Koalition übersteht Renten-Abstimmung:JU-Chef Winkel: "Wir haben Zweifel"
Der Streit in der Koalition hat Spuren hinterlassen. Das Rentengesetz ist beschlossen, doch das gegenseitige Vertrauen ist beschädigt. Wie kann es jetzt weitergehen?
Mit 318 Stimmen hat das Rentenpaket die absolute Mehrheit knapp erreicht. Trotz Abweichlern in den eigenen Reihen musste sich die Union nicht auf die angekündigte Enthaltung der Linken verlassen.
05.12.2025 | 1:52 minAm Ende hat es dann doch für eine Mehrheit gereicht. Doch wie angeschlagen ist die Koalition nach der wochenlangen Diskussion um die Rente? Der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, hatte schon Tage vor der Abstimmung angekündigt, gegen das Rentenpaket zu stimmen. Im Interview mit ZDFheute zeigt er sich sehr enttäuscht von der SPD und fordert "echte Reformen".
ZDFheute: Dass Sie fachlich gegen das Rentenpaket waren, wurde sehr deutlich. Sie haben dagegen gestimmt, ein paar andere aus Ihrer Gruppe haben auch dagegen gestimmt. Wie haben Sie vorher festgestellt und klargestellt, dass es trotzdem eine Kanzlermehrheit gibt?
Johannes Winkel: Wir haben das gar nicht festgestellt, weil wir gesagt haben, am Ende des Tages trifft die Entscheidung jeder persönlich. Das war eine schwierige Abwägungsfrage für alle Kolleginnen und Kollegen, auch für mich. Und die Entscheidung hat sich mit Sicherheit keiner leicht gemacht.
Der Bundestag hat das Rentengesetz der schwarz-roten Regierung mit absoluter Mehrheit beschlossen. "Wir sehen, wie die Kanzlerdemokratie zerbröselt", so Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte.
05.12.2025 | 3:02 minZDFheute: Es hat jetzt sehr viele Verletzungen gegeben auf beiden Seiten, besonders wahrscheinlich bei Ihnen in der Jungen Gruppe. Sie haben sich nicht gehört empfunden. Mit wie viel Vertrauen gehen Sie denn in den Rest der Legislatur?
Winkel: Naja, für Vertrauen muss man natürlich vor allen Dingen zusammenarbeiten und diskutieren können.
Das, was die SPD gemacht hat, das parlamentarische Verfahren zu blockieren, das war natürlich nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben.
Und auch nicht so, wie unsere Verfassung das vorsieht. Und da wird man sicherlich nochmal drüber sprechen müssen.
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ZDFheute: Herr Winkel, Sie haben einen wochenlangen Streit angestoßen. Die Koalition hat gewankt, der Kanzler ist beschädigt, war es das wert?
Winkel: Wir waren jedenfalls die Einzigen, die einen Kompromiss in der Sache wollten. Leider war die SPD dazu nicht bereit, das im ganz normalen parlamentarischen Verfahren mit uns zu diskutieren, was natürlich auch nicht in Ordnung ist. Darüber hinaus haben wir jedenfalls eine Debatte in Deutschland angestoßen. Jetzt sagen manche, es reicht mit der Debatte.
Wir wollten eigentlich eine andere Sachentscheidung und wir brauchen ja auch echte Reformentscheidungen im nächsten Jahr.
Und die müssen jetzt auch kommen.
Die Regierung will die Rente reformieren. Das Ziel: Rentner sollen im Verhältnis zu ihrem früheren Lohn genug Geld bekommen. Was mit der Haltelinie beim Rentenniveau gemeint ist.
05.12.2025 | 1:00 minZDFheute: Es wurde ja von der Koalition versprochen, dass Reformentscheidungen nächstes Jahr kommen. Dafür wird ja die Rentenkommission eingesetzt. Haben Sie kein Vertrauen in diese Kommission und in die Entscheidung, die nächstes Jahr gefällt werden soll?
Winkel: Ich fand die Reihenfolge, um ehrlich zu sein, etwas eigenartig, dass man zuerst die Kosten beschließt und dann darüber diskutiert, wie man sie am Ende des Tages wieder amortisiert. Also das ist, glaube ich, die erste Kommission in der Geschichte der Kommissionen, die erst die Kosten beschließt und dann eine Lageanalyse macht.
Das war die falsche Reihenfolge, das bleibt natürlich auch dabei. Aber nichtsdestotrotz, jetzt muss man natürlich umso stärker arbeiten und es bringt jetzt nichts, nach hinten zu schauen und Schuldzuweisungen zu machen, sondern man muss nach vorne schauen und jetzt mitarbeiten, damit die große Rentenreform dann im nächsten Jahr wirklich mit der SPD kommt.
Das Rentenpaket hat mit 318 Stimmen die absolute Mehrheit knapp erreicht. Was das für den Kanzler und die Union bedeutet, ordnet ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese ein.
05.12.2025 | 1:00 minZDFheute: Sie bekommen wahrscheinlich einen Platz in dieser Rentenkommission. Ist das richtig?
Winkel: Wir haben immer gesagt, es geht uns nicht um Posten, sondern um Positionen. Die Rentenkommission wird, ich denke mal, in den nächsten Wochen dann besetzt, da muss man dann schauen, wer Mitglied wird. Aber darum ging es uns nie, es ging uns auch nie um Symbolentscheidungen, sondern es ging uns eigentlich um eine andere Entscheidung in der Sache und das haben wir heute jedenfalls nicht erreicht.
Der Bundestag hat das umstrittene Rentengesetz mit einer absoluten Koalitionsmehrheit beschlossen. Analyse und Hintergründe bei ZDFheute live.
05.12.2025 | 149:24 minZDFheute: Aus Ihnen spricht jetzt sehr viel Misstrauen der SPD gegenüber, wie viel Glauben haben Sie denn an diese Koalition?
Winkel: Wir haben immer gesagt, wir haben Zweifel, weil natürlich auf der Fachebene die SPD uns ganz klar sagt, dass sie das Rentenniveau weiter erhöhen will zum Beispiel, was hunderte Milliarden mehr kostet und uns eben keiner so genau sagen kann, wie man das finanzieren soll.
Die Bundesregierung muss sich auf den demografischen Wandel vorbereiten und den nicht weiter ignorieren.
Das Interview führte Diana Zimmermann, Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios.
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