Gericht: Kein Abschiebeschutz für Syrer:Kommt es nun zu massenhaften Abschiebungen nach Syrien?
von Jan Henrich, Oliver Klein, Nils Metzger
Ein neues Urteil sorgt für Aufsehen: Syrer können unter Umständen abgeschoben werden. Doch was heißt das konkret? Kommt es zu Massenabschiebungen? ZDFheute mit einem Überblick.
Kanzler Merz will Syrer unterstützen, die zurückkehren wollen. In der Diskussion über eine schnelle Rückkehr Geflüchteter will er Außenminister Wadephul nicht kritisieren.
03.11.2025 | 2:30 minMitten in der Debatte über die Abschiebung von Syrern platzt ein neue Gerichtsentscheidung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass Geflüchtete aus Syrien unter bestimmten Umständen in ihre Heimat abgeschoben werden können. "Rückkehrern nach Syrien drohen dort keine relevanten Gefahren", heißt es in der Urteilsbegründung. Was bedeutet das für die nach Deutschland geflüchteten Syrer? Müssen sie nun mit massenhaften Abschiebungen in ihre Heimat rechnen? Und wie ist dort die aktuelle Sicherheitslage? ZDFheute beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.
Was genau hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschieden?
Der Beschluss ist eine Einzelfallentscheidung, die nur die beiden Kläger betrifft, einen 46-jährigen syrischen Koch und seinen 26-jährigen Sohn. In ihren Heimatregionen Damaskus und Latakia sei das Ausmaß willkürlicher Gewalt nicht derart hoch, dass sie dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wären, urteilte das Gericht. Die aktuelle Entscheidung ist unanfechtbar - beide Männer müssen nun mit ihrer Abschiebung rechnen.
Außenminister Wadephul hält eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge derzeit nicht für möglich. In Teilen der Union stößt er damit auf Kritik.
03.11.2025 | 2:01 minWie haben andere Gerichte bereits geurteilt?
Ein ähnliches Urteil hatte im September bereits das Kölner Verwaltungsgericht entschieden: Nicht jeder Syrer habe Anspruch auf asylrechtlichen Schutz in Deutschland, urteilte es im Fall eines Klägers aus der kurdisch verwalteten Provinz Hasaka.
Und bereits im Juli 2024 hatte das Oberverwaltungsgericht NRW in einem Verfahren klargestellt, dass in einigen Regionen Syriens keine ernsthaften Gefahren bestehen würden. Ein Schutzstatus von Menschen aus diesen Regionen kann dementsprechend abgelehnt werden. Allerdings hatten in dem betreffenden Fall andere Gründe gegen eine Abschiebung gestanden.
Seit mehreren Tagen sorgt eine Aussage von Außenminister Johann Wadephul (CDU) in Syrien für Aufsehen in der Union. Sehen Sie hier das Statement, über das diskutiert wird.
03.11.2025 | 0:11 minGibt es bald massenhaft Abschiebungen nach Syrien?
Von einzelnen Gerichtsentscheidungen kann eine Signalwirkung ausgehen. Allerdings muss zunächst zwischen der Frage des Schutzstatus und einer möglichen Abschiebung unterschieden werden: Abschiebungen kommen unmittelbar nur dann in Betracht, wenn kein Schutzstatus vorliegt oder dieser Status aberkannt wurde. Dies betrifft derzeit rund 10.000 Syrer in Deutschland. Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, solche Abschiebungen verstärkt durchzuführen.
Der weit überwiegende Teil der 950.000 in Deutschland lebenden Syrer verfügt über einen anerkannten Schutzstatus. Was damit passiert, ist noch offen. Theoretisch kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Status und damit das Aufenthaltsrecht zurücknehmen, wenn die Situation im Heimatland ausreichend sicher geworden ist. Grundlage für diese Entscheidungen ist unter anderem ein Lagebericht des Auswärtigen Amtes, der konkret aufzeigt, in welchen Regionen Syriens Gefahren für bestimmte Volksgruppen drohen. Der Bericht wurde zuletzt im März 2025 für den behördeninternen Gebrauch erstellt.
Nach seinem Besuch in Syrien glaubt Außenminister Wadephul (CDU) angesichts des Leids dort nicht an die schnelle Rückkehr vieler Syrer. Doch seine Parteikollegen widersprechen.
03.11.2025 | 3:08 minWie ist die Sicherheitslage im Land?
Die Sicherheitslage in Syrien bleibt in mehreren Teilen des Landes fragil und in den vergangenen Monaten gab es immer wieder Gewalt:
- März 2025: Kämpfe zwischen Anhängern der früheren Regierung und islamistischen Gruppen. Mit der Zentralregierung verbündete Kämpfer töteten schätzungsweise über 1.000 Zivilisten, vor allem aus der Minderheit der Alawiten.
- April/Juli 2025: Blutige Spannungen zwischen beduinischen und drusischen Gruppen im Süden des Landes
- Seit August 2025: Kämpfe zwischen Zentralregierung und kurdisch dominierten SDF um die Machtverteilung. Es gibt seit dem 7. Oktober einen Waffenstillstand, aber der Konflikt schwelt weiter.
Tatsächliche oder vermeintliche Unterstützer der früheren Gewaltherrschaft werden regelmäßig Ziel gezielter Tötungen durch unbekannte Angreifer. Auch Berichte über Gangkriminalität und Entführungen zur Lösegelderpressung bleiben an der Tagesordnung. Es ist schwer einzuschätzen, ob die Fallzahlen tatsächlich zugenommen haben oder ob unter der neuen Regierung lediglich offener über solche Fälle berichtet werden kann.
Laut CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann herrsche parteiinterne Einigkeit über die notwendige Abschiebung von Straftätern nach Syrien.
03.11.2025 | 1:41 minWie geht es in Syrien weiter?
Verglichen mit der Zeit des Bürgerkrieges hat sich die Sicherheitslage im Land zwar erheblich verbessert, aber diese Vorfälle zeigen, wie brüchig der Frieden ist - und wie abhängig von einer funktionierenden Zentralregierung und ihrer Sicherheitsorgane. Die syrische Regierung ist bemüht, dem Schutz von Minderheiten einen hohen Stellenwert einzuräumen. Viele ausländische Staaten haben ihre Unterstützung für Damaskus damit verknüpft - und auf diese Hilfe aus dem Ausland ist die Regierung zwingend angewiesen, um Beamte zu bezahlen und den Wiederaufbau voranzutreiben.
Am 5. Oktober gab es die ersten Parlamentswahlen unter der neuen Übergangsregierung, die international als Schritt in die richtige Richtung gewertet wurden. Kurdische und drusische Gebiete waren dort jedoch unter Verweis auf die angespannte Sicherheitslage ausgeschlossen.
Die Union diskutiert intensiv über Abschiebungen nach Syrien. CDU-Politiker Bilger fordert eine Wiederaufnahme der Abschiebungen. Das sei im Koalitionsvertrag vereinbart worden.
03.11.2025 | 0:56 minKehren Syrerinnen und Syrer auch freiwillig zurück?
Ja - und zwar eine steigende Zahl. Wer aus Deutschland nach Syrien zurückkehren will, kann dafür Unterstützung aus deutschen und europäischen Töpfen erhalten. Und allein aus dem Libanon gingen nach dem Assad-Sturz bereits mehr als 300.000 in ihre Heimat zurück. Laut UN-Flüchtlingskommissariat hätten 180.000 weitere ihr Interesse an dem im Juli angelaufenen UN-Heimkehrerprogramm im Libanon bekundet.
Laut libanesischem Sozialministerium leben rund 2,1 Millionen syrische Flüchtlinge im Land. Auch aus der Türkei sollen bereits rund eine halbe Million Syrerinnen und Syrer zurückgekehrt sein.
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