Bärbel Bas offen für Vorschlag:Früher arbeiten, früher in Rente - kann diese Idee klappen?
von Johannes Lieber und Jan Henrich
Im kommenden Jahr soll eine umfassende Rentenreform ausgearbeitet werden. Ein Vorschlag: Der flexible Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren. Wie realistisch ist das?
Nach der Verabschiedung des Rentenpakets spricht sich Arbeitsministerin Bas für eine grundlegende Rentenreform aus. Deutschland brauche ein ganz neues System, so Bas in der ARD.
06.12.2025 | 0:22 minDas bestimmende Thema der letzten Wochen bleibt akut. Erst vor wenigen Tagen konnte mit der Abstimmung um das umstrittene Rentenpaket eine Koalitionskrise verhindert werden. Noch bevor jetzt die Rentenkommission über die Zukunft der Altersvorsorge beraten soll, kommen weitere Vorschläge auf den Tisch. Unter anderem Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) zeigt sich offen dafür, den Renteneintritt an die Beitragsjahre zu koppeln.
Wer mit 16 Jahren anfängt zu arbeiten, könnte schon mit 61 in die Rente gehen, wenn man 45 Beitragsjahre als Basis nimmt. Menschen, die noch studieren und erst später in den Job einsteigen, müssten entsprechend länger arbeiten.
Welche Auswirkungen hätte der Vorschlag?
Es wäre "gerechter", den Rentenbeginn an die Beitragsjahre zu binden, sagte der Wirtschaftsexperte Jens Südekum in der "Bild". Südekum ist Berater von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD).
Wir müssen auf die tatsächlichen Lebensarbeitszeiten gucken. Akademiker zahlen deutlich später in die Rentenkasse ein, als jemand, der mit 16 oder 18 Jahren eine Lehre beginnt und dann durcharbeitet.
Jens Südekum, Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre
Bärbel Bas begrüßte den Vorschlag in der ARD. Welche konkreten Auswirkungen eine solche Änderung auf die Rentenkasse oder den durchschnittlichen Renteneinstieg hätte, lässt sich aktuell nicht belastbar sagen. Es gibt schlicht keine Statistik, wie viele Akademiker wie lange in die Rentenkasse einzahlen.
Auch nach der Bundestagsentscheidung für das Rentenpaket der Regierung ist die Zukunft der gesetzlichen Altersversorgung weiterhin umstritten. Dabei werden verschiedene Vorschläge diskutiert.
06.12.2025 | 1:54 minWelche Kritik gibt es an den Plänen?
Kritik kommt vom Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher. Gegenüber ZDFheute sagte er, dass die Pläne "soziale Ungleichheiten" weiter "verschärfen" würden. Der Vorschlag gehe unter anderem zulasten vieler Frauen, die sich um die Familie gekümmert haben, statt in die Rentenkasse einzuzahlen, so Fratzscher.
Der Vorschlag dürfte eine kontroverse Auseinandersetzung darüber auslösen, wann unterschiedliche Renteneintrittsalter legitim sind.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
Auch der Wirtschaftsexperte Martin Werding zeigte sich kritisch. "Was auf den ersten Blick gerecht wirkt, hat schnell blinde Flecken", so der "Wirtschaftsweise" auf einer Veranstaltung der Deutschen Rentenversicherung. In der Vergangenheit hätten von einem ähnlichen Instrument besonders "Beschäftigte mit durchgehender Vollzeitkarriere" profitiert. Neben Akademikern sieht auch er Frauen besonders benachteiligt. Zudem dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, dass das neue Modell die Probleme im Alleingang löse, so Werding.
Weil die Lebenserwartung immer weiter steige, müsse das Renteneintrittsalter daran angepasst werden. Das reduziere auch die Kosten, sagte Andreas Peichl bei ZDFheute live.
05.12.2025 | 10:12 minWie realistisch ist der Vorschlag?
Spannend ist, dass Bas diesen Vorschlag unterstützt, obwohl er wohl dafür sorgen würde, dass viele Menschen deutlich länger arbeiten müssten als heute - lange Zeit ein rotes Tuch für die SPD. Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann äußerte sich ebenfalls nicht abgeneigt. Die Rentenkommission müsse "ohne Denkverbote" arbeiten. Die aktuelle "Überlegung" werde "sicherlich" auch Thema sein, so Linnemann.
Es scheint also, als wäre die Koalition den Plänen gegenüber grundsätzlich offen eingestellt. Ob diese aber wirklich umgesetzt werden, ist nicht absehbar.
Die Regierung will die Rente reformieren. Das Ziel: Rentner sollen im Verhältnis zu ihrem früheren Lohn genug Geld bekommen. Was mit der Haltelinie beim Rentenniveau gemeint ist.
05.12.2025 | 1:00 minWann wird darüber entschieden?
Bas will die Rentenkommission noch im Dezember einsetzen. Sie soll aus zwei Vorsitzenden sowie drei Stellvertretern, die jeweils aus den Fraktionen von CDU, CSU und SPD benannt werden, bestehen. Außerdem sollen der Kommission noch acht weitere Experten angehören.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte angekündigt, dass man im Anschluss an die Arbeit der Kommission eine umfassende Rentenreform im "zweiten Halbjahr 2026 politisch auf den Weg bringen" wolle. Ob eine solche Reform dann aber auch im kommenden Jahr beschlossen werden kann, ist offen.
Welche weiteren Vorschläge stehen im Raum?
Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD ist die Einsetzung einer Rentenkommission zur Ausarbeitung weitergehender Reformen vorgesehen. Bei einem Treffen im November hatten die Parteispitzen formuliert, welche Vorschläge die Kommission dabei untersuchen soll. Unter anderem wurde die allgemeine Anhebung des Renteneintrittsalters und eine Stärkung kapitalgedeckter Vorsorgemodelle genannt.
Außerdem soll die Kommission prüfen, ob möglicherweise Beamte und Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen oder bei der Beitragsbemessung auch Kapitalerträge berücksichtigt werden sollten.
Insbesondere der Vorschlag, Sozialabgaben auf Kapitalerträge zu erheben, ist in der Unionsfraktion auf Widerstand gestoßen, weshalb ein Entschließungsantrag über die Prüfaufträge im Bundestag wieder zurückgezogen wurde. Dennoch gilt das von den Parteispitzen formulierte Papier weiterhin als Rahmen für die Arbeit der Kommission.
Johannes Lieber und Jan Henrich berichten aus dem ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.
Mehr zum Thema Rente
- Interview
Koalition übersteht Renten-Abstimmung:JU-Chef Winkel: "Wir haben Zweifel"
- Grafiken
Ergebnis in interaktiven Grafiken:Diese Abgeordneten haben gegen das Rentenpaket gestimmt
von Robert Meyermit Video149:24 Haltelinie, Kostenstreit, Zukunftsfrage:Was verspricht das Rentenpaket der Koalition?
mit Video1:21- Interview
Kanzleramtschef im ZDF:Frei kündigt Bürgergeldreform bis Weihnachten an
von Stefanie Reulmannmit Video5:36