Präsident Nawrocki bei Trump:Polen: Alarm in der Außenpolitik?
Polens neuer Staatspräsident ist in Washington. Beim Ukraine-Gipfel mit Trump war er nicht dabei. Wie sich innenpolitische Sticheleien auf die polnische Außenpolitik auswirken.
Es besteht die Gefahr, dass sich Polens Staatspräsident Nawrocki von Europa abwendet und stattdessen die Freundschaft mit Donald Trump sucht.
Quelle: epaMan stelle sich vor, Bundeskanzler Friedrich Merz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würden sich vor laufender Kamera offen gegenseitig mit Sticheleien überziehen. Was in Deutschland kaum vorstellbar ist, ist zwischen Polens Staatspräsident Karol Nawrocki und Ministerpräsident Donald Tusk gang und gäbe. So war es beispielsweise zu Beginn der Kabinettsitzung bei Nawrocki letzte Woche. Als ob der im Juni beendete Wahlkampf noch weiter ginge. Der rechtsnationale Nawrocki ist seit August im Amt. Und er macht das Leben der Koalitionsregierung von Tusk alles andere als leicht. Im Inland wie im Ausland.
In Polen hat die Vereidigung des neuen Staatspräsidenten Karol Nawrocki stattgefunden. Er bildet eine starke Gegenposition zur Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk.
06.08.2025 | 2:15 minTusk und Nawrocki: Gleiche Nationalfarben, andere Interessen?
Die beiden Polen an der Macht stammen aus Danzig. Beide sind Historiker. Beide lieben Fußball. Aber was theoretisch ein gutes Team ausmacht, hat mit der politischen Realität in Warschau nichts zu tun. Statt zusammenzuarbeiten, spielen Tusk und Nawrocki gegeneinander. Nawrocki wünscht sich, dass die derzeitige Regierung stürzt und die PiS-Partei von Jaroslaw Kaczynski wieder an die Macht kommt. Und das Ganze in turbulenten Zeiten: Krieg in der Ukraine, Migrationskrise und wachsende Spannung zwischen der EU und den USA. Geht der Streit auf Kosten der internationalen Rolle Polens?
Mariusz Janicki von der polnischen Wochenzeitung "Polityka" schreibt: "Es ist eine Geschichte, die sich live abspielt, in der man sich schnell orientieren muss und sich nicht vor den Augen der europäischen Partner streitet."
In Polen ist jedoch am wichtigsten, wer wen im Kampf der Parteien grillt, unterdrückt und plattmacht.
Mariusz Janicki, "Polityka" stellvertretender Chefredakteur
Substanziell ist der Streit tatsächlich schwierig zu verstehen, denn: Für alle politischen Kräfte in Polen ist das militärische Bündnis mit den USA enorm wichtig und keiner plant, Friedenstruppen in die Ukraine zu schicken.
Der Rechtsnationalist Karol Nawrocki ist als Präsident von Polen vereidigt worden. Er werde die Stimme derjenigen sein, "die ein souveränes Polen wollen", verkündete Nawrocki.
06.08.2025 | 0:22 minAntrittsbesuch von Staatspräsident Nawrocki in Washington
Für die Außenpolitik Polens ist die polnische Regierung zuständig. Bei den Treffen mit Staatspräsidenten wie in den USA wird aber der polnische Präsident gefragt. So war es auch unter Biden oder Obama. Tusk ist kein Trump-Fan. Nawrocki hingegen schon. Sein Highlight im Wahlkampf war das Foto mit Trump im Oval Office. Und nun unternimmt Nawrocki seine erste Auslandsreise nach Washington.
In einem Interview mit der Wochenzeitung "Sieci" sprach sein Büroleiter für Außenpolitik über die Ziele des Besuchs, darunter Rüstungsverträge, deren Erfüllung käme "leider manchmal aufgrund der Schuld der Regierung nur schleppend voran".
Wir haben wirklich keine Zeit, wir müssen Russland schon heute abschrecken.
Marcin Przydacz, Kanzlei des polnischen Präsidenten Karol Nawrocki
Die oppositionelle PiS lobt die Trump-Nawrocki Beziehungen. Die Liberalen bleiben skeptisch. Der polnische Außenminister wollte in Washington dabei sein. Nawrocki nahm aber keinen Vertreter des Außenministeriums mit.
Eines ist sicher: Der Präsident weiß von der Regierung genau, was Polen von diesem Besuch erwartet.
Donald Tusk, Ministerpräsident Polen
Tusk und Nawrocki hatten diesmal ein Vier-Augen Gespräch vor dem Trump-Besuch. So ein Gespräch fehlte offensichtlich im August.
Polens pro-europäische Regierung um Donald Tusk hat eine Vertrauensabstimmung im Parlament gewonnen. Mit dem neuen Präsidenten Nawrocki bahnen sich jedoch Konflikte an.
11.06.2025 | 2:42 minUkraine-Gipfel ohne Polen
Es war ein trauriges Bild für viele in Polen und hinterließ ein Fragezeichen im Ausland: der Friedensgipfel zur Ukraine in Washington. An Trumps Tisch saßen neben dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Vertreter aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und sogar Finnland, aber niemand aus Polen, immerhin Nato-Frontstaat. Ein Land, das bei den westlichen Rüstungslieferungen eine Kernrolle spielt und mehr als eine Million Ukrainer aufgenommen hat. Bis heute ist unklar, wer hinsollte, beziehungsweise ob Polen überhaupt eingeladen war. Die Kanzleien von Tusk und Nawrocki beschuldigen sich gegenseitig. "Geben wir dem Präsidenten etwas Zeit", appellierte nicht ohne Ironie Donald Tusk. "Der Regierung fehlen die Kontakte bei Trump", so das Nawrocki-Lager.
Tusk bei Treffen der "Koalition der Willigen"
Am Donnerstag trifft sich die "Koalition der Willigen" in Paris. Dahin fährt Tusk. Und so bekommt Polen innerhalb einer Woche zwei konkurrierende Gesichter in der Außenpolitik. Tusk ist erfahren und im Ausland anerkannt, aber der ehrgeizige Neuling Nawrocki lässt sich nicht belehren. Wenn die polnischen Top-Politiker weiter gegeneinander arbeiten, könnte es dazu führen, dass Polen in den "internationalen Spielen" auf der Auswechselbank landet.
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