Polen: Was der Nawrocki-Sieg für EU und Deutschland bedeutet
Analyse
Neuer Präsident gewählt:Was der Nawrocki-Sieg in Polen bedeutet
von Lukasz Galkowski
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Der nationalkonservative Nawrocki hat die Präsidentenwahl in Polen gewonnen. Was bedeutet das für die Beziehungen zur EU, zu Deutschland und für die Zukunft der Tusk-Regierung?
Mit "Polen zuerst" siegt der rechtsnationale Nawrocki knapp gegen Tschaskowski. Der EU-Skeptiker könnte zum mächtigen Gegenspieler der pro-europäischen Regierung werden.02.06.2025 | 1:41 min
EU-Kritiker, Trump-Fan, nationalkonservativ: Karol Nawrocki löst in zwei Monaten den ebenfalls PiS-nahen Andrzej Duda im polnischen Präsidentenpalast ab. Für den liberal-konservativen Regierungschef Donald Tusk zerschlugen sich damit die Hoffnungen auf mehr Kooperation mit dem Staatsoberhaupt: Sein Parteikollege Rafał Trzaskowski von der Bürgerplattform PO unterlag Nawrocki in der Stichwahl knapp mit 50,89 zu 49,11 Prozent.
"Mit Nawrocki wird es definitiv nicht einfacher für Ursula von der Leyen, hier in Polen ihre politische Agenda durchzusetzen", sagte Ulf Röller in Brüssel.02.06.2025 | 1:08 min
Polen - ein gespaltenes Land
Das Ergebnis zeigt, wie gespalten das Land ist und das zu fast gleich großen Teilen: Der Westen und die Frauen wählten eher Trzaskowski, der Osten und die Männer Nawrocki. Auch die vergangenen beiden Präsidentschaftswahlen gingen denkbar knapp aus: Andrzej Duda gewann 2020 mit 51,03 Prozent gegen Trzaskowski, 2015 mit 51,55 Prozent gegen den PO-Kandidaten Bronisław Komorowski.
Heißt: Die Hälfte der Polen wünscht sich ein offenes, EU-freundliches Land, die andere Hälfte sieht eher im Nationalen die Lösung der Probleme. Die beiden Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber, Emotionen dominieren oft die Inhalte, Chancen auf Kooperation gibt es keine.
Die Kandidaten ändern sich, aber eins ändert sich nicht: Aus jeder weiteren Wahl gehen wir immer tiefer gespalten hervor.
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Antoni Dudek, Politologe
50,89 Prozent der Polinnen und Polen haben Karol Nawrocki zum neuen Präsidenten gewählt: Er ist der national-konservative Wunschkandidat der Vorgänger-Regierung PiS.02.06.2025 | 1:26 min
Was passiert mit der Tusk-Regierung?
Als Donald Tusk im Oktober 2023 die Parlamentswahl gewann, keimten in dem liberalen, pro-europäischen Lager Hoffnungen auf Reformen nach acht Jahren Regierungszeit der nationalkonservativen PiS-Partei auf. Doch die Wähler wurden schnell desillusioniert: Die Reformen scheiterten entweder an einer Uneinigkeit innerhalb der recht heterogenen Koalition oder an einer fehlenden Unterschrift des Präsidenten Duda.
Mit Trzaskowski als neuem Staatsoberhaupt hätte die Tusk-Regierung keine Ausreden mehr gehabt, warum sie den Wählerwillen etwa nach einer Liberalisierung des strengen Abtreibungsrechts nicht verwirklichen kann. Mit Nawrocki im Warschauer Präsidentenpalast droht weiter politischer Stillstand.
Gespräch mit Joanna Maria Stolarek über die Spaltung der Gesellschaft, die Bedeutung des Wahlergebnisses für die Zukunft und das Verhältnis zur EU und der Ukraine.02.06.2025 | 3:06 min
Die Politologin Agnieszka Łada-Konefał sagt im Gespräch mit ZDFheute:
Der Sieg von Nawrocki könnte auf nicht allzu lange Sicht zu einer Dekonsolidierung der derzeitigen Regierungskoalition führen.
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Agnieszka Łada-Konefał, Politologin am Deutschen Polen-Institut
Sollte die Koalition bis 2027 halten, heißt es trotzdem: "Wenn Tusk seine Wähler enttäuscht, dann könnte das den Weg zurück zur Regierungsmacht für die PiS ebnen", sagt Natalie Steger, ZDF-Studioleiterin in Warschau. Dann wäre Polen mit Nawrocki im Präsidentenpalast und einer von der PiS angeführten Regierung zurück auf einem nationalkonservativen Kurs.
Der Rechtskonservative Karol Nawrocki hat die Präsidentschaftswahl in Polen knapp gewonnen. Wie ist die Stimmung am Tag nach der Wahl? Natalie Steger, Leiterin ZDF-Studio Warschau, berichtet.02.06.2025 | 7:02 min
Schwieriger Partner für Deutschland und EU
Nawrocki setzt auf das Prinzip "Polen first" - er will den Migrationspakt kündigen, lehnt den "Green Deal" und die Idee einer europäischen Armee ab. Zwar ist in erster Linie die Regierung für die Außenpolitik zuständig, allerdings ratifiziert der Präsident internationale Verträge.
Der Soziologe Andrzej Rychard sagt ZDFheute:
Der Sieg von Nawrocki entfernt Polen von einer Annäherung an die Gruppe der bedeutenden Länder in der Europäischen Union, und Polen hat das Potential dazu.
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Andrzej Rychard, Soziologe an der Polnischen Akademie der Wissenschaften
Nawrocki kann die pro-europäische Tusk-Regierung auch durch sein Veto-Recht immer wieder ausbremsen - etwa bei dem Versuch, die Justizreformen wieder auf EU-Standards zu führen. "Für Donald Tusk bedeutet das, dass er seinen europafreundlichen Kurs nicht durchziehen kann", erklärt Natalie Steger.
Łada-Konefał betont im Gespräch mit ZDFheute zwar, dass die Europapolitik von der Regierung gesteuert wird.
Der Präsident kann diese Politik nur symbolisch begleiten, Akzente setzen, eher rhetorisch als ganz konkret. Natürlich kann der Präsident mit seiner Gesetzgebungsinitiative Gesetze in Polen beeinflussen wollen, aber momentan ist die Parlamentsmehrheit auf der liberalen Seite.
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Agnieszka Łada-Konefał, Politologin am Deutschen Polen-Institut
Man müsse aber berücksichtigen, dass der Präsident mit seinem Veto-Recht jedes Gesetz, also auch im Bezug auf die EU, scheitern lassen kann.
Die Politologin betont, dass für Deutschland und für Europa ein stabiles Polen wichtig sei.
Wenn in Polen politisches Chaos herrscht, wenn wir keine Stabilität im Land haben, dann hilft das auf EU-Ebene natürlich nicht.
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Agnieszka Łada-Konefał, Politologin am Deutschen Polen-Institut
"Das ist insoweit schwierig, weil die polnische Regierung sich eher mit der Innenpolitik beschäftigen wird und wird nicht den Spielraum, den Mut und die Energie haben, auf der EU-Ebene oder in deutsch-polnischen Beziehungen neue Initiativen zu starten." Gerade jetzt brauche Europa Polen aber mehr denn je. "Deshalb ist es schon eine ziemlich große Herausforderung für die europäische Union", sagt Łada-Konefał.
"Die Wahl von Nawrocki bedeutet, dass der Blockadekurs vom Präsidenten weitergeht. Tusk, der konservative Ministerpräsident kann seine Agenda nicht durchziehen", sagte Natalie Steeger in Warschau.02.06.2025 | 1:28 min
Nawrocki kein Ukraine-Enthusiast
Was von Nawrocki mit Blick auf die weitere politische und militärische Unterstützung der Ukraine durch Polen zu erwarten ist, ist noch etwas unklar. Er äußerte sich im Wahlkampf deutlich weniger enthusiastisch gegenüber Kiew, betonte aber, dass Russland den Krieg nicht gewinnen darf. "Das Thema Ukraine und die Sicherheit sind Themen, die nicht so sehr spalten. Nichtsdestotrotz hat sich Nawrocki im Wahlkampf antiukrainisch gezeigt", sagt Łada-Konefał mit Blick auf die Ukraine-Hilfen oder die Unterstützung für die ukrainischen Flüchtlinge im Land.
Aber auch in diesem Bereich seien das Regierungsentscheidungen. "Der Präsident kann rhetorisch und mit bestimmten Gesten die Arbeit der Regierung in dieser Hinsicht erschweren. Vieles ist davon abhängig, wie die internationale Gemeinschaft sich positioniert und wie die Vereinigten Staaten sich positionieren".
Auch für Deutschland dürfte Nawrocki ein schwieriger Partner werden. Im Wahlkampf forderte der Historiker immer wieder Reparationen für die Kriegsschäden im Zweiten Weltkrieg.
Polen rüstet auf, setzt auf Verteidigung und Abschreckung. Nicht nur das Militär bereitet sich vor, auch die Zivilgesellschaft trainiert für den Ernstfall.16.05.2025 | 21:08 min