Aus vom Verbrenner-Aus:Mehr Möglichkeiten für Hersteller, wenig Klarheit für Käufer
von Frank Bethmann
Die EU macht das Verbrenner-Aus de facto rückgängig: Das bringt der Autoindustrie Spielraum, schafft aber Unklarheiten für Verbraucher und Klima.
Nach den neuen Regelungen der EU-Kommissionm können Neuwagen mit CO2-Ausstoß erlaubt bleiben, wenn die Emissionen kompensiert werden.
16.12.2025 | 1:42 minUrsprünglich sollten Neuwagen in der EU ab 2035 im Betrieb gar kein CO2 mehr ausstoßen. Ein De-facto-Verbot klassischer Verbrenner, beschlossen 2022. Nun schlägt die EU-Kommission vor, das Ziel auf 90 Prozent CO2-Minderung abzusenken und damit ein "Restbudget" für Fahrzeuge mit Abgasen zuzulassen.
Die EU-Kommission will auch nach 2035 neue Verbrennerfahrzeuge erlauben. Statt eines Komplettverbots soll der CO2-Ausstoß nun nur noch um 90 Prozent sinken.
16.12.2025 | 2:45 minEmissionsdurchschnitt entscheident
Konkret soll das über die CO2-Flottengrenzwerte laufen: Nicht jedes einzelne Auto muss emissionsfrei sein, entscheidend ist der Durchschnitt aller neu zugelassenen Fahrzeuge eines Herstellers. Damit werden neue Verbrenner-Varianten - etwa Plug-in-Hybride oder Reichweitenverlängerer (Range Extender), rechnerisch wieder möglich, solange sie im Flottenschnitt aufgefangen werden.
Mit Range Extender sind kleine Zusatzaggregate, meist ein Verbrennungsmotor gemeint, um den Akku eines Elektroautos während der Fahrt nachzuladen.
In der Automobilindustrie sorgt das Aus vom Verbrenner-Aus für Erleichterung - aber auch Sorge.
12.12.2025 | 1:57 minSynthetische Kraftstoffe rücken wieder in den Fokus
Parallel dazu rückt erneut die Debatte um E-Fuels in den Fokus: Synthetische Kraftstoffe könnten genutzt werden, um Flottenbilanzen zu schönen, obwohl sie real höhere CO2-Emissionen pro Kilometer verursachen als reine Elektroautos.
Umweltverbände warnen, E-Fuels könnten so zur Hintertür werden, über die doch weiter Verbrenner mit messbarem Ausstoß auf die Straße kommen. Beatrix Keim, Leiterin des CAR Center of Automotive Research, ist ebenfalls skeptisch, aber aus einem anderen Grund:
E-Fuels sind zu teuer und zu ineffizient in Produktion und Betrieb.
Beatrix Keim, Leiterin des CAR
„Das Aufweichen von heute ist maximal eine kleine Atempause, auf dem Weg zur völligen E-Mobilität“, so ZDF-Wirtschaftsexperte Florian Neuhann zur Abkehr der EU vom Verbrenner-Aus.
16.12.2025 | 2:18 minZahlreiche neue Möglichkeiten der Abgas-Kompensation
Neben sogenannten "Klimafreundlichen Kraftstoffen" will die EU-Kommission CO2-Einsparungen außerhalb des Auspuffs auch durch andere Maßnahmen anrechenbar machen, etwa durch klimafreundlicheren Stahl oder mehr Recycling.
Wie diese Regelungen genau aussehen, ist noch unklar, kritisiert Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Instituts. "Der Kauf von grünen Stahl soll quasi das CO2 aus dem Auspuff neutralisieren. Wie viel Tonnen europäischer grüner Stahl aus Europa ein Verbrenner ausgleichen, ist allerdings auch nicht bekannt."
In der EU regt sich Widerstand gegen ein komplettes Verbrenner-Aus ab 2035. Wie Autohersteller und Zulieferer reagieren, berichtet Valerie Haller.
12.12.2025 | 1:05 minAnreize für den Bau kleinerer Elektroautos
Dudenhöffer rümpft auch die Nase über eine weitere geplante Neuerung. Nämlich: Autobauer die künftig kleine Elektroautos fertigen und verkaufen, sollen mit Blick auf die Flottenverbrauchswerte begünstigt werden. "Das Prinzip", so Dudenhöffer, "x kleine Elektroautos kompensieren einen Porsche 911 Turbo." Nur, so der Autofachmann weiter: "Wie viele Kleinwagen einen Porsche 911 aufwiegen wird nicht gesagt."
Keine Klarheit für Autokäufer
Vieles bleibt im Unklaren; vor allem für die Autokäufer: Ein klares "Enddatum" für Benziner und Diesel gibt es nicht mehr, gleichzeitig laufen in einigen europäischen Ländern Förderprogramme für E-Autos aus und werden Klimastandards komplexer.
„Da prallen zwei Lager aufeinander“, berichtete ZDF-Korrespondent Andreas Stamm Anfang Dezember zur Debatte um das Verbrenner-Aus.
04.12.2025 | 3:09 minWer heute ein neues Auto plant, blickt auf eine Übergangsdekade, in der Verbrenner, Hybride, E-Autos und möglicherweise E-Fuels nebeneinander existieren - ohne verlässliche Perspektive, welcher Technologie die Zukunft gehört. Klarheit im Sinne eines einfachen Signals - "ab 2035 nur noch E-Autos" - ist verloren gegangen.
Trotz Atemluft für Autohersteller, auch VDA unzufrieden.
Für die Autohersteller bringt der Vorschlag zunächst Atemluft: Sie können ihre Investitionen in Elektromobilität mit einer verlängerten Nutzung bestehender Verbrennerplattformen kombinieren. Dennoch ist die Präsidentin des Verband der Automobilindustrie (VDA) Hildegard Müller alles andere als zufrieden mit den heutigen Ankündigungen:
Was nach mehr Offenheit aussieht, ist mit so vielfältigen Hürden versehen, dass es droht, in der Praxis wirkungslos zu bleiben.
Hildegard Müller, Präsidentin des Verband der Automobilindustrie
Für den Automobilstandort Europa sei das heute kein guter Tag, so Müller weiter. Europaparlament und Mitgliedstaaten können die Pläne nun noch nachjustieren. Doch ob das passiert, bleibt genauso unklar, wie viele Änderungen, die heute verkündet wurden.
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