Kanzleramtschef Frei: Bürgergeldreform bis Weihnachten

Kanzleramtschef im Interview:Frei kündigt Bürgergeldreform bis Weihnachten an

von Stefanie Reulmann

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Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) kündigt im ZDF eine zügige Reform des Bürgergeldes an. "Möglicherweise gelingt es in den nächsten Tagen, aber in jedem Fall vor Weihnachten."

Thorsten Frei, CDU, Chef des Bundeskanzleramtes im Berlin-direkt-Interview

Nach der Verabschiedung des Rentenpakets im Bundestag zeigt sich Kanzleramtschef Frei (CDU) im ZDF zuversichtlich, dass die Koalition auch bei der Bürgergeldreform zügig vorankomme.

07.12.2025 | 5:36 min

Das schwarz-rote Rentenpaket ist verabschiedet, die Koalition kann erstmal aufatmen. Doch was nach Erfolg klingt, hat hinter den Kulissen für Zerwürfnisse gesorgt, auch innerhalb der Union.

Verlorenes Vertrauen sieht Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) aber trotzdem nicht. In der ZDF-Sendung "Berlin direkt" sagt er:

Dass da manchmal der eine und der andere über seinen Schatten springen muss, das gehört eben zu einer Koalitionsregierung dazu, aber da ist kein Vertrauen zerstört.

Thorsten Frei, CDU, Kanzleramtschef

Nächstes Reformprojekt ist das Bürgergeld

Doch nach dem Streit ist vor dem Streit. Der könnte nun auch bei der Reform des Bürgergeldes drohen. Da hat sich Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) als federführende Ministerin kürzlich auf dem Juso-Bundeskongress deutlich geäußert: "Ihr könnt euch darauf verlassen: Ich habe keinen Bock auf Sanktionen."

In Deutschland beziehen etwa 5,3 Millionen Menschen Bürgergeld. Mehr als ein Viertel von ihnen (1,4 Millionen) sind nicht erwerbsfähig, die meisten davon Kinder.

Von den 3,9 Millionen erwerbsfähigen Bürgergeldempfänger*innen sind mehr als die Hälfte (2,2 Millionen) nicht arbeitslos. Sie beziehen beispielsweise Bürgergeld, weil ihr Arbeitslohn nicht reicht, weil sie in Ausbildung sind oder weil sie Angehörige pflegen.

Die meisten der 1,8 Millionen arbeitslosen Erwerbsfähigen sind nur schwer vermittelbar, weil sie keinen Berufsabschluss haben, älter als 55 Jahre sind und/oder eine schwere Behinderung haben. 23.352 arbeitslose Erwerbstätige erhielten letztes Jahr gekürzte Leistungen, weil sie sich weigerten, eine Arbeit, Ausbildung oder Maßnahme aufzunehmen. Schätzungen von Experten zufolge liegt die Gesamtzahl der totalen Leistungskürzungen zwischen April 2024 und Juni 2025 im niedrigen zweistelligen Bereich.


Dem widerspricht der Kanzleramtschef im ZDF deutlich und verweist auf "klare Vereinbarungen im Koalitionsvertrag". Mit der Union gebe es "selbstverständlich" keine Änderungen, sagt Frei. Gleichzeitig betont er, dass man "bei den Gesprächen zur Abschaffung des Bürgergeldes schon sehr weit" sei.

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Schwarz-Rot habe sich vorgenommen, das Thema zügig im Kabinett zu beschließen, "möglicherweise gelingt es in den nächsten Tagen, aber in jedem Fall vor Weihnachten", sagt er. "Dann werden wir das Bürgergeld abschaffen und durch eine neue Grundsicherung ersetzen."

Bestandteile dieser Reform seien dann auch veränderte Zumutbarkeitsregeln und die Verkürzung oder Abschaffung von Karenzzeiten. Er gehe davon aus, dass dies auch im Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bas enthalten sein werde, sagt Frei:

Sie ist die zuständige Fachministerin, und ich habe das Vertrauen, dass das, was wir miteinander vereinbart haben, dann tatsächlich auch im Gesetz steht.

Thorsten Frei, Kanzleramtschef

Frei übt Kritik an Bas wegen Arbeitgeberschelte

Doch nicht nur beim Bürgergeld ist die Arbeitsministerin vorgeprescht, auch die Arbeitgeber hat sie kürzlich vor den Kopf gestoßen. Ebenfalls beim Juso-Bundeskongress sagte sie, dass ihr bei einer Veranstaltung der Arbeitgeber "deutlich" geworden sei, "gegen wen wir eigentlich gemeinsam kämpfen müssen".

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Einige haben Bas nahegelegt, sich zu entschuldigen. Auch Frei übt im ZDF deutliche Kritik an den Äußerungen der SPD-Politikerin. Er hebt die Bedeutung der Tarifpartner und Sozialpartner, die in Deutschland eine "herausgehobene Stellung" hätten, hervor und sagt:

Deswegen bin ich sehr dafür, dass wir da sehr respektvoll miteinander umgehen, die jeweilige Rolle des anderen auch respektieren, und das äußert sich dann eben auch in der Sprache.

Thorsten Frei, Kanzleramtschef

Spahn fordert Manöverkritik nach Rentenstreit

Doch der Streit im Vorfeld der Abstimmung zum Rentenpaket hat gezeigt, dass trotz Koalitionsvertrag bei jeder Reform Nachbesserungen gefordert werden. Diese Bestrebungen einzufangen und die Reihen trotzdem zu schließen, ist Aufgabe der Fraktionschefs. Bei der Rente war es vor allem Unionsfraktionschef Jens Spahn, dem diese Aufgabe zukam - diesmal erfolgreich.

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Nun hat er eine Manöverkritik gefordert. Damit ist wohl auch Kanzler Friedrich Merz gemeint, dessen Aufgabe es ist, innerhalb der Koalition zu kommunizieren. "Wir werden uns dieser Manöverkritik unterziehen, und zwar alle Beteiligten", sagt sein Kanzleramtschef im ZDF. Er verweist erneut auf den Koalitionsvertrag: "Dieses Gesetz, das eines von mehreren Rentengesetzen ist, ist Ausfluss der Koalitionsverhandlungen und des Koalitionsvertrages."

Doch der Rentenstreit hat Vertrauen gekostet, das nun wieder aufgebaut werden muss, innerhalb der Unionsfraktion, aber auch zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD. Viel Zeit dafür haben die Koalitionäre nicht.

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Quelle: dpa

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Über dieses Thema berichtete "berlin direkt" am 07.12.2025 ab 19:10 Uhr.

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