Rückkehr nach Syrien: "Man kommt als Fremder nach Hause"

Von Deutschland nach Syrien:"Man kommt als Fremder nach Hause"

von Julia Lösch
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Über eine Million Syrer leben zehn Jahre nach Merkels "Wir schaffen das" in Deutschland. Nur wenige kehren nach Assads Sturz zurück. Wie einer von ihnen seine Rückkehr erlebt.

"Am Puls mit Sarah Tacke: Flucht und Krise - 10 Jahre "Wir schaffen das": Sarah Tacke steht in der belebten Fußgängerzone in Frankfurt und schaut in die Kamera.
Zehn Jahre nach Angela Merkels historischem Satz "Wir schaffen das" zieht Sarah Tacke schonungslos Bilanz: Wie hat die Migration seit 2015 unser Land verändert? Haben wir es "geschafft"?14.08.2025 | 43:20 min
2015 kommt Modar Ajaj als Geflüchteter nach Deutschland. Auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Einem sicheren Zuhause. Im Mai dieses Jahres - zehn Jahre später - kehrt er zurück nach Syrien in seine alte Heimat, die er kaum noch wiedererkennt.

Krieg hat Spuren in Syrien hinterlassen

Er zeigt uns die Vororte von Damaskus, in denen der Krieg seine Spuren in Beton und Biografien gebrannt hat. "Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Leid nicht erleben musste. Ich musste nicht in so einem Haus sein, während eine Bombe über meinem Kopf explodiert. Es ist wirklich schmerzhaft."
Modar Ajaj, Geflüchteter aus Syrien
Modar Ajaj erkennt seine alte Heimat Damaskus und seine Familie inmitten der Trümmer kaum wieder. Auch er kommt verändert zurück - als "Fremder", wie er sein Gefühl beschreibt.
Quelle: Andre Goetzmann

Immer wieder sei Modar in Deutschland gefragt worden, warum er überhaupt geflohen sei. "Ich verstehe, dass Menschen sagen: Ich bezahle Steuern für bessere Straßen oder Pflegeheime - nicht für andere. Aber stell' dir vor, das wäre dein zerstörtes Haus."

Denkst du wirklich, Menschen kommen aus sicheren Verhältnissen, um einen 400-Euro-Jobcenter-Satz zu bekommen? Um in einem abgelegenen Dorf zu leben, eine fremde Sprache zu lernen, sich in einer neuen Kultur zurechtzufinden?

Modar Ajaj, Geflüchteter aus Syrien

Humanitäre Lage in Syrien weiterhin prekär

Der Bürgerkrieg in Syrien ist zwar vorbei, aber Frieden sieht anders aus. Über 70 Prozent der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mehr als zwei Millionen Kinder haben keinen Zugang zu Bildung. Viele Familien leben in Ruinen - ohne Strom, ohne Wasser, ohne Perspektive.
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Minderheiten in Syrien fürchten sich vor den neuen Machthabern. Wie sicher ist ihr Leben in der instabilen Lage im Nahen Osten?18.06.2025 | 6:47 min
Nach dem Sturz von Diktator Al-Assad stellen sich bei uns in Deutschland viele die Frage: Werden die Syrer zurückkehren? Müssen sie? Laut Bundesinnenministerium haben bislang rund 800 Syrer mit staatlicher Förderung Deutschland verlassen. Die Dunkelziffer liegt vermutlich etwas höher.
Assad links neben ihm ein junger Mann der ein Kind trägt.
Verschleppung, Folter, Angst: Das Assad-Regime regierte mit äußerster Brutalität. Die Suche nach Opfern und Angehörigen geht weiter. Der Sturz des Regimes bringt für sie noch keine Gerechtigkeit.22.05.2025 | 30:04 min

"Es braucht viel Mut"

Modar kennt nur vier Menschen in seinem Umfeld, die tatsächlich dauerhaft zurückgegangen sind. Viele bleiben in Deutschland, weil sie müssen: kein Pass, keine Arbeitsperspektive, kein Vertrauen in die Sicherheitslage vor Ort. Und: "Es braucht viel Mut", sagt Modar. "Kein Baum will zweimal umgepflanzt werden."
Modar hat schmerzlich erfahren, dass der, der lange fort war, nicht einfach wieder heimkommt. Er kommt verändert zurück - und trifft auf ein Zuhause, das sich selbst verändert hat. "Mein Vater ist nicht mehr der junge Mann, den ich verlassen habe", erzählt Modar. Seine Nichte sei ein Kind gewesen, als er ging. "Jetzt ist sie 16. Ich verstehe ihre Witze nicht mehr."

Man kommt als Fremder nach Hause. Ob ich hier wieder einen Platz finde, weiß ich nicht.

Modar Ajaj, Syrien-Rückkehrer

Auch das gehört zur Wahrheit über Flucht.
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Freiheit nach 13 Jahren Krieg. Euphorie, Schmerz und Misstrauen bestimmen Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes. Eine Reise durch ein Land, das wieder zusammenfinden muss.06.02.2025 | 30:03 min

Leben zwischen zwei Welten

Modar ist vor allem wegen seiner Eltern zurück nach Damaskus gegangen. "Syrien hat so einen Charme und ein Flair, was Deutschland leider nicht hat. Es hat diesen familiären Zusammenhalt, diese Bindung."
Der 32-Jährige arbeitet als Fitnesstrainer und Ernährungswissenschaftler, er verdient sein Geld größtenteils online, was ihm wichtig sei, da er nach wie vor viel in Deutschland sein wird. Bei seiner eigenen Familie, seiner Freundin und der gemeinsamen Tochter in der Nähe von Darmstadt.
Wo die meisten Geflüchteten herkommen

ZDFheute Infografik

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Derzeit kann er sich noch nicht vorstellen, beide mit nach Syrien zu nehmen. Daher wird Modar zwischen zwei Welten pendeln. Zwischen Damaskus und Darmstadt. Dank seines deutschen Reisepasses kann er jederzeit ein- oder ausreisen. Eine Freiheit, die die meisten syrischen Geflüchteten nicht haben.
Eine junge Frau mit einem weißen Kopftuch.
Milizen, Trümmer und Misstrauen. Die Herausforderungen für Übergangspräsident Ahmad Al-Scharaa sind immens. Kann er Syrien bieten, was es braucht? Kann er das gespaltene Land zusammenführen?22.05.2025 | 30:56 min

Dankbarkeit für Offenheit von Deutschland

Modar sagt, dass Deutschland und er es gemeinsam geschafft haben. Dafür sei er unendlich dankbar: "Hätte Deutschland damals nicht die Türen aufgemacht, wäre ich heute entweder ein Kriegsopfer oder einer, der andere im Krieg getötet hat."

Deutschland hat mir mein Leben gerettet, das vergesse ich nie.

Modar Ajaj, 2015 aus Syrien geflüchtet

Modars Geschichte ist keine Blaupause. Er ist privilegiert, gebildet, unabhängig. Er zeigt, dass die Rückkehr kein Zurück ist, sondern ein neues Dazwischen.
Familiennachzug
Laut dem Koalitionsvertrag soll der Familiennachzug für Geflüchtete für zwei Jahre ausgesetzt werden. Bisher durften pro Monat 1.000 enge Angehörige nachkommen. Was bedeutet das Aussetzen für die Betroffenen?19.05.2025 | 2:01 min

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