Wie US-Präsident Trump sein Land und die Welt einschüchtert

Analyse

100 Tage im Amt:Wie Trump sein Land und die Welt einschüchtert

Elmar Theveßen
von Elmar Theveßen
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US-Präsident Donald Trump ist nun 100 Tage im Amt. In dieser Zeit hat er nicht nur die Vereinigten Staaten ordentlich umgekrempelt. Sein Einfluss ist auf der ganzen Welt spürbar.

US-Präsident Trump
Zahlreiche Dekrete, Zölle, Massenabschiebungen: Trump regiert nun seit 100 Tagen.29.04.2025 | 2:46 min
Ihre Stimme ist leise und verhalten. "Wir haben alle Angst", sagt die republikanische Senatorin Rita Murkowski. Sie spricht bei einer Bürgerversammlung kürzlich offen aus, was viele denken: "Ich bin oft sehr ängstlich, meine Stimme zu erheben, weil die Vergeltung eine Realität ist. Das darf nicht sein."
Wenn sogar führende Politiker aus Donald Trumps Partei um ihr Leben fürchten, dann stimmt etwas nicht in diesem Land. Der Präsident hat Amerika zutiefst eingeschüchtert.
Grafik: Schatten von Donald Trump vor Weltkugel mit zerrissener US-Flagge, darunter Schriftzug: Der Trump Effekt - 100 Tage Trump - mehr Wahn als Größe?
Trumps erste 100 Tage: Dekrete statt Dialog, Isolation statt Integration. Wie er den Kurs der USA radikal änderte – und globale Machtverhältnisse verschob. Eine Analyse.22.04.2025 | 51:22 min

Macht als Waffe gegen Andersdenkende

Trump nutzt seine Macht als Waffe gegen Andersdenkende. Er befiehlt Ermittlungen gegen Einzelpersonen, Sanktionen gegen Anwaltskanzleien, Klagen gegen Medien. Die Harvard University lehnte seine Forderung ab, Gesinnungstests für Lehrende und Studierende einzuführen. Also strich er die Fördergelder.
Studenten werden zum Ziel staatlicher Willkür, wie Rumeysa Ozturk, die im März von maskierten Agenten der Einwanderungsbehörde ICE bedrängt und abgeführt wurde. Die 30-jährige Doktorandin soll angeblich die Terrororganisation Hamas unterstützen. Beweise gibt es keine.
15.04.2025, USA, Cambridge: Das Logo der Harvard University prangt an einem Gebäude der Hochschule.
Die Elite-Universität Harvard verklagt die US-Regierung wegen der Kürzung milliardenschwerer Zuschüsse nach pro-palästinensischen Protesten. 22.04.2025 | 1:41 min

Dekrete gegen das Gesetz und die Gewaltenteilung

Donald Trump regiert nicht per Gesetz, sondern mit Dekreten gegen das Gesetz und die Gewaltenteilung. Das Parlament umgeht er. Acht Nationale Notstände hat er verhängt - unter anderem, um Massenabschiebungen und seine Energie- und Umweltpolitik zu rechtfertigen. Im Auftrag des Präsidenten feuerte Elon Musk über 220.000 Staatsbedienstete. Einer von ihnen ist der Republikaner Mark Greenblatt, der Generalinspektor im Innenministerium.
Elmar Theveßen | ZDF-Korrespondent in Washington
Nach 100 Tagen hat Trump den Grundstein für ein marodes Amerika gelegt. "Wirtschaftsexperten erwarten Lieferkettenbrüche und stark steigende Preise", sagt ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen.30.04.2025 | 3:17 min
Einst berufen von Trump sollte er über die Einhaltung von Gesetzen und Regeln wachen. Der Präsident warf ihn und 17 weitere Inspektoren in den Ministerien raus, um Kritik zu unterdrücken und jede Aufsicht auszuschalten. "Das ist meine Sorge", sagt Greenblatt, "sie haben die unabhängige Kontrolle ja jetzt schont enthauptet, wenn sie sie ganz abschaffen, dann wäre das sehr besorgniserregend."
Niemand stoppt mehr die Vermischung von staatlichen und kommerziellen Interessen. Wenn Trump die Kryptoindustrie staatlich födert, profitiert er mit seiner eigenen Kryptofirma.
US-Präsident Donald J. Trump hört sich während einer Kabinettssitzung im Kabinettssaal des Weißen Hauses in Washington, DC, USA, am 10. April 2025 die Bemerkungen an.
Trumps Aussagen sorgen für Kursschwankungen an der Börse. Weil einige offenbar profitierten, steht nun der Verdacht auf Insiderhandel im Raum. 11.04.2025 | 2:17 min

Showdown vor dem Supreme Court

In seinem Allmachtsstreben beruft sich er sich auf eine umstrittene Rechtstheorie, nach der ihm gemäß Artikel 2 der Verfassung vollkommene Exekutivmacht zusteht. "Die Theorie von der Einheits-Exekutive besagt, dass ein Präsident eine Art König ist und tun kann, was er will", so Norman Ornstein, Politikwissenschaftler des konservativen American Enterprise Institutes, "die Theorie wurde bisher über Jahrzehnte von allen Gerichten verworfen."

Aber jetzt hat Trump möglicherweise eine Mehrheit dafür im Obersten Gericht.

Norman Ornstein, Politikwissenschaftler

Es droht der Showdown vor dem Supreme Court, dem schon einige Klagen vorliegen, auch der Fall von Kilmar Abrego Garcia. Der 29-Jährige, verheiratet mit einer Amerikanerin, wurde als angebliches Mitglied einer Gang verhaftet und nach El Salvador deportiert. Ohne Beweise, ohne Anhörung, ein klarer Rechtsbruch.
Was, wenn Trump nun das Urteil des Obersten Gerichtshofes ignoriert? "Wenn wir an diesen Punkt kommen", meint Mark Greenblatt, "dann haben wir eine Verfassungskrise, dann überschreitet er den Rubikon, wie einst Julius Cäsar."
Emily Haber | Ehem. Deutsche Botschafterin in den USA
Bilanz nach 100 Tagen: Trump nutze „die Hebelwirkung des Chaos“, um so Angriffe auf Institutionen und Strukturen zu legitimieren, sagt Emily Haber, ehemalige deutsche Botschafterin in den USA.30.04.2025 | 5:10 min

Der selbsternannte Systemsprenger

Es würde Trump gefallen - Geschichte schreiben als mächtigster aller US-Präsidenten. Schon jetzt lässt er Geschichte umschreiben, von den Regierungswebseiten die Erwähnung von Sklaverei, Rassismus und Polizeigewalt entfernen.
Sogar die Kultur will er säubern - ein imperialer Hauch wehte durch den Saal, als er im April die Leitung des Kennedy Centers in Washington übernahm. In der Weltpolitik sorgt der selbsternannte Systemsprenger derweil mit seinen Strafzöllen für Chaos und stellt die regel- und wertebasierte Weltordnung in Frage.
Logisitikunternehmen
Die Zollpolitik von US – Präsident Trump veranlasst deutsche Unternehmen dazu, alternative Absatzmärkte zu suchen. Die BLG Group in Bremerhaven verhandelt bereits mit neuen Handelspartnern. 29.04.2025 | 1:45 min
Das kleine Panama setzte er so unter Druck, dass Präsident Molino nun US-Kriegsschiffe jederzeit vorrangig und kostenlos den Kanal durchfahren lässt. Amerikanische Soldaten sollen am Rand des so wichtigen Handelsweges stationiert werden.
"Jede Militärpräsenz der USA auf unserem Boden ist ein offener Bruch unserer Gesetze", sagt Graciela Dixon, einst Oberste Richterin von Panama, "sie verletzt außerdem die internationalen Abkommen zwischen beiden Ländern und den Neutralitätsvertrag."
Auch die Freifahrten für die US-Marine sind rechtswidrig, aber der Rest der Welt schweigt. Niemand stellt sich an die Seite des kleinen mittelamerikanischen Landes. Wenn man es Trump mit Panama so einfach macht, kann er es in Grönland und anderswo dann nicht genauso machen?
Vizepräsident JD Vance gestikuliert bei der Besichtigung der Weltraumbasis Pituffik
Inmitten des Streits um den von US-Präsident Trump erhobenen Gebietsanspruch auf Grönland besucht sein Stellvertreter JD Vance mit seiner Frau eine US-Militärbasis auf der Insel.28.03.2025 | 2:49 min

Trump auf der Seite Russlands

Nur einer wagte in den letzten Monaten im Oval Office die Widerrede. Bei seinem Besuch in Washington Ende Februar verweigerte Wolodymyr Selenskyj die Ehrerbietung und Unterwürfigkeit, die Trump von ihm verlangte. Der US-Präsident steht lieber auf der Seite des Täters, nicht der des Opfers. "Er gibt der Ukraine die Schuld für den Kriegsausbruch, nicht Russland. Das ist Präsident Putins Argument", meint Jake Sullivan im ZDF-Interview.
US President Donald Trump welcomes Ukrainian President Volodymyr Zelensky to the White House
Streit auf offener Bühne: Beim Treffen der Präsidenten Trump und Selenskyj kommt es zum Eklat. Trump wirft Selenskyj Undankbarkeit vor. Das Treffen endet vorzeitg. Und nun?28.02.2025 | 2:33 min
Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater unter Präsident Joe Biden fühlt sich an die Beschwichtigungspolitik von 1938 erinnert, als der britische Premierminister Neville Chamberlain dem deutschen Diktator Adolf Hitler Zugeständnisse machte, um einen Krieg zu verhindern. "Das jetzt ist noch dramatischer als Appeasement", so Sullivan.

Trump übernimmt die Perspektive und die Weltanschauung eines brutalen Diktators in Moskau, die aber nicht mit den Werten und Interessen der Vereinigten Staaten vereinbar sind.

Jake Sullivan, ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater

SGS Brühl Coerper Hayali
Trump krempelt die Sicherheitspolitik der USA radikal um. Was das für den Kreml und die Ukraine bedeutet, ordnen die ZDF-Korrespondenten Armin Coerper und Anne Brühl ein.14.02.2025 | 3:49 min

Proteste gegen die Politik von Donald Trump

Immerhin wächst der Widerstand. Immer mehr Menschen demonstrieren. Trumps Umfragewerte sind auf dem niedrigsten Stand, die ein Präsident seit dem zweiten Weltkrieg nach 100 Tagen im Amt zu verzeichnen hatte. Doch trotz einer drohenden Rezession glauben viele Trump-Wähler immer noch an sein Versprechen vom goldenen Zeitalter.
"Er dehnt die Regeln vielleicht ein bisschen, wie es andere vorher nicht gemacht haben, aber er hat die Grenze nicht überschritten", meint Carrie Hahn. Wir treffen die stellvertretende Parteivorsitzende der Republikaner in New Castle, Pennsylvania. "Manchmal braucht man einen harten Anführer", so Hahn, "harte Eltern, harte Liebe. Du musst die Kinder erziehen. Manchmal ist das nicht besonders nett."
Demonstranten versammeln sich während des Aktionstages gegen die Trump-Regierung vor dem State Capitol in Harrisburg
Landesweit demonstrieren Menschen in den USA gegen Präsident Trumps Kurs. Viele fürchten um die Demokratie.20.04.2025 | 1:28 min
In New Castle lebt ein Viertel der 22.000 Einwohner unter der Armutsgrenze. Manche hier sind wütend, aber nur wenige trauen sich, das so offen auszusprechen wie Debbie Haney, die wir am Rande eines Baseballspiels treffen: "Es ist krank, Honey, einfach nur krank."

Es scheint, dass Leute, die was ändern könnten, Angst haben, sich zu wehren, weil sie Vergeltung fürchten. Erwachsene Männer und Frauen schauen weg.

Debbie Haney, Einwohnerin von New Castle

Nach 100 Tagen Trump bleibt vor allem eines: Die Angst vor den nächsten 100 Tagen.

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Quelle: dpa

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