Polens neuer Präsident Nawrocki:Vom Hooligan zum Staatsmann - geht das?
von Natalie Steger
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Karol Nawrocki, der Kandidat von PiS-Chef Kaczynski, zieht in den Präsidentenpalast ein und wird zum Gegenspieler des Ministerpräsidenten. Was kommt nun auf Polen zu?
Der Rechtsnationalist Karol Nawrocki ist als Präsident von Polen vereidigt worden. Er werde die Stimme derjenigen sein, "die ein souveränes Polen wollen", verkündete Nawrocki.06.08.2025 | 0:22 min
Karol Nawrocki, Historiker, war zuletzt Leiter des Instituts für Nationales Gedenken. Für seine Kritiker ist er ein Mann mit unklarer Vergangenheit. Kontakte ins Rotlichtmilieu wurden ihm nachgesagt, dass er einst an einer verabredeten Hooligan-Schlägerei teilgenommen hatte, leugnet er nicht.
All dies hatte dem 42-Jährigen im Wahlkampf nicht geschadet. Er überzeugte die knappe Mehrheit der Wählerschaft mit seinem erzkonservativem Programm.
Ich will keine illegalen Immigranten, die mit einem Messer rumlaufen, auf dem Spielplatz, wo meine Kinder spielen. Ich bin dagegen.
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Karol Nawrocki, im Wahlkampf
Mit Karol Nawrocki hat Polen einen rechtsnationalen Historiker zum neuen Präsidenten gewählt. Er dürfte den pro-europäischen Kurs der Regierung Tusk nun verstärkt blockieren.02.06.2025 | 2:40 min
Nawrocki sieht Deutschland und EU als Gegner
Auch wenn sein Tonfall womöglich weniger scharf sein wird, seine Haltung ist klar. Berlin und Brüssel sieht er als Gegner, Washington unter Führung von Donald Trump als größten Verbündeten. Er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit das Thema Reparationsforderung von Deutschland regelmäßig bespielen, um Stimmung zu machen. Die liberalkonservative Regierung von Donald Tusk vermeidet das Thema zumeist.
Eine Vertiefung der europäischen Integration lehnt Nawrocki ab, verbittet sich jede Einmischung.
Damit es keinen Krieg gibt, müssen wir uns bewaffnen und nicht auf Ursula von der Leyen hören und ihre Ideen zur Sicherheit in Polen.
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Karol Nawrocki, im Wahlkampf
Der rechtskonservative Kandidat Karol Nawrocki hat die Präsidentenwahl in Polen knapp für sich entschieden. „Insgesamt bliebt abzuwarten, ob Nawrocki als Präsident genauso agiert wie im Wahlkampf“, so ZDF-Korrespondentin Natalie Steger. 02.06.2025 | 2:43 min
Konfrontation zwischen Nawrocki und Tusk
Sein Einzug in den Präsidentenpalast in Warschau wird auch der Beginn der großen Konfrontation zweier Männer - Nawrocki gegen Polens liberalkonservativen Regierungschef Tusk.
Europapolitik etwa ist im Grunde Regierungspolitik und nicht Sache des Staatspräsidenten. Aber letzterer hat Veto-Recht und kann damit jedes Gesetz der Regierung von Ministerpräsident Tusk blockieren. "Donald Tusk braucht den Präsidenten", so Joanna Stolarek, Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Polen, "um bestimmte Gesetze zu vollziehen, die auf europäischer Ebene wichtig sind. Sei es beim Thema Migration, sei es beim Thema der Reform der Rechtsstaatlichkeit."
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht Polen nach der Präsidentenwahl "tief gespalten". Die Unterstützung der Ukraine gegen Russland sei aber "nicht in Gefahr".
von Jan Schneider
Exklusiv
Nawrocki könnte Regierungsarbeit untergraben
Ein künftiger nationalkonservativer Präsident Nawrocki dürfte das Vetorecht des Präsidenten noch häufiger nutzen als es sein Vorgänger, ebenfalls ein Mann von Kaczynskis Gnaden, tat, erklärt Politikwissenschaftler Piotr Buras. Sein erklärtes Ziel sei es, die Regierung Tusk zum Sturz zu bringen.
Er könnte, so Buras, die Arbeit der Regierung unterminieren und Konflikte in der Öffentlichkeit schüren, um die Regierung zu schwächen.
Ich habe keinen Zweifel daran, dass Herr Nawrocki, sobald er Präsident ist, alles tun wird, um, salopp gesagt, zu stören.
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Donald Tusk, Ministerpräsident Polen
Vor allem das Thema Migration belastete zuletzt das deutsch-polnische Verhältnis.21.07.2025 | 2:41 min
Tusk auf Anti-PiS-Kurs
Tusk hatte fast zwei Jahre lang gehofft, seinen Mann in den Präsidentenpalast zu bringen, und endlich Wahlversprechen umsetzen zu können. Die Lockerung des Abtreibungsrechts etwa, Aufarbeitung des Umbaus von Polen durch die PiS-Vorgängerregierung.
Tusk hat zuletzt sein Kabinett umgebildet und es schärfer auf Anti-PiS-Kurs gebracht, inklusive neuer Justizminister, einst vor der PiS getriezt, heute wohl mit dem Aufräumen innerhalb der politisierten Justiz beauftragt. Denn: Viele der Wähler von Tusks Regierungskoalition aus Konservativen, Liberalen und Linken sind enttäuscht.
Dann werden sich vor allem die kleineren Parteien neu orientieren und ihre Profile schärfen müssen. Dann kann es auch schon 2026 zum Koalitionsbruch kommen.
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Piotr Buras, Politikwissenschaftler
Eine europäische Zusammenarbeit mit dem neuen polnischen Präsidenten Nawrocki könnte kompliziert werden, befürchtet die Vizepräsidentin des EU-Parlaments Katharina Barley. 02.06.2025 | 4:10 min
PiS wurde in Opposition einflussreicher
Die nächsten Parlamentswahlen sind für Herbst 2027 geplant. Vorzeitige Wahlen bedeuteten Stand jetzt den politischen Untergang der jetzigen Regierung. Denn: die PiS ist in der Opposition nicht schwächer geworden. Wenn sie mit den Rechtsextremen koalierte, mit denen Nawrocki übrigens offen flirtet, würde es für die PiS für die Regierungsmacht reichen. Dann mit einem ihr gewogenen Präsidenten.
Bis auf den Joker Vetorecht bestimmt Präsident Nawrocki nicht die Regierungspolitik. Doch seine Macht ist: Stimmung zu machen gegen die Regierung.
Natalie Steger leitete das ZDF-Studio Warschau. Mitarbeit: Roman Krysztofiak