Teurer Sozialstaat, schwaches Wachstum:Abgabenlast steigt und steigt
von Anne Sophie Feil
Der Bundestag stabilisiert die Renten, doch die Lasten steigen. Abgaben auf Rekordniveau, schwaches Wirtschaftswachstum. Das IW sieht Reformbedarf auf breiter Front.
Mit 318 Stimmen hat das Rentenpaket die absolute Mehrheit knapp erreicht. Trotz Abweichlern in den eigenen Reihen musste sich die Union nicht auf die angekündigte Enthaltung der Linken verlassen.
05.12.2025 | 1:52 minNach monatelangen Diskussionen hat der Bundestag das umstrittene Rentengesetz beschlossen. Der Rentenbeitrag soll durch das heute verabschiedete Gesetz zunächst nicht steigen.
Dennoch wächst der finanzielle Druck auf das System. Die Abgabenquote, also der Anteil von Steuern und Sozialbeiträgen an der Wirtschaftsleistung, steigt im laufenden Jahr auf einen neuen Rekordwert.
Abgaben 2025 auf Rekordniveau
Dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge erhöhen sich die Abgaben 2025 auf 41,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), nach 40,2 Prozent im Vorjahr. Für 2026 wird ein Wert von 41,4 Prozent erwartet, den Beschäftigte und Unternehmen in Deutschland abführen müssen.
IW-Konjunkturchef Michael Grömling bringt das so auf den Punkt:
Unsere Volkswirtschaft hat es mit steigenden staatlichen Finanzierungslasten zu tun - auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten.
Michael Grömling, Konjunkturchef, Institut der deutschen Wirtschaft
Der Zollstreit mit den USA und die chinesische Konkurrenz in der Autobranche - das deutsche Geschäftsmodell sei unter Druck, so Wirtschaftsökonom Michael Hüther.
02.12.2025 | 2:42 minHöhere Staatsausgaben und Investitionen
Die höheren Abgaben finanzieren vor allem Sozialleistungen und mehr öffentliche Investitionen. Auch die Ausgaben des Bundes steigen, das zeigt ein Blick auf die Staatsquote. Sie liegt aktuell bei 50,6 Prozent der Wirtschaftsleistung, im kommenden Jahr bei 51,1 Prozent.
41 Prozent der deutschen Staatsausgaben entfallen auf die soziale Sicherung - etwas mehr als der EU-Durchschnitt von 39 Prozent. Etwa die Hälfte der Sozialausgaben fließt in die Alterssicherung.
24.11.2025 | 0:34 minDie Sozialausgaben liegen etwas höher als zuletzt und auch die staatlichen Bruttoinvestitionen steigen um 6,7 Prozent im laufenden Jahr und um 10,5 Prozent im Folgenden. "Es ist erstmal gut, wenn investiert wird - auch für die jüngeren Generationen, die eine funktionierende Infrastruktur brauchen", erklärt Grömling.
Arbeit wird teurer
Gleichzeitig steigen die Sozialbeiträge kräftig. 2025 legen sie gegenüber dem Vorjahr um 7,5 Prozent zu, getrieben durch höhere Sätze in Kranken- und Pflegeversicherung. Höhere Abgaben auf Arbeit verteuern die Beschäftigung und können Einstellungen dämpfen. Das IW erwartet sowohl für das aktuelle Jahr als auch für 2026 knapp 3 Millionen Arbeitslose und eine Arbeitslosenquote von 6,3 Prozent.
Künstliche Intelligenz stellt die Arbeitswelt auf den Kopf. Experten schätzen, dass rund 800.000 Jobs wegfallen könnten, jedoch auch ähnlich viele neue entstehen.
28.11.2025 | 1:18 minMini-Aufschwung mit hohen Staatslasten
Für 2025 rechnet das IW mit einem Wirtschaftswachstum von 0,1 Prozent, für 2026 mit 0,9 Prozent. Rund ein Drittel des Zuwachses beruht allerdings darauf, dass im kommenden Jahr fast zweieinhalb Arbeitstage mehr gibt. Auch der Investitionsschub durch Staat und Unternehmen wird demnach zum Wachstum beitragen. Der Außenhandel kommt dagegen kaum voran und bremst eher, so die Erwartung der Ökonomen.
Mit Blick auf den Verlauf löst sich Deutschland etwas aus seiner Schockstarre.
IW Konjunkturprognose
Die Folge: Staatsschulden und Defizit legen zu. Abgaben- und Staatsquote klettern auf Werte, wie es sie seit der Wiedervereinigung nicht gegeben hat - von Sondereffekten 1995 und 2020 abgesehen.
Die deutsche Wirtschaft schlägt Alarm und richtet deutliche Worte an die Bundesregierung. Der BDI-Chef mahne Strukturreformen an, berichtet ZDF-Börsenexpertin Valerie Haller.
02.12.2025 | 1:33 minTrendwende nicht in Sicht
Das IW warnt davor, die 0,9 Prozent Wachstum 2026 als neue Wachstumsphase zu deuten. Ein Drittel dieses Zuwachses hängt direkt an höheren Staatsausgaben, nicht an einer breiten Erholung von Produktivität und privaten Investitionen.
Das erwartete Wachstum reicht bei weitem nicht aus, um die gesamten Einbußen der vergangenen Jahre aufzuholen.
Michael Grömling, Konjunkturchef, Institut der deutschen Wirtschaft
Die deutsche Industrie verliert an Stärke: Produktion sinkt, Aufträge bleiben aus, Arbeitsplätze verschwinden. Was bedeutet die Deindustrialisierung für die Zukunft des Standorts Deutschland?
01.12.2025 | 4:31 minAngesichts geopolitischer Unsicherheiten, des technologischen Wandels und der Alterung unserer Gesellschaft stehe die deutsche Wirtschaft vor einem fundamentalen Wandel, der Zeit benötige. "Deutschland stehen noch einige schwierige Jahre mit großen Herausforderungen bevor", so Grömling.
Reformen nötig für nachhaltigen Aufschwung
Wirtschaftspolitisch ist also noch einiges zu tun. Die IW-Forschungsgruppe Makroökonomie und Konjunktur schreibt: "Für einen nachhaltigen Aufschwung muss die Bundesregierung eine ambitionierte Reformagenda umsetzen und darf sich nicht auf den kurzfristigen Fiskalimpuls und das damit verbundene etwas erhöhte Wachstum im Jahr 2026 ausruhen."
Ein Herbst der Reformen sollte die Wirtschaft stärken, das hat die Bundesregierung versprochen. Doch was wurde bisher tatsächlich umgesetzt? Und helfen die Reformen wirklich allen Unternehmen?
01.12.2025 | 4:09 minEs ist eine fast mantraartige Wiederholung: Die deutsche Wirtschaft braucht bessere Standortbedingungen, schnellere Planungen, verlässlichere Rahmenbedingungen für Investitionen und begrenzte Zusatzkosten für Arbeit.
Mehr zur Wirtschaftspolitik
- Grafiken
Ergebnis in interaktiven Grafiken:Diese Abgeordneten haben gegen das Rentenpaket gestimmt
von Robert Meyermit Video149:24 - Grafiken
BIP, Arbeitslosigkeit, Inflation:Wie geht es der Wirtschaft unter Merz?
von Robert Meyer, Moritz Zajonzmit Video1:33 Brandmauer-Debatte in der Wirtschaft:Dialog mit der AfD: Soll man oder soll man nicht?
von Frank Bethmannmit Video10:02Nachrichten | heute journal update:Politik habe "Riesenchance nicht genutzt"
Video2:07