Polen und seine starke Wirtschaft: Europas Aufsteiger

Wichtiger Handelspartner :Polen: Europas wirtschaftlicher Aufsteiger

Klaus Weber
von Klaus Weber
|

Unser Nachbarland boomt. In Deutschland bekommt das kaum jemand mit. Dabei sind die wirtschaftlichen Beziehungen zu Polen besonders eng.

Die Skyline von Warschau bei Dämmerung.
Am Sonntag wird in Polen per Stichwahl entschieden, wer neuer Präsident des Landes wird. 31.05.2025 | 1:45 min
Die Deutschen sitzen manchmal gern auf einem hohen Ross, wenn es darum geht, die Arbeitsleistungen anderer europäischer Staaten zu bewerten. So wurde auch der Begriff "polnische Wirtschaft" über viele Jahre abwertend und herabwürdigend gegenüber unserem Nachbarland verwendet. Doch wer das heutzutage noch glaubt, ist mächtig auf dem Holzweg. Inzwischen sollte es eigentlich eher an der Zeit sein, voller Bewunderung auf die Polen und deren Wirtschaftsleistung zu schauen.

Polens Wirtschaft wächst enorm

Jahr für Jahr liefert Polen nämlich Wirtschaftsdaten, bei denen man in Deutschland abwechselnd entweder neidisch oder rot werden kann. "Das reale BIP in Polen in den letzten drei Dekaden hat sich mehr als verdreifacht. Polen hatte ein reales Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 3,8 Prozent pro Jahr, während die durchschnittliche Wachstumsrate in Deutschland nur bei 1,3 Prozent lag", erklärt Thomas Obst vom Institut der deutschen Wirtschaft.
Zudem steckt Polen aktuell nicht etwa in einer Rezession, sondern wächst kräftig weiter. Eine "einzigartige Erfolgsgeschichte" sei das, meint Obst weiter, aber in Deutschland würde das immer noch nicht ausreichend anerkannt: "Polen ist aus meiner Sicht der übersehene Nachbar im Osten."
Stichwahl in Polen: "Stimmung gespalten"
"Die Hälfte der Polen möchte, dass der liberalkonservative Regierungschef seinen Kurs durchziehen kann", die andere Hälfte wolle ein Gegengewicht, so ZDF-Korrespondentin Natalie Steger zur Stichwahl aus Warschau.30.05.2025 | 3:57 min

Reger Handel mit Deutschland

Dabei wird auch die gegenseitige wirtschaftliche Bedeutung immer größer. "Deutschland ist stabil und unangefochten wichtigster Handelspartner Polens mit einem Anteil von 27,1 Prozent. Polen hat in den letzten zehn Jahren seine Bedeutung im Ranking der Handelspartner enorm steigern können und liegt nun bei Import und Export auf Platz vier", sagt Carolina Zawada, Sprecherin der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer (AHK Polen).
Vor allem, dass Polen bei den deutschen Exporten auf Platz vier landete und damit China überholte, ist bemerkenswert. So machte bereits die Redewendung "Polen ist das neue China" die Runde. In Zahlen bedeutete das: Waren im Wert von 93 Milliarden Euro gingen nach Polen und nur für 90 Milliarden Euro nach China. Insgesamt ist Polen inzwischen die sechstgrößte Volkswirtschaft der EU.
Eine Angestellte verpackt in einer Bekleidungsfabrik in Guangzhou Kleidungsstücke für das chinesische Unternehmen Temu
USA und China haben ihren Handelsstreit entschärft und ihre Zölle gesenkt. Doch Chinas Exportwirtschaft bleibt unsicher.28.05.2025 | 6:29 min

Polen kommen EU-Gelder zugute

Zur Wahrheit gehört allerdings dazu, dass Polen der größte Nettoempfänger der Europäischen Union ist. Aber Polen hat das genutzt und etwas aus den Brüsseler Milliarden gemacht. Es baut beispielsweise weiter die Verkehrsinfrastruktur aus; speziell das Schienennetz. Auch hiervon profitieren deutsche Unternehmen.
6.000 deutsche Investoren zählt die deutsch-polnische Auslandshandelskammer in Warschau, 19,5 Prozent aller ausländischen Direktinvestitionen in Polen stammen von deutschen Geldgebern.
Die Ursachen liegen für Thomas Obst auf der Hand: "Polen hat gut ausgebildete Arbeitskräfte. Kombiniert mit geringen Arbeitskosten und der liberalen Arbeitsmarktpolitik hat dies ausländische Firmen angelockt, ihre arbeitsintensiven Fertigungsschritte nach Polen auszulagern."
Die beiden Kandidaten zur Präsidentschaftsstichwahl in Polen. Links ist der pro-europäische Trzaskowski, rechts ist der konservative
Das Ergebnis der kommenden Präsidentschaftsstichwahl ist auch wichtig für Deutschland und die EU. 25.05.2025 | 1:29 min

Im Energiesektor noch Luft nach oben

Besonders viel gegenseitigen Austausch gibt es zwischen beiden Ländern im Maschinenbau, Automobilbereich oder der Haushaltselektronik. Polen importiert aber auch viel Energietechnik, wie etwa Windkraftturbinen, aus Deutschland. Denn der Energiesektor ist eine Achillesferse der polnischen Wirtschaft. "Die Energieproduktion ist immer noch sehr auf fossile Energieträger angewiesen. Die hohen Energiepreise haben auch die polnische Industrieproduktion in eine Schwächephase gebracht", sagt Thomas Obst. Polen gebe "zu wenig für Forschung und Entwicklung aus" und müsse "zunehmend die grüne Transformation angehen sowie das Investitionsklima verbessern".
Außerdem steht Polen vor ähnlichen demografischen Herausforderungen wie Deutschland. Dies könnte zu Fachkräfteengpässen führen, denn weiterhin verlassen auch viele gut ausgebildete Arbeitskräfte das Land. Doch die Polen versuchen diese Probleme auf einem anderen Wege auszugleichen. "Die jährlichen Arbeitsstunden liegen 268 Stunden über denen der Deutschen", sagt Thomas Obst. Das alles sollte ein Grund sein, den Begriff "polnische Wirtschaft" künftig in einem anderen Licht zu betrachten.

Mehr Nachrichten aus Polen