicht". Er warnt vor einem Flickenteppich an Landesregeln und fordert, die Steuerung von Intensivkapazitäten über das bundesweite Divi-Register weiter auszubauen - "am besten europaweit, um Triage-Situationen zu verhindern".
Auch Rechtswissenschaftler Stefan Huster sieht offene Fragen: "Das Gericht hat sich gar nicht mit den genauen Triage-Kriterien befasst. Der Schutz vor Diskriminierung bleibt weiterhin ungeregelt." Er nennt das Urteil "unglücklich", weil nun 16 unterschiedliche Regelungen entstehen könnten - und damit neue Unsicherheit.
- Versorgung im Krisenfall: Bundesverfassungsgericht kippt Triage-Regelung
- Bundesverfassungsgericht: Triage-Regelungen mit Grundgesetz unvereinbar
Wenn ein Außenminister in Trümmern steht
Ein Satz inmitten von Ruinen - und schon rumort es gewaltig in der Union. Außenminister Johann Wadephul stand letzte Woche in Harasta vor den Kameras, ringsum Trümmerwüste, und sagte auf die Frage von ZDF-Korrespondentin Patricia Wiedemeyer sinngemäß: Leute, hier kann erstmal niemand zurück. "Eine dermaßen große Zerstörung habe ich persönlich noch nicht gesehen."
Das Problem: Im Koalitionsvertrag sind Abschiebungen nach Syrien fest eingeplant, "beginnend mit Straftätern und Gefährdern". Und Teile der CDU/CSU sahen ihren eigenen Außenminister plötzlich als Bremser.
03.11.2025 | 3:08 min
Dann kam das Machtwort: Kanzler Friedrich Merz stellte am Montag klar - der Bürgerkrieg ist vorbei, es gibt keinen Asylgrund mehr, Rückführungen können beginnen. Wer nicht freiwillig geht, kann abgeschoben werden. Gleichzeitig betont Merz: Syrien braucht diese Menschen für den Wiederaufbau.
Wadephul selbst ruderte auch etwas zurück, bleibt aber dabei: In Trümmerstädten wie Harasta oder Aleppo ist ein menschenwürdiges Leben derzeit schwer möglich. Erst wenn das anders ist, macht Rückkehr Sinn.
Die Debatte zeigt: Zwischen Koalitionsvertrag und Realität vor Ort liegen manchmal Welten. Und die Union ringt noch um die richtige Balance zwischen Härte und Pragmatismus.
- Rückführungsdebatte in der Union: Wadephul, Syrien und ein Machtwort des Kanzlers
Im Computerspiel-Chat zur Selbstverletzung überredet
Ich muss ehrlich sagen: Dieser Fall erschüttert mich. Ein 16-Jähriger aus Baden-Württemberg soll im Internet gezielt andere Jugendliche manipuliert und zu Selbstverletzungen gebracht haben - als Teil eines Netzwerks, das auf Online-Plattformen wie Spiele-Chats oder Discord Jagd auf Teenager macht. Fünf Menschen soll der Verdächtige so weit gebracht haben, sich selbst zu verletzen. Ermittler sprechen von psychischer Kontrolle, von Drohungen, Erpressung und perfider Abhängigkeit.
Was mich besonders schockiert: Der mutmaßliche Täter ist selbst noch ein Teenager - und trotzdem Teil einer Szene, die das Leid anderer instrumentalisiert, um Macht zu spüren. Das erinnert erschreckend an die Netflix-Serie "Adolescence", in der Jugendliche immer tiefer in Gewalt, Manipulation und Schuldgefühle hineingezogen werden. Nur: Hier geht es nicht um Fiktion, sondern um echte Kinder, echte Schmerzen und eine erschreckend schwer zu kontrollierende Gefahr im Internet.
- Onlinenetzwerk "764": Teenager soll Jugendliche zu Selbstverletzung genötigt haben
Weitere Schlagzeilen
- Deutschlands Rentensystem in der Vertrauenskrise: Eine Mehrheit zweifelt an der langfristigen Verlässlichkeit.
- Ehemaliger US-Vizepräsident Dick Cheney ist tot: Er gilt als der einflussreichste Vizepräsident in der Geschichte der USA.
- Deutschlands ältester Mann gestorben: Karl Haidle aus Baden-Württemberg wurde 110 Jahre alt
- Peru bricht diplomatische Beziehungen zu Mexiko ab: Die Regierung spricht von Einmischung in internen Angelegenheiten.
Ein Lichtblick
Bei Unfällen sind im vergangenen Jahr rund 6,5 Millionen Liter wassergefährdende Stoffe unkontrolliert in die Umwelt ausgetreten. Das waren knapp 70 Prozent weniger als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Rund ein Drittel der im Jahr 2024 freigesetzten Schadstoffe gingen auf nur zwei Unfälle zurück. Die Gesamtzahl dieser Unfälle sank den Angaben zufolge um rund 18 Prozent auf 1.542. Das sei der niedrigste Stand seit dem Jahr 2010.
Throwback des Tages
Lust auf eine Zeitreise? Heute vor 30 Jahren schrieb Michael Jackson bei "Wetten, dass..?" Fernsehgeschichte. Die Weltpremiere des "Earth-Song":
06.11.2021 | 2:46 min
Zahl des Tages
520 Millionen. So viele Kinder haben im vergangenen Jahr in Konfliktgebieten rund um den Globus gelebt. Nach einer Analyse der Hilfsorganisation Save the Children sind das 47 Millionen mehr als im Vorjahr und so viele wie noch nie seit der erstmaligen Ermittlung der Zahlen im Jahr 2005. Damit ist jedes fünfte Kind von bewaffneten Konflikten betroffen, wie Save the Children in Berlin mitteilte.
- Bericht von Save the Children: Jedes fünfte Kind lebt in einem Konfliktgebiet
Gesagt
Natürlich fühle ich mich unglaublich geschmeichelt. Und es ist völlig absurd.
Jonathan Bailey, Schauspieler
Der britische Schauspieler Jonathan Bailey ist für das US-Magazin "People" der "Sexiest Man Alive" des Jahres 2025. Bekannt ist der Brite vor allem als Lord Anthony in der Serie "Bridgerton.
- Vom "People"-Magazin gekürt: Bridgerton-Star Jonathan Bailey ist "Sexiest Man Alive"
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Streaming-Tipps für den Feierabend
Im September 2024 explodieren Tausende Pager im Libanon. Der Mossad schlägt zu - die Hisbollah gerät ins Visier. Die frontal-Dokuserie "Operation Apollo: Die Pager-Attacke des Mossad" deckt die Geheimoperation auf, die den Nahen Osten verändert. (Drei Folgen á 30 Minuten)
Wenn Sie die Geschichte lieber lesen wollen, hier ist der Artikel zur Doku von unserem Rechercheteam.
04.11.2025 | 31:50 min
Warum erleben Frauen seltener einen Orgasmus als Männer? In der Terra Explore Reihe "Sex - Reine Kopfsache?" sprechen Leila Lowfire und Leon Windscheid offen über Lust, Scham und die Klitoris - mit überraschenden Erkenntnissen aus der Wissenschaft.
27.10.2025 | 43:22 min
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