Waffenlieferstopp an Israel: Lob und Kritik für Merz' Entschluss
Waffenlieferungsstopp an Israel:"Staatsräson abgehakt?" Merz' Entscheidung polarisiert
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Friedrich Merz kündigt an, dass Waffenlieferungen nach Israel zunächst nicht mehr genehmigt werden. Die Entscheidung trifft gleichermaßen auf Zustimmung wie Kritik.
Friedrich Merz stößt mit seiner Entscheidung auf wohlwollende Worte und harte Kritik.
Quelle: Action Press
Die israelische Führung hat entschieden, dass sie Gaza-Stadt vorerst vollständig übernehmen will. Daraufhin kündigte Bundeskanzler Friedrich Merz einen Waffenlieferungsstopp aus Deutschland an. In einer Mitteilung erklärte der 69-Jährige, dass Israel das Recht habe, sich "gegen den Terror der Hamas zu verteidigen" und dass die Hamas in Zukunft "keine Rolle spielen" dürfe. Doch das beschlossene härtere Vorgehen im Gazastreifen ließe "immer weniger erkennen, wie diese Ziele erreicht werden sollen".
Unter diesen Umständen genehmigt die Bundesregierung bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können.
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Friedrich Merz, Bundeskanzler Deutschland
Die Reaktionen schwankten zwischen Zustimmung und Kritik. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warf Deutschland vor, mit dem Beschluss die islamistische Hamas zu belohnen. Er habe seine Enttäuschung in einem Gespräch mit Merz ausgedrückt, teilte sein Büro mit.
Unterstützung erhielt Merz von Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD): "Dem Staat Israel gilt unsere volle Solidarität, aber Falsches muss benannt werden", erklärte der Bundesfinanzminister. Das humanitäre Leid in Gaza sei unerträglich. Dafür trage die israelische Regierung eine große Verantwortung. "Deswegen muss jetzt humanitäre Hilfe schnellstmöglich und umfassend nach Gaza reingelassen werden."
Die Bundesregierung hat zum ersten Mal Sanktionen gegen Israel verhängt und wird keine Rüstungsexporte mehr genehmigen, die im Gazastreifen eingesetzt werden können. 08.08.2025 | 2:10 min
Waffenlieferstopp an Israel: Zustimmung und weitere Forderungen
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Adis Ahmetovic, begrüßte die Entscheidung des Kanzlers gegenüber dem stern. Er forderte zudem noch weitere Schritte, "eine Ganz- oder Teilaussetzung des EU-Assoziierungsabkommens oder die medizinische Evakuierung insbesondere von schwer verletzten Kindern". Er brachte zudem Sanktionen gegen israelische Minister ins Spiel.
Grünen-Chefin Franziska Brantner sagte der dpa:
Kanzler Merz und sein Außenminister Wadephul müssen sich jetzt mit Nachdruck für einen politischen Prozess einsetzen. Es braucht jetzt ernsthaften Druck für ein Ende des Kriegs und der humanitären Katastrophe, die Freilassung der Geiseln sowie eine politische Perspektive.
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Franziska Brantner, Bundesvorsitzende der Grünen
Die Sprecherin für internationale Beziehungen der Linken, Lea Reisner, bezeichnete die Entscheidung als "überfälligen Schritt". Sie forderte wie ihr SPD-Kollege das Aussetzen des EU-Assoziierungsabkommens. Außerdem setzt sie sich dafür ein, Palästina anzuerkennen und die "Maßnahmen des Gutachtens des Internationalen Gerichtshofs" umzusetzen.
Das Kampagnen-Netzwerk hinter einem offenen Brief an Merz, den bis Freitagnachmittag fast 400 Prominente unterschrieben haben, merkte auf Instagram zum Waffenstopp an: "Die Macht der Menschen hat geholfen, dies möglich zu machen."
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Scharfe Kritik an der Entscheidung
Die Ankündigung von Merz stieß aber auch auf teils heftige Kritik. "Dieser Kurswechsel läuft allen Solidaritätsbekundungen und Versprechen zuwider, die der Bundeskanzler seit seinem Amtsantritt vertreten hat", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, in Berlin. Israel werde täglich von Feinden angegriffen und mit Raketen beschossen.
Israel nun die Möglichkeit zu nehmen, sich gegen solche Bedrohungen zu verteidigen, gefährdet dessen Existenz.
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Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland
Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, nennt die Entscheidung im ZDF-Interview einen "Punktsieg für die Hamas". "Wenn das so bestehen bleibt, wäre es ein Sieg im Meinungskampf um den Gazakrieg", erklärte Beck. Er wies außerdem darauf hin, dass die Bundesregierung zwar betone, dass die Entwaffnung der Hamas erforderlich sei, aber man dann Israel nicht die Waffen gebe, die es für die Entwaffnung brauche: "Das passt einfach denklogisch nicht zusammen und das ist ein bisschen Stimmungspolitik nach Deutschland hinein".
Trotz wachsender Kritik im In- und Ausland weitet Israel den Militäreinsatz aus. Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist schon jetzt katastrophal. 08.08.2025 | 1:03 min
Eine scharfe Reaktion kam auch von der Jungen Union. "Staatsräson abgehakt? Ein Bruch mit den Grundsätzen der Unionspolitik", schrieb die Nachwuchsorganisation auf Instagram. Der JU-Vorsitzende und CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Winkel schrieb auf X: "Israel macht ab heute die Drecksarbeit für uns, nur ohne deutsche Waffen."
CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter nannte den Entschluss seines Parteichefs "für einen schweren politischen und strategischen Fehler". Zur Staatsräson und dem damit zugesagten Schutzes von Menschen und Staat gehörten folglich "Rüstungskooperation und Waffenlieferungen". Laut Kiesewetter beuge man sich mit dem Stopp "einem antisemitischem Mob der Straße" und der "kognitiven Kriegsführung einer gnadenlosen Hamas-Propaganda". Er sei enttäuscht.
Ein politisches Zeichen inmitten des Kriegs. Deutschland stoppt bestimmte Waffenlieferungen an Israel. ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese ordnet die Entscheidung ein.08.08.2025 | 1:55 min
Berichte: CSU nicht an Entscheidung beteiligt
Kritik am Kanzler kam auch von der FDP. Ihr Chef Christian Dürr schrieb auf X: "Friedrich Merz begeht einen schweren Fehler." Zwar gingen die Pläne der israelischen Regierung zur Einnahme von Gaza-Stadt deutlich zu weit. "Aber die Bundesregierung reagiert über. Der Stopp von Waffenlieferungen ist falsch. Der Kanzler folgt der SPD - und das Kalkül der Hamas geht auf", schrieb Dürr.
Mit der CSU war die Entscheidung offenbar nicht abgesprochen. Einen entsprechenden Bericht der "Bild"-Zeitung wurde der Deutschen Presse-Agentur aus Parteikreisen in München bestätigt. "Bild" hatte berichtet, die CSU sei an der Entscheidung nicht beteiligt gewesen und sei davon auch überrascht worden. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger schrieb auf X: "Deutschland kann damit de facto keine Waffen mehr nach Israel liefern, da der Einsatz in Gaza ausgeschlossen sein muss. Israels Sicherheit gegenüber seinen zahlreichen gefährlichen Feinden wird dadurch sicher nicht verbessert."
Israels Armee geht seit dem Terrorangriff der Hamas militärisch im Gazastreifen vor - die Verhandlungen in Katar über eine Waffenruhe wurden abgebrochen. Die Entwicklungen im Blog.