Die EU und die US-Sicherheitsstrategie:Was Trumps Kurs gegen Europa bedeutet
von Andreas Stamm, Brüssel
Die neue Sicherheitsstrategie der USA stutzt die ehemaligen engsten Verbündeten in Europa zum Problemfall. Und der Ton aus Washington wird von Tag zu Tag rauer.
Die US-Regierung hat in ihrem neuen Strategiepapier harte Vorwürfe gegen Europa erhoben. Wie reagiert Europa? Brüssel zwischen Empörung, Hilflosigkeit und Hoffnung.
10.12.2025 | 2:00 minUnd die mächtigste Person Europas ist … Trommelwirbel … Donald Trump. Schwarz auf weiß steht der US-Präsident an erster Stelle bei der Wahl der EU-Redaktion von "Politico", dem einflussreichen Nachrichtenportal, dessen Brüsseler Morgen-Newsletter etwa den Takt in Europas Hauptstadt mit vorgibt.
Die Wahl der 28 einflussreichsten Personen ist für die Brüsseler Bubble eigentlich ein Fest, doch für Europa diesmal ein Armutszeugnis. Im Interview rund um die Vergabe erklärt der US-Präsident, der Preisträger, nochmal seine Haltung gegenüber Europa:
Europa macht seine Arbeit in vielerlei Hinsicht nicht gut. Wir sprechen über die Ukraine. Sie reden, aber sie liefern keine Ergebnisse.
Donald Trump, US-Präsident
Und weiter: "Nun, Europa ist ein anderer Ort. Und wenn es so weitergeht wie bisher, wird Europa meiner Meinung nach nicht mehr existieren - viele dieser Länder werden keine lebensfähigen Länder mehr sein." Ihre Einwanderungspolitik sei eine Katastrophe. Sie würden verfallen. London und Paris seien abscheuliche Plätze geworden.
Europa wird zerstört. Deshalb unterstützte ich Politiker wie Viktor Orban.
Donald Trump, US-Präsident
Die US-Regierung greift in ihrer Sicherheitsstrategie Europa scharf an und stellt sogenannte patriotische Parteien als Hoffnungsträger dar. ZDFheute live analysiert, was das für Europa bedeutet.
08.12.2025 | 32:32 minOrban - der größte Paria in der EU-Hauptstadt, Putin-Freund und von nicht wenigen in Brüssel als der "Feind im eigenen Bett" beschrieben.
US-Sicherheitsstrategie: Nicht neu, aber offiziell
Friedrich Merz, Emmanuel Macron, Ursula von der Leyen, Giorgia Meloni, Mark Rutte, Keir Starmer - natürlich sind Europas Mächtige auf der "Politico"-Liste auch vertreten. Doch am Ende überstrahlt sie einer, der das Ende Europas, wie man es kennt, will. Und wer das nach den vergangenen Monaten, den Ereignissen seit Beginn der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump, noch brauchte, der hat es nun schriftlich, schwarz auf weiß, in den begleitenden Tönen und der neuesten Sicherheitsstrategie der US-Regierung.
Die aktuelle Strategie der USA malt Europa als Kontinent im Niedergang: Kritisiert werden Zensur, angeblicher Demokratie- und Werteverfall, niedrige Geburtenraten, Migration, Identitätsverlust. Kurz gesagt: Europa stehe vor einer "zivilisatorischen Krise", sei kein verlässlicher Partner mehr, sondern ein Problem. Deshalb fordert die Strategie, innerhalb Europas "Widerstand gegen den aktuellen Kurs" zu fördern, also die Unterstützung von rechten und rechtsextremen Parteien.
Dazu berichtete das amerikanische Fachmagazin "Defense" über eine längere, unveröffentlichte Fassung der Sicherheitsstrategie. Darin heiße es, die USA wollten mehr mit Österreich, Ungarn, Italien und Polen "arbeiten", mit dem Ziel, sie von der EU "wegzuziehen." In jedem Fall sollen "gleichgesinnte" Parteien, Intellektuelle, Kulturschaffende und Regierungen unterstützt werden.
Weber: "Dann sind wir nur der Bettvorleger für andere"
Für einen, der auch auf der "Politico"-Liste der einflussreichsten Europäer auftaucht, ist das ein Affront sondergleichen. Europas rechtsradikale und rechtspopulistische Parteien seien offensichtlich in Washington gern gesehen, sagt Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der Konservativen im Europaparlament.
Die Fronten zwischen den Mitte-Fraktionen im Europaparlament seien bereits "verhärtet", so Isabel Schaefers. Dass die EVP mit rechten Parteien für ein weniger strenges Lieferkettengesetz gestimmt habe, vertiefe die Gräben.
13.11.2025 | 1:48 minWeber ist als "Power Broker" innerhalb der größten Parlamentsfraktion immerhin Nummer 11 der Liste. "Es ist auch ziemlich logisch warum, weil die Rechten für ein gespaltenes Europa stehen, das sich aus Washington heraus leichter führen lässt." Wenn Europa geeint sei und mit einer Stimme spreche und den Nationalismus überwinde, dann spiele es im Klub der Großen.
Wenn wir den Populisten folgen, dann sind wir nur der Bettvorleger von anderen.
Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der Konservativen im Europaparlament
USA und EU: Entfremdung statt Partnerschaft
Dazu signalisieren die USA, dass Europa seine Verteidigung selbst stemmen müsse. Das Ende der US-Militär- und Sicherheitsgarantie. Europa spielt nur noch eine strategische Nebenrolle, was das grundlegende Ende der vertrauten transatlantischen Partnerschaft besiegeln könnte.
Doch was bleibt, ist die starke Abhängigkeit Europas vom militärischen Schutz der USA. Das mache uns erpressbar, erklären hinter den Kulissen im Europaviertel viele, die nicht namentlich genannt werden wollen. Man sei wirtschaftlich, politisch und militärisch gerade nicht auf Augenhöhe, was sich jetzt räche, da Amerika sich von Europa abwende.
Wir waren in den letzten Jahrzehnten naiv, wir sind blauäugig durch die Welt gegangen.
Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der Konservativen im Europaparlament
In der Wirtschaft habe man sich auf China verlassen, das werde schon funktionieren. Und beim Militär voll auf die USA. Beides löse sich gerade in Luft auf. "Wir stehen jetzt ziemlich alleine da in einer sehr, sehr kalten Welt", so Weber.
Verglichen mit Trumps früherer Sicherheitsstrategie sei die neue stark ideologisch geprägt. Washington-Korrespondent David Sauer sieht ein "massives Eingreifen in innere Angelegenheiten" Europas.
08.12.2025 | 5:06 minWas nun, Europa?
Europa müsse nun seinen eigenen Weg finden, in einer schwierigen Position der Noch-Abhängigkeit, vor allem militärisch von den USA, erklären Experten in den Brüsseler Denkfabriken.
Wir können dieser Regierung nicht vertrauen. Das ist ganz klar.
Jacob Funk Kirkegaard, Außenpolitikexperte der Denkfabrik Bruegel
Jacob Funk Kirkegaard, Außenpolitikexperte bei der Denkfabrik Bruegel erklärt weiter: "Und wir können ganz sicher keiner Republikanischen Partei vertrauen, die in naher Zukunft möglicherweise von jemandem wie Vizepräsident J.D. Vance geführt wird."
Denn die Hoffnung, dass nach Trump alles wieder gut werde, so wie früher, das könne keine Handlungsanweisung mehr sein. Sich militärisch, politisch und wirtschaftlich unabhängig machen, wieder stark machen, das ist nun das erklärte Ziel in Brüssel. Was schmerzhaft werden könnte, lange dauern dürfte, und bei dem nicht sicher sei, ob es gelingen kann. Sonst aber werde Europa wirklich zerstört, nämlich das, was seit dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde.
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