Schwarz-rote Fraktionsklausur :Herbst der Reformen? Wo es in der Koalition hakt
Vor der Sommerpause knirschte es gewaltig zwischen Union und SPD. Eine Fraktionsklausur soll einen Neustart einläuten. Ein Überblick über Streitpunkte bei Schwarz-Rot.
Misstrauen, schwache Umfragewerte und offene Konflikte prägen die Koalition. Bei einer Klausur soll ein „Herbst der Reformen“ den schweren Start korrigieren.
25.08.2025 | 1:44 minMit einem großen Knall hatten sich die schwarz-roten Koalitionäre in die Sommerferien verabschiedet: Die Richter-Wahl für das Bundesverfassungsgericht wurde verschoben, weil der Widerstand in der Unions-Fraktion gegen die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zu groß war. Die Rechtswissenschaftlerin steht inzwischen für das Amt nicht mehr zur Verfügung. "Abkühlen über die Sommerpause", empfahl Bundeskanzler Friedrich Merz den Regierungspartnern.
Doch statt Abkühlung wurde die Stimmung im August noch hitziger. Wenn heute die Fraktionsvorstände von CDU/CSU und SPD in Würzburg zur Klausur zusammenkommen, haben sich gleich mehrere Konflikte aufgestaut.
Die Fraktionsspitzen von Union und SPD beraten in Würzburg über die Regierungsvorhaben der kommenden Monate. ZDF-Korrespondentin Andrea Maurer ordnet das Treffen ein.
28.08.2025 | 1:29 min1. Steuerstreit im Sommerloch
Und täglich grüßt der Steuerstreit - so fühlte es sich in diesem August bisweilen an. In hohem Takt kam aus der SPD die Forderung nach Steuererhöhungen. Im selben Takt kam aus der Union die Replik: nicht mit uns, im Gegenteil! Man habe schließlich Steuersenkungen vereinbart, verweisen die Konservativen auf den Koalitionsvertrag. Fakt ist, dass die Koalition trotz neuer Milliardenschulden ein Geldproblem hat.
In der schwarz-roten Koalition knirscht es vor dem angekündigten „Herbst der Reformen“. Union und SPD streiten vor allem über den Kurs in der Steuer- und Sozialpolitik.
25.08.2025 | 2:44 minIm Haushalt für 2027 klafft eine Lücke von 30 Milliarden Euro. Wie die zu schließen ist, da gehen die koalitionsinternen Meinungen weit auseinander. Sparen bei Bürgergeld und Wärmepumpenförderung, heißt es aus CDU und CSU. Vermögende und Spitzenverdiener müssen sich stärker beteiligen, findet die SPD. Am Geld - und zwar an weit weniger als 30 Milliarden Euro - ist bekanntlich die Ampel gescheitert. Hier schlummert weiteres schwarz-rotes Konfliktpotential.
2. Klappt die Richterwahl im zweiten Anlauf?
Die Richterwahl, eigentlich eine Formalie, ist zum Symbol schwarz-roten Misstrauens geworden. CDU/CSU und SPD beäugen sich skeptisch. Das begann schon nach Merz' schwieriger Kanzlerwahl, im Richterstreit hat es sich vertieft. Abgeordnete der Union halten viele ihrer SPD-Kollegen für zu links. Einige SPD-Abgeordnete vermuten, dass ein nennenswerter Teil der Unionsfraktion insgeheim ein Bündnis mit der AfD anstrebt. Findet die Koalition zu neuem Vertrauen?
Frauke Brosius-Gersdorf zog ihre Kandidatur zurück. Als Grund nannte sie, dass sie Auswirkungen auf die Demokratie verhindern wolle. Die SPD nominierte sie zuvor als Verfassungsrichterin. Es gab eine große Debatte um ihre Person.
07.08.2025 | 2:49 minOffiziell soll das Richter-Thema in Würzburg - wenn überhaupt - nur am Rande eine Rolle spielen. Die SPD will wohl noch keinen neuen Namen nennen. Dennoch dürften sich die Protagonisten von Schwarz-Rot über den Sommer Gedanken gemacht haben, wie eine weitere Blamage verhindert werden kann. Will die Regierung Merz eine Zukunft haben, muss die Richterwahl diesmal gelingen. Eine entscheidende Frage wird dabei sein, ob es Unionsfraktionschef Jens Spahn schafft, die eigenen Leute hinter sich zu versammeln.
3. Unmut über Kommunikation
Auch innerhalb der Union war dieser Sommer nicht immer harmonisch. Parteifreunde werfen Kanzler Merz immer wieder mangelndes kommunikatives Gespür vor. Bereits im Juni fühlte sich die CSU beim Thema Stromsteuer übergangen.
Merz ist seit 100 Tagen Bundeskanzler. Er ist unbeliebter als sein Vorgänger, es gibt Streit in der Koalition und Kritik an seiner Entscheidung, bestimmte Waffenlieferungen an Israel zu stoppen.
14.08.2025 | 27:43 minAls noch gravierender wertete man in München Merz' unabgestimmte Entscheidung, Waffenlieferungen an Israel einzuschränken. Vielen Abgeordneten der CDU ging es ähnlich. CSU-Chef Söder bezeichnete die Entscheidung mittlerweile zwar als "Richtlinienentscheidung" des Kanzlers, die man "zu respektieren" habe. Allerdings dürfte der Umgang mit Israel die Koalition weiter belasten. Aus der SPD kommen Stimmen, die Sanktionen gegen Israel ins Spiel bringen. Die CSU will das auf keinen Fall. Ein schwer aufzulösender Konflikt.
Kurz vor der Sommerpause stellte sich Kanzler Merz den Fragen von Hauptstadtjournalisten. Sehen Sie hier die komplette Pressekonferenz.
18.07.2025 | 92:17 minAls Wahlkämpfer hatte Friedrich Merz eine Regierung, die nicht streitet, versprochen. Als Kanzler sagte er kürzlich, dass er mit der bislang geleisteten Arbeit nicht zufrieden sei. Ein "Herbst der Reformen" müsse her. Die Fraktionsklausur in Würzburg dürfte Hinweise darauf geben, ob alte Konflikte aufgelöst werden können - oder ob die Koalition eher vor ihrem eigenen Herbst steht.
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