Rentenpaket im Bundestag: Debatte und Abstimmung live

Die Regierung will die Rente reformieren. Das Ziel: Rentner sollen im Verhältnis zu ihrem früheren Lohn genug Geld bekommen. Was mit der Haltelinie beim Rentenniveau gemeint ist.

Der Bundestag hat dem Rentenpaket von Union und SPD zugestimmt. Eine Mehrheit der Abgeordneten voterte in namentlicher Abstimmung für die Pläne der schwarz-roten Koalition. 319 stimmten mit Ja, 225 lehnten das Paket ab. 53 Abgeordnete enthielten sich.

Für die absolute Mehrheit waren 316 Stimmen notwendig. Da sich die Linksfraktion bei der Abstimmung enthalten wollte, reichten auch 284 Ja-Stimmen.

Durch das Rentenpaket werden künftig die Beitragssätze "erheblich" steigen, prognostiert der Ökonom Andreas Peichl vom ifo-Institut. Ohne ein höheres eres Renteneintrittsalter und andere Weichenstellungen würde der Anteil der Sozialausgaben am BIP auf über 50 Prozent steigen. "Das ist einfach deutlich zu viel", so der Rentenexperte im Interview mit ZDFheute live. Die Renten müssten durch höhere Steuern oder durch Ausgabenkürzungen an anderer Stelle finanziert werden.

Die Union gibt sich optimistisch. "Ich bin sehr zuversichtlich", sagt Sepp Müller, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union, bei ZDFheute live. Die Abgeordneten von CDU und CSU würden auf die Aussage des Kanzlers vertrauen, dass die Bundesregierung im kommenden Jahr eine Rentenreform angehen wolle.

"Die Debatte war hitzig", ordnet ZDF-Korrespondentin Andrea Maurer bei ZDFheute live ein. Besonders "hitzig" sei die Debatte im linken Lager zwischen Linkspartei und den Grünen verlaufen. Laut Maurer war es "eine richtige Oppositionsschlacht darum", wer im Parlament "sozialer, linker, oppositioneller" agiere. 

Bundestags-Vizepräsident Omid Nouripour (Grüne) hat die Aussprache zum Rentenpaket von Union und SPD im Bundestag geschlossen. Nun folgt die namentliche Abstimmung über das Gesetz.

Sein Redebeitrag war mit Spannung erwartet worden: Pascal Reddig, Vorsitzender der Jungen Gruppe, schreitet zum Pult - und kündigt seine Ablehnung für das Paket an. "Der Gesetzesentwurf geht gegen meine fundamentalen Überzeugungen", so Reddig.

Der CDU-Abgeordnete ließ allerdings offen, wie viele weitere Abgeordnete aus der Jungen Gruppe gegen das Rentenpaket stimmen werden: "Die Abwägungsfrage kann man auch anders beantworten."

Reddig bedankt sich bei seiner Unionsfraktion, trotz seiner Entscheidung eine Rede halten zu dürfen: "Das ist Ausdruck einer Demokratie."

Es gehe um eine "zentrale Zukunftsfrage unseres Landes", sagt CDU-Politiker Matthias Hiller und wirbt um Zustimmung für das Rentenpaket von Union und SPD. Die Aktivrente stehe dabei für "einen positiven Anreiz, den wir als Koalition gewählt haben". Mit der Aktivrente gehe die Koalition auch  "einen pragmatischen und vor allem unbürokratischen Weg".

Sie sei mehr als ein steuerpolitisches Detail, betont Hiller. Sie sei vielmehr "ein wesentliches Element" und zeige, dass ein Mentalitätswechsel in Deutschland stattfinde. Und zwar: "Dass sich Mehrarbeit in diesem Land lohnt und wir als Politik diese Mehrarbeit auch honorieren." Sie sei auch ein Signal an die Wirtschaft und an Arbeitnehmer, die "im Ruhestand weiterarbeiten wollen". 

Die SPD setzte ihr Versprechen von stabilen Renten um, sagt Jens Peick von der SPD-Fraktion. Die AfD möchte eine Zwischenfrage stellen - und der Sozialdemokrat lehnt ab. "Ich glaube, dass es da viele Fragen gibt", so Peick. "Aber das ist ein größerer Bildungsauftrag, den kann ich hier nicht erfüllen." Die SPD-Fraktion lacht und applaudiert.

Kurz vor der Abstimmung kommen immer mehr Abgeordnete in den Saal. Mit Friedrich Merz und Lars Klingbeil haben auch die Koalitionsspitzen auf der Regierungsbank Platz genommen. Gegen 12:30 Uhr soll laut Tagesordnung die namentliche Abstimmung beginnen.

"Herr Merz, wer um die eigene Mehrheit fleht, hat sie längst verloren", meint der AfD-Abgeordnete Thomas Stephan und spricht den Kanzler direkt an. "Sie sind kein Kanzler, Sie sind ein Getriebener!"

Koalitionsstreit, Machtspiele und das "peinliche Auftreten" der Jungen Union - die Debatten der vergangenen Wochen hätten auf dem Rücken der Rentner stattgefunden, so Sarah Vollath von den Linken. Bei dem Rentenpaket gehe es nicht mehr um die Sache, "es geht um Profilierungssucht", kritisiert Vollath.

Ihre Partei enthalte sich heute, damit die Renten nicht sinken. Das Rentenniveau solle vielmehr auf 53 Prozent steigen, fordert die Rednerin. Die Debatte der vergangenen Wochen sei zu kurzsichtig gelaufen.

Viele junge Menschen seien verunsichert, ob sie im Alter noch eine ausreichende Rente bekommen würden, sagt Armin Grau von Bündnis 90/Die Grünen. "Wir brauchen gute Lösungen, die das Vertrauen stärken". Die junge Gruppe handelt laut Grau hingegen nicht im Interesse der jungen Generation, wirft er den jungen Unions-Politikerinnen und Politikern vor.

Insgesamt sei das Rentenpaket ein "schlechtes Gesetz" und greife zu kurz. Die Grünen lehnten dies ab und forderten eine "dauerhafte Stabilisierung", sagt Grau. 

Die Medianrente liege nur bei 1.124 Euro, kritisiert die AfD-Abgeordnete Gerrit Huy - die Hälfte der Rentner bekommen mehr, die Hälfte aller Rentner weniger. "Können Sie sich vorstellen, von 1.124 Euro im Monat zu leben?", fragt Huy und blickt an die Abgeordneten der Jungen Union. Die jungen Abgeordneten sollten sich laut Huy mehr auf das Bürgergeld und die "Schuldenorgie" der Bundesregierung konzentrieren.

"Wir denken auch an die Jungen", sagt Bernd Rützel von der SPD. Auch sie müssten sich am Ende ihres Arbeitslebens auf das Renten-Versprechen verlassen können. 

Rützel kritisiert die Berichterstattung rund um die Sicherheit der Rente. "Die Rente ist unschlagbar sicher", so Rützel. Prognosen und Experteneinschätzungen hätten in der Vergangenheit oft falsch gelegen. Die Rente habe Weltkriege und Krisen überstanden - und sei das einzige, was den Menschen nach dem Erwerbsleben bleibt.

"Was Sie hier planen, liebe Union, ist, die gesetzliche Rente auszuhöhlen", sagt Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek im Bundestag und übt scharfe Kritik am Rentenpaket von Union und SPD. 

21 Millionen Menschen hätten damit am Ende des Monats noch weniger Geld zu Verfügung. "Wir verhindern, dass das Rentenniveau noch weiter gedrückt wird", sagt die Linken-Politikerin. 

Worum genau geht es im aktuellen Rentenstreit? Wie setzt sich die Rente zusammen und wen betrifft das? Mirko Drotschmann erklärt uns alles, was wir über die aktuelle Debatte wissen müssen.

Mit einer Zwischenfrage an CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann thematisiert die AfD die Rolle der Linkspartei bei der heutigen Abstimmung. Die AfD möchte wissen, ob die Union der Linkspartei Zugeständnisse für ihre heutige Enthaltung gegeben habe. "Waren es vielleicht weitere Millionen für linke NGOs?", so ein Abgeordneter der AfD-Fraktion.

Linnemann hält sich kurz - man werde sich von den Stimmen der Linkspartei "nicht abhängig" machen.

"Wir lehnen das falsche Rentenpaket von Friedrich Merz und Bärbel Bas ab", sagt Grünen-Politiker Andreas Audretsch. Es brauche grundlegende Reformen. "Wir werden nicht zulassen, dass die Kosten aus dem Ruder laufen."

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bekräftigt seine Position zur Aktivrente. "Für mich persönlich ist es das innovativste Element in diesem Rentenpaket." Es habe das Potenzial, "Rente neu zu denken" und einen "Paradigmenwechsel einzuleiten". 

Dennoch geht Linnemann davon aus, dass die Aktivrente und das "Rentenpaket insgesamt" nicht ausreichen werden, "um die Zukunft des Rentensystems und - ich gehe noch einen Schritt weiter - der Sozialversicherung insgesamt zu meistern".