Rüstung statt Autos: Wie Unternehmer vom Rüstungsboom profitieren

Baden-Württemberg:Vom Autoland zum Rüstungsland?

von Luisa Houben und Max Schwarz
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Die Autobranche schwächelt, die Rüstungsindustrie boomt. Unternehmer in Baden-Württemberg wollen davon profitieren. Wie nachhaltig ist das?

Kampfpanzer Leopard 2A4 im Rheinmetall-Werk
Die andauernde Wirtschaftskrise zwingt Autozulieferer zur Umstrukturierung. Viele setzen ihre Hoffnungen auf die Rüstungsindustrie. Doch ist das ein Weg raus aus der Krise?15.07.2025 | 2:40 min
Für ihn war es eine leichte Entscheidung: Peter Hodapps Unternehmen baut neuerdings Türen für Bundeswehrkasernen und Werkstore für Rüstungsunternehmen. Mit dem ZDF spricht er erstmals öffentlich darüber.
Bislang waren Autobauer wie Mercedes und Porsche seine großen Kunden. Die aber bestellen nicht mehr. Damit fallen 10 Prozent des Umsatzes weg.
In Deutschlands Aufrüstungsplänen wittert Peter Hodapp seine Chance:

Weil es ganz klar ein Zukunftsmarkt ist.

Peter Hodapps, Unternehmer

Vier Soldaten der Bundeswehr stehen in Tarnuniform vor einem Leopard 2 Panzer. Daneben steht ein weiterer Panzer.
Die Bundesregierung pumpt Milliarden Euro in die Aufrüstung. Neue Waffen werden bestellt. Wer profitiert davon? Die deutsche Rüstungsindustrie? Oder machen am Ende andere das Geschäft?19.06.2023 | 43:47 min
Er hofft, dass das Geschäft mit der Rüstung die Lücke schließt, die die Autokrise reißt. Zumindest teilweise.

Mittelstand diskutiert Rüstungsaufträge

Da ist Hodapp nicht allein. Als die IHK Anfang Juli in Stuttgart zu einer Infoveranstaltung mit Bundeswehr und Nato-Vertretern einlädt, kommen mehr als 350 Interessierte aus dem Mittelstand, darunter Logistiker und Maschinenbauer. Vor ein paar Jahren kamen zum gleichen Termin gerade mal zehn Leute.
"Die Wirtschaftskrise dauert jetzt schon so lange an", sagt Stefan Bogenrieder, Geschäftsführer von Campus Schwarzwald.
800-Milliarden-Rüstungsplan für Europa
Ursula von der Leyen (EU-Kommissionspräsidentin) stellt 800-Milliardenplan-Plan für die Aufrüstung Europas vor04.03.2025 | 15:34 min

Die Unternehmen wollen sich an den Ecken beteiligen, wo man dann auch sinnvoll Geld verdienen kann.

Stefan Bogenrieder, Geschäftsführer Campus Schwarzwald

Dafür müssten sie wissen, was es braucht, um für die Rüstung zu arbeiten. Welche Auflagen und Sicherheitszertifikate sie erfüllen müssten. Aufträge zu bekommen, ist nicht leicht. "Wenn die Hürden nicht allzu hoch sind, würden wir gerne mehr Verantwortung übernehmen für die Sicherheit des Landes," sagt Amadeu da Silva Ferreira von "Ferreira Logistik".

Bürokratische und moralische Hürden

Für viele Unternehmer sind die größten Hürden die moralischen Fragen. Viele schweigen dazu öffentlich. Zu groß die Sorge, als Kriegsgewinnler zu gelten.
Viacheslav Gromov ist einer der wenigen, der beim Thema Rüstung medial in die Offensive geht. Sein Offenburger Unternehmen AITAD stellt KI auf Chips her - für die Medizin, den Maschinenbau, die Autoindustrie. Besonders nach dem Wegbrechen der Autoindustrie, muss er entscheiden: Mitarbeitende entlassen oder neue Märkte erschließen?
GERMANY-ECONOMY-AUTOMOBILE-EARNINGS-VOLKSWAGEN
Das VW-Werk in Osnabrück ist von der Schließung bedroht, der Rüstungskonzern Rheinmetall findet es für die Militärproduktion geeignet. Bei den VW-Mitarbeitern gibt es Vorbehalte.19.03.2025 | 2:52 min

Die Frage ist, was der Wert der Freiheit bedeutet. Und menschenzentrierte KI bedeutet eben, nicht anzugreifen und nicht zwischen Leben und Tod zu entscheiden, sondern im Zweifel vielleicht ein Leben zu retten.

Viacheslav Gromov, Unternehmer

Für Gromov wiegt die Verantwortung so schwer, wie der wirtschaftliche Erfolg. Also holt er seine 30 Mitarbeitenden ins Boot. Sie entscheiden basisdemokratisch: Ihre KI soll jetzt helfen Drohnen abzuwehren.

Autobauer wechseln zur Rüstung

Es geht bei diesem Wechsel um viel: Die Verteidigungsfähigkeit und den Wohlstand eines ganzen Landes. Die Bundesregierung investiert dafür Milliarden. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hofft, dass sein von der Autokrise gebeuteltes Ländle davon profitiert und sagt dazu im ZDF-Interview:

Rüstungsbetriebe brauchen qualifizierte Fachkräfte. Und wenn in Sparten, die jetzt gerade schrumpfen, Arbeitskräfte freigesetzt werden, dann ist das eine Chance für die Betriebe, diese Kräfte aufzufangen.

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württemberg

Zeitenwende durch Ukraine-Krieg
:Kretschmann: Pazifismus heißt jetzt aufrüsten

Baden-Württembergs Regierungschef Kretschmann sieht keine vernünftige Alternative zu Aufrüstungsplänen in Deutschland und Europa. Pazifismus heiße jetzt verteidigungsbereit sein.
von Luisa Houben, Max Schwarz
Winfried Kretschmann - Ministerpräsident von Baden-Württemberg
Exklusiv
Die Rheinmetall-Tochter "Mobile Systeme" mit Sitz am Bodensee macht genau das. Der Rüstungsriese, einst "Schmuddel-Kind" der deutschen Wirtschaft, stellt jetzt ehemalige Autobauer ein: "Die Rüstungsindustrie boomt. Wir erhalten täglich mehrere Bewerbungen an die 100 an der Zahl, die bei uns mitarbeiten möchten", sagt Geschäftsführer Armin Krenn.

Wohlstand dank Rüstungsboom?

Eine Entwicklung, die Politikökonom Patrick Kaczmarczyk kritisch sieht:
"Wir sehen im Rüstungsboom eine risikoreiche Wette mit niedriger gesamtwirtschaftlicher Rendite." Er schätzt, dass für jeden ausgegebenen Euro in der Rüstungsindustrie nicht mehr als zusätzliche 50 Cent zum Bruttoinlandsprodukt hinzukämen. Das Vierfache generiere öffentliche Infrastruktur.
Und Kaczmarczyk warnt: Auf Grund intransparenter Vergabeverfahren steigere Steuergeld für Rüstung bisher vor allem die Gewinne weniger, großer Konzerne.
Zwei Bundeswehr-Soldaten knien vor einem Panzer und zielen mit ihrem Gewehr. Im Hintergrund Spur-Logo
Russland bedroht den Frieden in Europa. Die Bundeswehr ist wieder gefordert. Jahrelang wurde abgerüstet, jetzt heißt es "Kommando zurück": Aber wie gut ist die Bundeswehr darauf vorbereitet?14.05.2025 | 28:37 min

Wenn keine Strukturreformen kommen, bevor mehr Geld in diesen Sektor gepumpt wird, stehen wir wirklich vor einer unglaublichen Verschwendung von Steuergeldern.

Patrick Kaczmarczyk, Politikökonom Universität Mannheim

Zu den Verlierern gehörten dann nicht nur die Mittelständler und Steuerzahler, sondern auch die Verteidigungsfähigkeit des Landes.
Luisa Houben und Max Schwarz berichten aus dem ZDF-Studio Stuttgart.

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