Kritik am Rentenpaket:So könnte die Rente der Zukunft aussehen
von Anne Sophie Feil
Ökonomen warnen vor dem Rentenpaket der Regierung. Es verfehle das Ziel der Stabilität, Verlässlichkeit und des Vertrauens. Sie fordern, das System grundlegend umzubauen.
Die von der Regierungskoalition angekündigten Maßnahmen zur Rentenreform stehen in der Kritik.
Quelle: SVEN SIMON | Hörmann, FrankZweiundzwanzig Ökonominnen und Ökonomen haben den gemeinsamen Appell gegen das neue Rentenpaket veröffentlicht. Sie kritisieren, dass die Reformpläne der Bundesregierung die Lasten der Rente einseitig auf Jüngere verlagerten.
Die Regierung will das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent sichern und dazu Milliarden aus dem Bundeshaushalt einsetzen. Fachleute warnen, das schwäche die Stabilität und Verlässlichkeit des Rentensystems sowie das Vertrauen in die Politik. Ihre Forderung: Die Regierung soll das Reformpaket zurücknehmen. Silke Übelmesser, Finanzwissenschaftlerin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, hat das Papier mitunterzeichnet. Die Ökonomin erklärt:
Maßnahmen, die heute beschlossen werden, aber nicht nachhaltig finanzierbar sind, bergen vor allem für jüngere Generationen die Gefahr, dass sie nicht aufrechterhalten werden können.
Prof. Silke Übelmesser, Ökonomin
Noch immer ist der Koalitions-Konflikt ums Rentenpaket nicht gelöst. Die SPD beharrt auf den Entwurf, die jungen Unions-Abgeordneten sind dagegen. Fraktionschef Spahn steht vor schwierigen Tagen.
24.11.2025 | 2:01 minUmlagesystem unter Druck
Die gesetzliche Rente funktioniert nach dem Umlageprinzip. Wer arbeitet, zahlt für die aktuellen Rentner. Doch die Bevölkerungsstruktur hat sich verändert. 1962 kamen laut Destatis noch sechs Beitragszahlende auf eine Rentnerin oder einen Rentner, 2023 waren es nur noch zwei. Ohne Reformen werden die Kosten weiter klettern.
Gleichzeitig hat sich die durchschnittliche Rentenbezugsdauer seit 1960 etwa verdoppelt. Dadurch steigen die Kosten für die gesetzliche Rentenversicherung. Die Beiträge werden teurer und der Bundeshaushalt muss immer mehr zuschießen.
Im Zentrum steht die sogenannte Haltelinie bei der Rente, also das Absicherungsniveau der Rente im Verhältnis zu den Löhnen. Eigentlich sollte das Rentenniveau in den nächsten Jahren sinken. Im Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD aber vereinbart, die Haltelinie bis 2031 bei 48 Prozent stabil zu lassen.
In dem vom Kabinett beschlossenen Rentengesetzentwurf ist außerdem vorgesehen, dass auch nach 2031 das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher als im geltenden Recht liegen soll. Die Junge Gruppe der Unionsabgeordneten im Bundestag moniert das und argumentiert, dass das nicht im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Das Problem: Wenn das Rentenniveau 2031 von einem höheren Niveau als bisher geplant zu sinken beginnt, dürfte das rund 120 Milliarden Euro kosten.
Quelle: dpa
Nachhaltigkeitsfaktor als Kostenbremse
Ein Instrument für mehr Fairness innerhalb der Generationen ist der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor. Er sorgt dafür, dass Renten langsamer steigen, wenn das Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlenden ungünstiger wird. Bisher trug dieser Mechanismus etwa ein Viertel der Zusatzlast über geringere Rentensteigerungen und drei Viertel über höhere Beiträge.
Die geplante Haltelinie beim Rentenniveau setzt den Nachhaltigkeitsfaktor jedoch weitgehend außer Kraft. Beitrags- und Steuerzahlende würden dann die demografischen Mehrkosten allein tragen. Übelmesser plädiert dafür, den Nachhaltigkeitsfaktor zu stärken und die Lasten etwa zur Hälfte über Beiträge und zur Hälfte über gedämpfte Rentenanpassungen zu verteilen.
Das geplante Rentenpaket spaltet die Union - insbesondere von der Jungen Gruppe kommt Widerstand. Sie droht damit, dem Gesetzentwurf im Bundestag nicht zuzustimmen. Die Führung steht unter Druck.
23.11.2025 | 4:13 minDas könne dazu beitragen, das Ausgabenwachstum zu dämpfen und finanzielle Nachhaltigkeit zu fördern, so Übelmesser.
Dies könnte man kombinieren mit einer Unterstützung von Personen mit einem niedrigen Alterseinkommen über alle Säulen hinweg und unter Berücksichtigung anderer Einkommensarten.
Prof. Silke Übelmesser, Ökonomin
Später in Rente gehen
Ein weiterer möglicher Hebel ist der spätere Renteneintritt. Die Idee: Wenn die Lebenserwartung steigt, verlängert sich auch das Erwerbsleben. Übelmesser hält die Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung für technisch am einfachsten umsetzbar. Formal könnte die Rechnung beispielsweise lauten: Ein Jahr höhere Lebenserwartung führt zu acht Monaten längerem Erwerbsleben und vier Monaten längerem Ruhestand.
Ähnliche Modelle gebe es bereits in mehreren Ländern, unter anderem in den Niederlanden, in Schweden und Finnland. "Die Rente mit 63 ist ein teurer Fehler", sagt auch Marcel Thum vom Ifo-Institut.
Kapitaldeckung als zusätzlicher Baustein
Der Wirtschaftsweise Martin Werding fordert, die umlagefinanzierte Rente deutlich stärker durch Kapitaldeckung zu ergänzen. Dabei würde Geld an den Finanzmärkten angelegt und über Jahrzehnte verzinst. So müssten nicht mehr allein die Jüngeren mit ihren laufenden Beiträgen die gesamte Rentenlast tragen, weil ein Teil der Leistungen aus diesem Kapitalstock finanziert würde.
Die Union streitet lautstark über die Rente. Wirtschaftsweiser Martin Werding kritisiert im ZDF fehlenden seriösen Umgang - und sieht das Land vor einer Zeit der Herausforderungen.
16.11.2025 | 5:13 minDie geplante Frühstartrente der Bundesregierung geht in diese Richtung. Demnach soll jedes Kind, das eine Bildungseinrichtung besucht, vom sechsten bis 18. Lebensjahr monatlich zehn Euro staatliche Einzahlungen in ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot erhalten.
Werding warnt im Gespräch mit dem ZDF, dies sei jedoch ein langer Prozess. Bis diese Vorsorge auskömmliche Zusatzrenten hervorbringe, dauere es. Ökonomin Übelmesser sieht die kapitalgedeckte Komponente ebenfalls als perspektivisch notwendig an und vergleicht sie mit einer "Aktienrente" nach schwedischem Vorbild.
Auch Beamte sollen einzahlen
Immer wieder wird vorgeschlagen, alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rente einzubeziehen, auch Beamte und Selbständige. Das könnte die Einnahmebasis verbreitern.
"Das Paket ist schlecht, da ist viel zu wenig drin. Aber Ausgangspunkt ist: Wie geht es den Menschen, die jetzt Rente beziehen?", so Jan van Aken, Bundesvorsitzender Die Linke, zum Rentenpaket.
24.11.2025 | 4:38 minÜbelmesser erklärt, eine solche Umstellung sei "ein langer Prozess", der während der Übergangsphase Zusatzkosten für den Staat bedeute. Zudem gelten Beamte wegen ihrer längeren Ruhestandsphase als "teure" Versicherte. Kurzfristige Entlastungen für die Rentenversicherung seien so nicht möglich, so Übelmesser.
Ergänzende private Vorsorge empfohlen
Für Beschäftigte heißt das: Die Rente von morgen wird voraussichtlich aus mehreren Bausteinen bestehen. Übelmesser appelliert: Eigenverantwortung durch private Altersvorsorge wird an Bedeutung gewinnen. "Dafür sind verlässliche Rahmenbedingungen, geeignete Anreize und eine bessere finanzielle Bildung wichtig", so Übelmesser.
Der Großteil der Deutschen vertraut nicht auf die gesetzliche Rente - und sorgt dennoch nicht ausreichend vor. Bei betrieblicher wie privater Altersvorsorge herrscht Nachholbedarf.
19.11.2025 | 8:04 minFachleute fordern, die aktuellen Pläne aufzuschieben, bis die Rentenkommission ihre Vorschläge vorlegt. Auf dieser Grundlage ließe sich eine umfassendere Reform entwickeln, die Beitragssätze, Rentenniveau, Renteneintrittsalter und Kapitaldeckung gemeinsam betrachtet. So könnte ein generationsgerechteres und damit nachhaltigeres Rentensystem entstehen, das die Interessen von Jüngeren und Älteren besser ausbalanciert.
Anne Sophie Feil ist Redakteurin im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.
Mehr zur Rentendebatte
- Interview
Unionsfraktionschef im ZDF:Spahn bleibt im Rentenstreit hart
von Stefanie Reulmann Scharfe Kritik von Parteichef Banaszak:Grüne lehnen Rentenpaket ab: "Betreutes Regieren ist vorbei"
mit Video- Exklusiv
ZDF-Politbarometer:Rentenpolitik: Mehrheit sieht starke Nachteile für Jüngere
mit Video - Analyse
Diskussion komplett festgefahren:Diese drei Optionen hat Merz im Renten-Streit
von Johannes Lieber und Mathis Feldhoffmit Video