Debatte um Abschiebungen:Wie geht es für Syrer in Deutschland weiter?
2015 flohen besonders viele Syrer vor Krieg, Not und Leid aus ihrer Heimat nach Deutschland. Der Krieg ist zu Ende, die Debatte um Abschiebungen läuft. Was machen die Syrer jetzt?
Kanzler Merz will Syrer unterstützen, die zurückkehren wollen. In der Diskussion über eine schnelle Rückkehr Geflüchteter will er Außenminister Wadephul nicht kritisieren.
03.11.2025 | 2:30 minFast ein Jahr ist es her, dass der syrische Langzeitmachthaber Baschar al-Assad gestürzt wurde. Was bedeutet das für die Syrerinnen und Syrer, die nach Deutschland geflüchtet sind? Kanzler Friedrich Merz macht Druck, damit mehr von ihnen Deutschland verlassen.
Wie ist die Lage in Syrien?
Die Übergangsregierung unter Interimspräsident Ahmed al-Scharaa bemüht sich darum, das Land nach Jahren des Bürgerkriegs zu stabilisieren und ein "Syrien für alle" zu schaffen. Doch die Lage im Land bleibt unbeständig. Es kommt immer wieder zu Gewaltausbrüchen, bei denen zum Teil Hunderte Menschen getötet wurden. Menschenrechtler sehen besonders Minderheiten wie Alawiten, Drusen oder Christen in Gefahr. Sie wurden in den vergangenen elf Monaten Opfer blutiger Massaker.
Außenminister Wadephul hält eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge derzeit nicht für möglich. In Teilen der Union stößt er damit auf Kritik.
03.11.2025 | 2:01 minDer Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung hat die Wirtschaft und die Infrastruktur stark zerstört. Nach UN-Angaben gelten noch immer sieben Millionen Menschen im Land als Binnenvertriebene. Noch immer sind demnach rund 16 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen. Syrien hat rund 23 Millionen Einwohner.
Nach welchen Kriterien beurteilt die Bundesregierung die Situation vor Ort?
Eine wichtige Rolle spielt dabei der Lagebericht des Auswärtigen Amts, der zuletzt im Frühjahr aktualisiert wurde - also nach dem Machtwechsel in Syrien. Diese Berichte werden nicht veröffentlicht. In früheren Berichten, die bekannt wurden, flossen Einschätzungen zum Beispiel der Vereinten Nationen zur Situation der Menschenrechte im Land ein. Seit 2012 sind alle Rückführungen wegen der Sicherheitslage im Land ausgesetzt.
Nach seinem Besuch in Syrien glaubt Außenminister Wadephul (CDU) angesichts des Leids dort nicht an die schnelle Rückkehr vieler Syrer. Doch seine Parteikollegen widersprechen.
03.11.2025 | 3:08 minKehren Syrerinnen und Syrer freiwillig zurück?
Ja - und zwar eine steigende Zahl. Wer nach Syrien zurückkehren will, kann dafür Unterstützung aus deutschen und europäischen Töpfen erhalten. Während es im Mai fünf solcher geförderten Ausreisen gab, waren es im März schon 186 und im Oktober 476, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) mitteilte. Ein Höchststand wurde im September mit 529 geförderten Ausreisen erreicht.
Sollen jetzt alle Syrer Deutschland wieder verlassen?
Davon ist nicht auszugehen. In Deutschland leben laut Ausländerzentralregister (Stand Ende August) 951.406 Syrerinnen und Syrer. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom August halten sich 920 Personen in Deutschland auf, die ausreisepflichtig und ohne Duldungsstatus sind. Besonders schnell abschieben will die Bundesregierung diejenigen, die straffällig geworden sind. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt erklärte, man sei dabei, "mit Syrien Vereinbarungen zu machen, die die Rückführungen nach Syrien auch ermöglichen".
Im September hatte der CSU-Politiker der "Rheinischen Post" gesagt: "Wir wollen noch in diesem Jahr eine Vereinbarung mit Syrien treffen und dann zunächst Straftäter abschieben und später Personen ohne Aufenthaltsrecht." Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) leistet bereits Vorarbeit und bearbeitet wieder Asylanträge von Syrern - "vorrangig von arbeitsfähigen, jungen Männern" - wie das Ministerium kürzlich erklärte.
Wie sind die Chancen von Syrern auf Schutz in Deutschland?
Gar nicht so schlecht. Insgesamt 46,4 Prozent derjenigen, deren Asylanträge sich nicht aus formellen Gründen erledigt hatten (etwa, weil ein anderes EU-Land zuständig war), erhielten im ersten Halbjahr 2025 Schutz. Nicht wenige Menschen aus Syrien haben inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft. Mehr als jeder Vierte, der im vergangenen Jahr eingebürgert wurde, kam ursprünglich aus Syrien - dies traf auf 83.150 Menschen zu, die 28 Prozent aller Einbürgerungen ausmachten. Syrerinnen und Syrer stellten damit mit großem Abstand den größten Anteil an den deutschen Neubürgern.
Laut CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann herrsche parteiinterne Einigkeit über die notwendige Abschiebung von Straftätern nach Syrien.
03.11.2025 | 1:41 minWovon hängt es ab, ob Menschen abgeschoben werden?
Grundsätzlich können auch Menschen abgeschoben werden, die hierzulande Schutz genießen - allerdings "nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung", zum Beispiel bei Terrorgefahr. Niemand darf in ein Land abgeschoben werden, in dem ihm oder ihr Folter, die Todesstrafe oder eine andere unmenschliche Behandlung droht.
Normalerweise dürfen Menschen bleiben, die Asyl oder eine andere Form von Schutz erhalten haben. Selbst, wenn dies nicht der Fall ist und jemand als ausreisepflichtig gilt, droht nicht unbedingt eine Abschiebung. Jemand kann zum Beispiel geduldet werden. Gründe dafür sind unter anderem fehlende Reisepapiere, eine laufende Ausbildung oder eine schwere Erkrankung. Menschen, bei denen die Behörden keinen anerkannten Grund zum Aufenthalt sehen, werden aufgefordert, Deutschland zu verlassen. Tun sie das nicht, droht die Abschiebung, für die die Bundesländer zuständig sind.
Die Union diskutiert intensiv über Abschiebungen nach Syrien. CDU-Politiker Bilger fordert eine Wiederaufnahme der Abschiebungen. Das sei im Koalitionsvertrag vereinbart worden.
03.11.2025 | 0:56 minHaben Syrer und Syrerinnen auf dem Arbeitsmarkt Fuß gefasst?
Aus der Sicht von Arbeitsmarktforschern auffällig: Bei der Integration in den Arbeitsmarkt haben viele Syrerinnen und Syrer, die in der großen Flüchtlingsbewegung um 2015 nach Deutschland gekommen sind, Erfolg gehabt. "Bei der Integration der syrischen und anderen Flüchtlinge von 2015 steht Deutschland inzwischen im internationalen Vergleich ganz oben", sagte der Wissenschaftler Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg bereits vor einem Jahr.
Ohne Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland gäbe es laut Bundesärztekammer noch größere Versorgungslücken. Mehr als 15 Prozent der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte haben eine ausländische Staatsangehörigkeit. Die Mehrheit kommt aus europäischen Staaten und dem Nahen Osten.
Häufigste Herkunftsländer sind Syrien (7.042), Rumänien (4.682), Türkei (3.169), Russland (3.110), Österreich (3.036) und Griechenland (2.991). Auch im Mangelberuf Pflege arbeiten viele Syrerinnen und Syrer.
Quelle: dpa
Rund 300.000 Syrerinnen und Syrer in Deutschland sind beschäftigt, darunter mehr als zwei Drittel sozialversicherungspflichtig. Die Beschäftigungsquote ist laut Bundesagentur für Arbeit inklusive geringfügiger Beschäftigung seit 2016 um 30 Prozentpunkte auf rund 42 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. Dabei üben rund 6 von 10 syrischen Staatsangehörigen eine Beschäftigung als qualifizierte Fachkraft aus, davon rund zwei Fünftel in Berufen mit Fachkräftemangel. Syrische Männer arbeiten großteils in Logistikberufen, Frauen oft in Gesundheit und Pflege.
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