Rückführungsdebatte in der Union:Wadephul, Syrien und ein Machtwort des Kanzlers
von Mathis Feldhoff
Eine Äußerung von Außenminister Wadephul inmitten von Trümmern sorgt für Kritik. Der Kanzler scheint sich zu distanzieren. Was will die Union beim Thema Abschiebungen nach Syrien?
Nach seinem Besuch in Syrien glaubt Außenminister Wadephul nicht an die schnelle Rückkehr vieler Syrer. Seine Parteikollegen widersprechen.
03.11.2025 | 3:08 minEs war ein Besuch in Harasta, einem Vorort von Syriens Hauptstadt Damaskus, der die Debatte auslöste und der zwischenzeitlich den Außenminister dem Verdacht aussetzte, er wolle sich von den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag über Rückführungen und Abschiebungen lossagen.
In einem Interview mit dem ZDF sagte Johann Wadephul am vergangenen Donnerstag zu einer möglichen Rückkehr der Menschen: "Kurzfristig können sie nicht zurückkehren." Und weiter:
Eine dermaßen große Zerstörung habe ich persönlich noch nicht gesehen, habe ich mir auch nicht vorstellen können. Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben.
Johann Wadephul am 30. Oktober
Sehen Sie hier die Äußerung von Außenminister Johann Wadephul in Syrien.
03.11.2025 | 0:11 minHarte Kritik an Wadephul aus der CDU
Im Koalitionsvertrag hatte sich das schwarz-rote Bündnis auf eine ziemlich interpretationsfähige Formulierung verständigt: "Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben - beginnend mit Straftätern und Gefährdern."
Distanziert sich also Minister Wadephul vom Koalitionsvertrag? Nach vier Tagen heftiger Diskussion scheint sich der Pulverdampf etwas zu legen.
Zuvor hatten CDU-Schwergewichte wie der NRW-Landesgruppenchef Günter Krings den Eindruck erweckt, der eigene Außenminister wolle gar nicht mehr abschieben. Krings sagte der "Bild":
Die spontane Äußerung des Bundesaußenministers wird ganz offensichtlich aus dem Zusammenhang gerissen, wenn man ihr irgendeine Relevanz für die anstehenden und notwendigen Rückführungen nach Syrien geben wollte.
Günter Krings, CDU
Kanzler Merz will Syrer unterstützen, die zurückkehren wollen. In der Diskussion über eine schnelle Rückkehr Geflüchteter will er Außenminister Wadephul nicht kritisieren.
03.11.2025 | 2:30 minIst Wadephul Teilen der CDU zu liberal?
Der CDU-Spitzenkandidat in Sachsen-Anhalt, Sven Schulze, verlangte die Rückkehr von Syrern, die in Deutschland Schutz gesucht haben. "Ein in Teilen zerstörtes Land und schlechtere Lebensbedingungen als in Deutschland sind kein Grund, daran nicht zu arbeiten."
Es drängt sich der Verdacht auf, dass eine Art Grundmisstrauen gegen Wadephul und seine liberalere Haltung mitschwingt. Aber auch die Sorge, dass die politische Rechte sich diese Debatte zunutze machen könnte, wenn man hier jetzt wackelt.
In Syrien sei die Lage "insgesamt sehr instabil", so ZDF-Korrespondentin Golineh Atai.
03.11.2025 | 2:46 minEin Machtwort des Kanzlers
Erst eine Äußerung des Bundeskanzlers am Montagabend beim Besuch in Schleswig-Holstein, übrigens dem Heimatland von Wadephul, bringt Beruhigung in die Debatte. Der Bürgerkrieg in Syrien sei beendet, sagt Friedrich Merz.
Es gibt jetzt keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland, und deswegen können wir auch mit Rückführungen beginnen.
Friedrich Merz am 3. November
Diejenigen in Deutschland, die sich dann weigerten, könne man selbstverständlich auch in naher Zukunft abschieben, so Merz weiter.
Der Regierungschef betont nochmals, dass auch die nach Deutschland Geflüchteten aus seiner Sicht in Syrien dringend gebraucht werden: "Ohne diese Menschen ist der Wiederaufbau nicht möglich." Darüber werde er auch mit dem syrischen Präsidenten Ahmed al-Scharaa reden, den er zum Besuch nach Berlin eingeladen habe.
Die Erwartungen an Deutschland, international eine Führungsrolle zu übernehmen, steigen. Doch kann die Bundesregierung die Erwartungen erfüllen? Bisher ist sie vor allem eines: zögerlich.
14.09.2025 | 6:05 minCSU: Wer Arbeit hat, darf bleiben
So bleibt es offenbar zunächst bei dem, was der Koalitionsvertrag aussagt. Zunächst beziehen sich Rückführungen nur auf syrische Straftäter und sogenannte Gefährder. Dazu gibt es aber keine genauen Zahlen. Einzig die Anzahl der ausreisepflichtigen Syrerinnen und Syrer gibt dafür einen Anhaltspunkt.
Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge waren das Ende September 10.729 Personen. Insgesamt fast eine Million Syrer leben derzeit noch in Deutschland. Rund die Hälfte von ihnen bezieht derzeit Bürgergeld. Und nur diese sind jetzt Teil der Debatte über Rückführungen.
Alexander Hoffmann, Chef der CSU im Bundestag, gesteht Syrern, die für ihr eigenes Leben in Deutschland sorgen, eine Zukunft im Land zu: "Da gibt es doch keinen Grund, warum die nicht bleiben sollen." Alle anderen hätten keinen Grund und kein Recht zu bleiben, so Hoffmann.
Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat sich erneut für eine Verschärfung des Asylsystems ausgesprochen. „Wir wollen den Migrationsdruck auf Europa weiter verringern“, so Dobrindt.
03.09.2025 | 7:39 minWadephul rudert ein bisschen zurück
Auch Wadephul selbst präzisiert seine Aussage am Dienstag. Es sei ein legitimes Interesse der Deutschen, "dass die Menschen, die hier Aufnahme fanden, für die die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aufgekommen sind, dass diese dann, wenn es möglich ist und wenn sie hier keine Beschäftigung und keine Bleibe gefunden haben, (...) auch bereit sind, zurückzukehren."
Er bleibe allerdings bei seiner Haltung, dass man derzeit in Stadtteilen wie Harasta oder Städten wie Aleppo vor allem eine Trümmerwüste vorfindet: "Und solange das so der Fall ist, wird es schwer sein, dort wieder ein, wie ich es vor Ort gesagt habe, menschenwürdiges Leben zu ermöglichen."
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