Liberale Opposition in der CDU:"Compass Mitte": Merkels letzte Truppen
von Mathis Feldhoff
"Compass Mitte" nennt sich eine neue christlich-liberale Gruppe in der CDU, die wohl als Gegenentwurf zur Linie von Friedrich Merz verstanden werden kann. Wie groß ist ihr Einfluss?
Echter Gegenwind für Merz oder nur "die alte gescheiterte Union der Mitte"?
Quelle: dpaDie Gründung von "Compass Mitte" soll ein Signal für Veränderung sein - so jedenfalls kann man das Papier und die 14 Punkte verstehen, mit denen die neue Plattform in der letzten Woche an die Öffentlichkeit getreten ist. Und es ist eine ziemlich direkte Kritik am eigenen Parteivorsitzenden Friedrich Merz.
Das C in CDU sei eine Verpflichtung, formulieren CDU-Mitglieder, die sich um den ehemaligen CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz versammelt hat: "Für unseren Umgang mit dem politischen Gegner, für unsere politische Sprache und für den Stil unserer innerparteilichen Debatten", so steht es gleich zu Anfang des zweiseitigen Papiers. Wer denkt dabei nicht gleich an die vom Bundeskanzler angestoßene "Stadtbild"-Debatte?
Friedrich Merz hat mit seinen Aussagen zum Stadtbild in deutschen Innenstädten für Empörung gesorgt. War das ein unüberlegter Ausrutscher oder bewusst gesetzte Worte?
23.10.2025 | 51:29 minCDU-Politiker wollen zurück zur Mitte
Die Gruppe, in der neben Polenz auch die IG-Metall-Funktionärin Monika Wüllner, die auch im CDU-Bundesvorstand sitzt, und der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter mitmachen, hat derzeit kaum mehr als ein paar Dutzend Unterstützer. Allesamt aus dem Westen. "Wir arbeiten daran", sagt Gründungsmitglied Wüllner und erklärt in einem Interview der "taz", dass man gelernt habe, "dass es nicht mehr reicht, sich in kleinen Kreisen aufzuregen". Man wolle jetzt zu einer "Bewegung werden".
In all ihren Stellungnahmen betonen die einzelnen Vertreter, aber eben keine Kritiker-Truppe von Parteichef Merz zu sein. Vielmehr wolle man die CDU wieder dahin führen, woher sie in den letzten Jahren gekommen ist - zurück in die Mitte. Auch die "Compass Mitte"-Unterstützer plädieren für einen härteren Kurs etwa in der Migrationspolitik. Und dennoch ist die neue "Bewegung" eine massive Kritik an Friedrich Merz.
Nach seiner umstrittenen "Stadtbild"-Aussage zum Thema Migration wächst der Druck auf Bundeskanzler Merz – auch aus den eigenen Reihen. SPD-Vertreter sprechen von Spaltung.
21.10.2025 | 1:40 minForderung: Wieder 40 Prozent für CDU - wie eine Volkspartei
Die vielleicht härteste Breitseite gegenüber der aktuellen Parteispitze ist vielleicht der Hinweis auf das Abschneiden bei der Bundestagswahl im Frühjahr. "Die 28,6 Prozent bei der letzten Bundestagswahl dürfen uns nicht zufriedenstellen", heißt es ganz am Ende des Papiers. Und weiter:
Es bedarf einer Kurskorrektur, damit die CDU mit 40 Prozent wieder die Ergebnisse einer Volkspartei erreicht.
Papier von "Compass Mitte"
Wohl wissend, dass Merz als Kandidat die letzte Wahl und die 28,6 zu verantworten hat, während das letzte Ergebnis für die Union über 40 mit Angela Merkel erreicht wurde. Die Wahrheit ist allerdings, die CDU hatte noch nie alleine 40 Prozent, sondern immer nur im Tandem mit der CSU. Bei der erfolgreichsten Wahl für die Union 1983, bei der man 48,8 Prozent der Stimmen errang, steuerten die Christsozialen aus Bayern 10,6 Prozent bei. Und auch bei der einzigen Wahl, die die CDU unter Angela Merkel mit über 40 Prozent abschloss, nämlich 2013, erreichte die CDU alleine nur 34 Prozent. Der Rest kam von der CSU.
Manche fühlten sich trotz aller Freiheit nicht ausreichend wahrgenommen, sagt Angela Merkel im ZDF heute journal. Dies sei allerdings "kein Grund eine menschenverachtende Partei zu wählen, wenn man etwas zu kritisieren hat", sagt die Altkanzlerin mit Blick auf die AfD.
02.10.2025 | 9:44 minHarte Kritik von den Konservativen
Wie nervös allerdings die konservativen Kräfte in der CDU auf die neue Gruppierung reagieren, zeigt aber auch, dass die Merz-Unterstützer sich nicht sicher sind, wie viel Merkel noch in der aktuellen CDU steckt. Die zentralen Posten, Parteivorsitz, Generalsekretär und Fraktionschef sind zwar alle von konservativen Köpfen besetzt. Aber die Erfolge der Landesfürsten wie Hendrik Wüst und Daniel Günther, die erfolgreich mit den Grünen regieren, verströmen offenbar eine gewisse Nervosität.
Thorsten Alsleben, ehemaliger Geschäftsführer des CDU-Mittelstands und heute bei Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft aktiv, der sich oft als Vorreiter und Sprachrohr der Merz-Fans artikuliert, wird von "Table.Media" mit den Worten, dort hätten sich "Zombies", die einer Auferstehung entgegenfiebern, zusammengeschlossen. In einer internen Nachricht lästert er, so "Table.Media", dass sei "die alte gescheiterte Union der Mitte aus abgehalfterten CDU-Mitgliedern, die seit Jahren keinen Einfluss mehr haben". Jedenfalls scheint der etwas abgeflaute verbale Meinungsstreit in der CDU wieder an Fahrt aufzunehmen.
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