Friedensforscher: Europäer müssen "die Schwäche Trumps ausbügeln"

Interview

Friedensforscher zu Ukraine :Europäer müssen "die Schwäche Trumps ausbügeln"

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Mit einer Delegation europäischer Verbündeter reist der ukrainische Präsident Selenskyj in die USA. Welche Taktik nötig ist, erklärt Friedensforscher Bonacker im Interview.

Thorsten Bonacker
Nach dem Trump-Putin-Gipfel stecken die Ukraine und die Verbündeten den Kurs für ihr Treffen mit dem US-Präsidenten ab. Sie müssten Einheit zeigen, so Friedensforscher Bonacker. 17.08.2025 | 16:20 min
US-Präsident Donald Trump inszeniert sich als Friedensvermittler - sein Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Alaska endete allerdings ohne Deal. Wie es weitergeht, darüber will Trump nun mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sprechen. Der reist am Montag nach Washington.
Diesmal allerdings nicht allein. Eine Delegation europäischer Verbündeter wird ihn begleiten. Darunter Bundeskanzler Friedrich Merz, Nato-Generalsekretär Mark Rutte und auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Keir Starmer (l-r), Premierminister von Großbritannien, Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Donald Tusk, Ministerpräsident von Polen,
Die Koalition der Willigen tagt per Video-Schalte zur Lage in der Ukraine. Das Gespräch gilt als Reaktion auf das jüngste Treffen zwischen Trump und Putin.17.08.2025 | 0:23 min
Schon heute trifft sich die sogenannte "Koalition der Willigen" in einer Videoschalte, um den Kurs abzustimmen. Die Europäer müssten ein klares Signal der Einigkeit senden, erklärt Friedens- und Konfliktforscher Professor Thorsten Bonacker im Interview mit ZDFheute live. Die Zeitenwende sei zwar schon ausgerufen worden. Im Rückblick werde man aber sagen können, das Treffen sei "das letzte Signal für diese Zeitenwende."
Sehen Sie das ganze Interview mit Thorsten Bonacker oben im Video oder lesen Sie es nachfolgend in Auszügen. Das sagt Bonacker zu...

... dem Gipfel von Trump und Putin in Alaska

Die Bilder von Trumps Treffen mit dem russischen Präsidenten Putin seien "schwer verdaulich". Vor allem, wenn man sie in Kontrast zu denen von Trumps früherem Treffen mit Präsident Selenskyj im Weißen Haus setze, so Bonacker. Dieser Eklat sei symbolisch "auf der anderen Seite" anzuordnen: Trump habe Putin mit allen Ehren empfangen. Genauso positiv sei es in Russland aufgenommen worden.

Symbolisch war das ein Akt der Anerkennung, der Anerkennung auf Augenhöhe.

Thorsten Bonacker, Friedens- und Konfliktforscher

Das Hauptsignal des Gipfels sei aber gar nicht an die Ukraine gerichtet, erklärt Bonacker. Auch nicht an Russland. Es richte sich an Europa. Trump habe mit seiner Haltung sehr deutlich gemacht, "dass die Europäer am Zug sind". Es sei jetzt an Europa, für die zukünftige Sicherheit der Ukraine zu sorgen.
ZDF-Reporter Wulf Schmiese.
In Alaska haben sich Trump und Putin zu einem Gipfel getroffen, um über den Krieg in der Ukraine zu sprechen. Wie Bundeskanzler Merz den Gipfel bewertet, berichtet Wulf Schmiese.16.08.2025 | 1:09 min
Trump zeige, dass die USA eher daran interessiert seien, Deals abzuwickeln. Gegebenenfalls seien sie auch an Bord in Bezug auf Sicherheitsinteressen. "Aber auf dem Fahrersitz einer Friedensmission oder etwaiger Sicherheitsgarantien sehen die USA die EU oder Europa", sagt Bonacker.

Das hier war das letzte Signal für die Zeitenwende.

Thorsten Bonacker, Friedens- und Konfliktforscher

Trump erhöhe den Druck auf Europa massiv. Wenn es Kiews Verbündeten jetzt nicht gelinge, diese Rolle einzunehmen und die Verantwortung anzunehmen, "dann dürfte es zu spät gewesen sein", resümiert Bonacker.

... zur Position und Aufgabe der Europäer im Ukraine-Krieg

Dass eine Gruppe von Verbündeten Präsident Selenskyj nach Washington begleitet, sei ein gutes Zeichen, meint der Friedensforscher. Das zeige "den Schulterschluss mit der Ukraine noch einmal in aller Deutlichkeit". Es nehme auch vorweg, was in Zukunft noch stärker hervortreten müsse: Einigkeit innerhalb der Europäischen Union.

Unter der Koalition der Willigen muss es jetzt wirklich einen sehr, sehr starken Zusammenhalt geben.

Thorsten Bonacker, Friedens- und Konfliktforscher

Eine gemeinsame Linie ist wohl auch vor einem anderen Hintergrund wichtig - Bonacker verweist auf eine weitere "verhängnisvolle Botschaft" des Gipfels.
Denn Trumps Haltung im Vorfeld hätte von Putin als Schwäche gewertet werden können. Und wenn ein militärischer Angreifer Schwäche wittere, dann "setzt er seine Angriffe fort, meistens intensiviert er sie sogar". Das könne man historisch belegen. Und deswegen sei die europäische Reaktion so wichtig - sie müsse "die Schwäche Trumps ausbügeln".
Die Europäer müssten kompensieren, dass Trump eigentlich fast alle Karten aus der Hand gegeben habe gegenüber Putin. Das wisse Putin, er sei ein "geschickter Verhandler", sagt Bonacker.
ZDF-Reporterin Anne Brühl.
Trump und Putin haben sich in Alaska getroffen, um über den Krieg in der Ukraine zu sprechen. Was der Gipfelverlauf für die Ukraine bedeutet, berichtet ZDF-Reporterin Anne Brühl.16.08.2025 | 1:01 min

... zu Trumps Kurs nach dem Alaska-Gipfel mit Putin

Nach dem Gipfel sprach Putin dann von einem "Friedensabkommen". Für Bonacker ist das zunächst eher eine Worthülse. Historisch betrachtet sei es sehr unüblich und auch sehr unwahrscheinlich, dass ein Frieden zwischen Konfliktparteien mit einem Abkommen beginnt.
"In der Regel beginnt es mit einem Waffenstillstand", erklärt Bonacker. Der werde überprüft, daraus Vertrauen geschöpft und wenn alle Seiten genügend Vertrauen aufgebaut hätten, dann wäre der nächste Schritt ein umfassendes Friedensabkommen.
Nach dem mit Spannung erwarteten Treffen zwischen den Präsidenten Trump und Putin ist klar: eine schnelle Einigung zu Russlands Angriffskrieg in der Ukraine wird es nicht geben.
Nach dem mit Spannung erwarteten Treffen zwischen den Präsidenten Trump und Putin ist klar: eine schnelle Einigung zu Russlands Angriffskrieg in der Ukraine wird es nicht geben.16.08.2025 | 2:52 min
Die Verantwortung dafür sieht Trump bei Europa und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Das müsse auch innenpolitisch eingeordnet werden, erläutert Bonacker. Denn der Krieg und die Unterstützung für Kiew seien bei Trumps Wählern sehr unbeliebt. Mit all seinen Äußerungen wolle Trump zeigen, dass er sich international bemühe.
Wenn die Europäer es aber "nicht auf die Reihe kriegen", dann sei das nicht seine Verantwortung. Das sei Trumps simple Botschaft, so Bonacker.
Das Interview führte Moderator Christian Hoch bei ZDFheute live. Ausgewertet wurde es von Michèle Mertes.
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