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Achterbahn in Alberta:G7-Gipfel jetzt ohne Trump
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Der Krieg in Nahost ruft den US-Präsidenten Donald Trump zurück nach Washington. Zurück bleiben mit sechs düpierten Regierungschefs jede Menge offene Probleme.
Donald Trump verlässt den G7-Gipfel in Kanada vorzeitig. Der US-Präsident habe "viele wichtige Angelegenheiten" zu erledigen, teilte seine Sprecherin in Washington mit. Grund ist wohl der eskalierende Krieg zwischen Iran und Israel.
Wie so oft passt die Kulisse eines G7-Gipfels nicht zu seinen Inhalten. Mitten in den atemberaubend schönen Canadian Rocky Mountains sollte es darum gehen, Lösungen für verheerende Kriege zu finden, Anschub für eine schwächelnde Weltwirtschaft und um das positive Signal, die G7, der Zusammenschluss der reichsten demokratischen Industrienationen gehen die Probleme geschlossen an.
Trump legte gleich mit einem kleinen Eklat los. Es sei ein Fehler gewesen, Russland aus den damals noch G8 zu werfen, wiederholte er gleich zur Begrüßung durch den sichtlich konsternierten Gastgeber Mark Carney.
Gestern noch hatten der US-amerikanische und der russische Präsident miteinander telefoniert. Wladimir Putin soll sich dabei als Vermittler im Krieg zwischen Israel und Iran ins Spiel gebracht haben, was Trump für eine gute Idee hält. Friedrich Merz nicht. Der Kanzler wurde bei seinem Statement noch vor Gipfelbeginn sehr deutlich.
Putin soll erstmal seinen eigenen Krieg beenden.
Friedrich Merz, Bundeskanzler
Gipfel drohte zu Beginn aus dem Ruder zu laufen
Auf die Frage einer amerikanischen Journalistin, ob er auch fände, dass China in den Club gehöre, sagte Trump: I don't mind. Ist mir egal. Der kluge und diplomatisch versierte Carney befand es für besser zu schweigen.
Im Hintergrund aber wurden die Kanadier sehr nervös. Ihr mühevoll vorbereiteter Gipfel drohte schon gleich zu Beginn aus dem Ruder zu laufen. Alle erinnerten sich mit Schaudern an das letzte G7-Treffen in Kanada 2018, als Trump auf dem Rückweg seine Einwilligung zur Abschlusserklärung zurückzog.
Diesmal wird es vorsichtshalber erst gar keine Abschlusserklärung geben. Bestenfalls einzelne Communiques zu bestimmten Themen.
Kurzer Austausch zwischen Trump und Merz
Deutsche Regierungskreise hatten sich gestern noch sehr optimistisch gezeigt. Trump merke in der aktuellen Situation, mit all den internationalen Konflikten, der lahmenden Wirtschaft, und dem Widerstand, der langsam in den USA gegen ihn anwächst, dass er Verbündete brauche. Er hatte zur erkennbaren Freude im Kanzleramt ein sehr frühes Treffen mit Friedrich Merz angefragt.
Dieses "pull-away", also ein kurzer Austausch zwischen Tür und Angel, fand am Montag zwar später statt als geplant, aber, so der Regierungssprecher, "in positiver, offener Stimmung" und mit "Interesse füreinander".
Es ging um die Frage, wie man im Konflikt zwischen Israel und Iran zu einer Deeskalation komme und um die Frage, ob Russland bereit sei, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Die von Merz erhoffte Zusage, dass die USA gemeinsam mit der EU ein weiteres Sanktionspaket verabschieden könnten, blieb aus.
Zum Zollstreit, einem Thema, das Merz naturgemäß besonders am Herzen liegt, sei man nicht mehr gekommen. Mehr wurde nicht bekannt.
Gespräche über eventuelle Erweiterung der G7
Die erste Gesprächsrunde lief dann laut einem Beobachter überraschend gut. Der US-Präsident sei "friedfertig" gewesen, habe die anderen sogar gelobt. Mark Carney muss das Kunststück gelungen sein, Trump nach seinem offensiven Auftritt vor den Kameras wieder einzufangen. Er soll zugesagt haben, bis zum Schluss des Gipfels zu bleiben.
Im kleinen Plenum gelang es, über die Selbstbehinderung des Welthandels zu sprechen - die zu einem großen Teil in Trumps Zollpolitik begründet liegt - ohne diesen zu verärgern. Friedrich Merz soll gemahnt haben, die Wirtschaft brauche Vorhersehbarkeit und Stabilität - auch das ein deutlicher Wink an Trump.
Man dürfe sich nicht gegenseitig bekämpfen, sondern müsse die gemeinsame Kraft auf China richten, das der eigentliche Gegner im Welthandel sei, so wohl mehrere Regierungschefs.
Ebenfalls besprochen wurde eine eventuelle Erweiterung der G7, nicht um China oder Russland, sondern um Länder wie Südkorea und Indien. Zuerst aber solle es eine Reform der G7 geben. Nun, mit dem vorzeitigen Exit des Mächtigsten unter den Mächtigen wird erstmal zu diskutieren sein, ob das Format nicht G7 - 1 heißen müsste.
Schlechtes Signal auch für den Nato-Gipfel
Auf seiner Plattform Truth Social forderte Trump die Bewohner Teherans auf, die Stadt unverzüglich zu verlassen. Nach seiner Rückkehr nach Washington soll er den National Security Council einbestellt haben, so Fox News. Das könnte auf einen Kriegseintritt der USA hindeuten.
Für morgen wird Präsident Wolodymyr Selenskyj beim G7-Gipfel erwartet. Er hatte schon im Vorfeld mitgeteilt, dass er dort auch mit Trump über mehr Waffen und Zugriff auf die eingefrorenen russischen Vermögen sprechen wollte. Sein wichtigster Geld- und Waffengeber aber ist nun nicht mehr da.
Ein denkbar schlechtes Signal auch für den Nato-Gipfel, der nächste Woche in Den Haag zusammenkommt. Für diesen hofften besonders die Europäer auf weitere amerikanische Unterstützung für die Ukraine, bangten, ob die USA nicht doch auf die Idee kommen, Truppen aus Europa abzuziehen. Die Erwartungen sinken. Die Europäer können nun schon froh sein, wenn Trump überhaupt in Den Haag auftaucht.
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