Drohnen und Loitering Munition: Deutsche Start-ups rüsten auf
Abschreckung gegen Russland:Deutsche Start-ups und der "Wall aus Drohnen"
von Jutta Sonnewald
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Deutsche Defence-Tech-Firmen schlagen einen Drohnen-Schutzschirm an der 3.000 Kilometer langen Nato-Ostgrenze vor. Was dahinter steckt und wie die Bundeswehr das Thema sieht.
Deutsche Start-ups aus dem Rüstungsbereich schlagen Drohnen als Abschreckungsmaßnahme gegen Russland vor.
Quelle: ZDF
Eine feindliche bewaffnete Drohne fliegt dicht über den ehemaligen Fliegerhorst in Erding nordöstlich von München. Beobachtet wird sie von einer "Vektor"-Aufklärungsdrohne der bayerischen Firma Quantum Systems. Eliminiert wird sie von einer sogenannten Virtus Loitering Munition, einem mit Sprengstoff beladenem Flugkörper, des jungen Münchener Start-ups Stark Defence. So das Playbook und Teil der Live-Demonstration verschiedener autonomer Waffensysteme beim Defence TechDay - initiiert von Bayern Innovativ, einer Forschungs- und Innovationsagentur, die vom Freistaat unterstützt wird.
Große und kleine Rüstungsfirmen sind zu dieser Mini-Waffenmesse gekommen und hochrangige Vertreter der Bundeswehr. Sie alle interessiert: Wie sieht das vernetzte Gefechtsfeld der Zukunft aus? Und welche Rolle spielen Drohnen und Loitering Munition - auch bei der Errichtung eines möglichen Drohnenwalls als Abschreckung gegen Russland?
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Helsing sieht Drohnen als Ersatz für Minensperren
Die Idee einen Wall aus Drohnen an der Nato-Ostflanke zu errichten, stammt von der Münchner Rüstungsfirma Helsing, die KI-gesteuerte, kostengünstige und massenproduzierbare Kampfdrohnen entwickelt, herstellt und in der Ukraine einsetzt. Die Erfahrungen im Krieg dort hätten gezeigt, dass man auf asymmetrische Technologien setzen müsse und auf Masse, so Gundbert Scherf, Helsing Mitbegründer und Co-Vorstandsvorsitzender.
Eine solche Mauer aus Aufklärungs- und Kampfdrohnen in Kombination mit Satellitensystemen, wäre seiner Meinung nach eine intelligente Sperre, die herkömmliche Minenfelder ersetzen könnte: Feindliche Kräfte würden bekämpft, die eigenen Truppen aber durchgelassen.
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Start-ups wollen Tempo bei Rüstungsproduktion
Für Josef Kranwetvogel, Senior Vice President von Stark Defence, wäre ein solcher Wall nicht unbedingt statisch: "Ich würde nicht sagen, dass man Drohnen alle zehn Kilometer dauerhaft aussetzt, sondern man müsste bei einem Angriff an der Grenzlinie ad hoc punktuell und schnell im Zusammenspiel zwischen Aufklärung, Bekämpfung und Wirkung reagieren."
Ich denke, dass Drohnen eine kostengünstige Möglichkeit sind, die Bedrohung aus dem Osten abzuschrecken. Außerdem sind sie schneller als ein Panzer.
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Josef Kranwetvogel, Stark Defence
Stefan Thumann, der mit seinem niederbayerischen Start-up Donaustahl die Loitering Munition "Maus" produziert, plädiert dafür, einen solchen Drohnenwall in Kombination mit Drohnenabwehr-Technik zu errichten, zudem möglichst schnell: "Ein Jahr ist schon großzügig bemessen. Russland stellt mehr Drohnen her als es für den Ukraine-Krieg braucht. Experten gehen davon aus, dass es bereits einen Krieg gegen die Nato vorbereitet," so Thumann.
Das deutsche Start-up Donaustahl produziert Loitering Munition.
Quelle: ZDF
Verteidigungsministerium: Drohnen kein Ersatz für Truppen am Boden
Tobias Fella vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, bremst die Erwartungen der Drohnenhersteller. Es sei zu riskant und kurzsichtig zu glauben, eine neue Technik könne alles richten. "Drohnen sind keine Wunderwaffen. Bei starkem Wind oder Nebel werden sie erheblich beeinträchtigt. Außerdem lässt sich ihre Navigation durch 'Jamming' stören." Gemeint ist eine Form elektronischer Kampfführung, bei der die Kommunikation zwischen Drohne und Fernbedienung durch Störsignale unterbrochen wird.
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So sieht es auch das Bundesverteidigungsministerium. Zwar sehen das BMVG und die Bundeswehr Drohnen als militärische Schlüsselfähigkeit an und haben erstmals auch beschlossen, Kampfdrohnen zu beschaffen. Doch "für eine glaubhafte Abschreckung und Verteidigung sind neben innovativen Technologien, wie Drohnen, weiterhin moderne und leistungsstarke Großwaffensysteme wie Kampfpanzer, Kampfflugzeuge, Artillerie und Schiffe notwendig", so ein Sprecher des BMVG gegenüber ZDFheute.
Keine einheitliche Drohnen-Software
Mindestens 100.000 Drohnen, wenn nicht mehr, wären nötig, um die Nato-Ostflanke zu schützen, argumentieren deutsche Drohnen- und Loitering-Munition-Hersteller. Doch es fehle bisher an einer einheitlichen digitalen Sprache zwischen Drohnen verschiedener Nato-Länder, so Fella. Das heißt: die Drohnen könnten in einem Wall nicht miteinander kommunizieren, wären nicht interoperabel. Sven Kruck, CEO von Quantums Systems, stimmt dem zu:
Der sogenannte 'zoo of drones' muss minimiert werden. Das sehen wir auch in der Ukraine.
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Sven Kruck, Quantum Systems
Er wirbt für eine einheitliche Software, die für alle funktioniert. Beim Defence TechDay auf dem Fliegerhorst Erding wird klar: Die bayerischen Drohnen- und Loitering Munition-Hersteller würden sich alle gerne an einem vernetzten Drohnenwall an der Nato-Ostflanke beteiligen. Nun warten sie auf ein Signal der Bundesregierung und der Bundeswehr, die den Bedarf für einen solchen Schutzschirm erst einmal formulieren müsste.
Jutta Sonnewald ist Reporterin im ZDF-Studio in Bayern.