Sicherheitsexperte zu Friedensplan:Trump trifft Selenskyj: Das sind die beiden Knackpunkte
Am Abend werden Selenskyj und Trump über einen möglichen Friedensplan sprechen. Viele der 20 Punkte seien geklärt, doch es gebe zwei Schlüsselfragen, analysiert Experte Nico Lange.
Das Interview mit Militär- und Sicherheitsexperte Nico Lange bei ZDFheute live.
28.12.2025 | 18:19 minWenn am Abend (deutscher Zeit) der ukrainische Präsident in Mar-a-Lago (Florida) auf seinen US-Kollegen trifft, steht viel auf dem Spiel. Für die Ukraine und ihren Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geht es um Vereinbarungen, wie ein möglicher Frieden in seinem Land aussehen kann. Für US-Präsident Donald Trump geht es um seine Präsentation als "Friedensstifter".
Im Interview mit ZDFheute live spricht der Experte der Münchner Sicherheitskonferenz über die Chancen des Treffens, welche Taktik hinter den neuesten russischen Angriffen steckt und was es mit einem Referendum in der Ukraine auf sich hat.
Trumps Interessen im Blick
Der ukrainische Präsident Selenskyj sagte zuletzt, man sei sich bei 90 Prozent der Inhalte des 20-Punkte-Plans, den die USA präsentiert hatten, einig. Bei den fehlenden zehn Prozent gehe es jetzt vor allem um die Frage von Gebietsansprüchen, demilitarisierten Zonen und Sicherheitsgarantien, so Lange.
Bislang sei die US-amerikanische Erwartungshaltung gewesen: Man gebe der Ukraine Sicherheitsgarantien und die würde dafür Gebiete an Russland abtreten - selbst solche, die Russland bislang nicht erobert hat. Die Ukraine, so Lange, schlage hingegen vor, sich von der Frontlinie zurückzuziehen, sofern Russland dies auch täte. So würde eine demilitarisierte Zone entstehen. Dies sei bei "jedem normalen Friedensabkommen" der Fall. Es sei abzuwarten, ob Trump darin auch seine Vorteile erkenne.
Trump ist ja nicht der Gegner der Ukraine. Selenskyj wird versuchen, zu zeigen, wie die USA die Ukraine unterstützen können, aber auch, wie das im Interesse der USA ist.
Nico Lange, Militär- und Sicherheitsexperte
Der neue 20-Punkte-Plan für die Ukraine soll das Land einem Frieden näherbringen. Es geht dabei unter anderem um Gebietsfragen und um Sicherheitsgarantien.
27.12.2025 | 1:09 minPutins Säbelrasseln als Verhandlungstaktik
Dass Machthaber Putin gerade jetzt mit Uniform, kämpferischen Parolen und verstärkten Drohnenangriffen militärisch auftrete, liege daran, dass Russland für entscheidende Fortschritte an der Front noch eine lange, verlustreiche Zeit bräuchte, so Lange. Russland stehe aktuell wirtschaftlich massiv unter Druck.
Wir müssen uns ja nicht mehr irgendwie beeindrucken lassen, wenn Putin da in Uniform irgendwie martialisch spricht.
Nico Lange, Münchner Sicherheitskonferenz
Der Ölpreis sei aktuell sehr niedrig. Doch Ölexporte seien für das Aggressor-Land essenziell, um seinen Krieg zu finanzieren. Hinter den neuesten russischen Angriffen, den vermeintlichen ständigen Erfolgsmeldungen des russischen Militärs, der "Kraftmeierei" des Kreml-Chefs steckten erhebliche Probleme. Die Frage sei nur, ob sich der US-Präsident davon blenden lasse.
Russland greift erneut massiv aus der Luft an, einen Tag vor dem Treffen von Selensky und Trump in Florida. Vor allem Kiew ist betroffen - und die Energieversorgung der Ukraine.
27.12.2025 | 2:22 minSicherheitsgarantien, die aus der Geschichte lernen
Neben den Gebietsfragen dürfte es in Mar-a-Lago besonders um die Frage der Sicherheitsgarantien für die Ukraine gehen. Wie kann gesichert werden, dass Russland seinen Nachbarn nach einem geschlossenen Waffenstillstand (oder gar Frieden) nicht wieder angreift?
Zwar hätten die Europäer und auch die US-Amerikaner zum Ausdruck gebracht, dass sie zu solchen Garantien bereit wären, doch die Ukrainer seien berechtigterweise vorsichtig, analysiert Lange. 1994 habe es mit dem Budapester Memorandum schon einmal ein Abkommen zwischen Russland und der Ukraine gegeben, welches solche Garantien festlegte. Das habe Russland bekanntermaßen nicht davon abgehalten, die Ukraine 2014 und 2022 zu überfallen, erklärt der Experte.
Selenskyj wird versuchen, die amerikanische Seite davon zu überzeugen, dass diese Sicherheitsgarantien nicht nur militärisch hinterlegt sein müssen, sondern dass auch der Kongress zustimmt.
Nico Lange, Militär- und Sicherheitsexperte
Auch bei anderen Garantiestaaten dränge der ukrainische Präsident auf einen verbindlichen Vertrag. Es müsse verbindend festgelegt sein, was diese Staaten tun müssten, sollte Russland ein Abkommen erneut brechen. Das sei auch im Interesse der EU-Annäherung, erklärt Lange. Niemand würde in der Ukraine in einen Wiederaufbau investieren, wenn die Sicherheit nicht dauerhaft garantiert sei.
Beim Treffen von Trump und Selensky sind die Europäer wieder nicht dabei - allerdings konnten sie im Nachgang immer wieder auf Washington einwirken, so Andreas Stamm in Brüssel.
27.12.2025 | 2:55 minReferendum in der Ukraine folgt Verfassung
Selenskyj hatte im Vorfeld angekündigt, sollte er Trump nicht überzeugen können, werde er ein Referendum auf den Weg bringen. Dafür brauche es aber eine 60-tägige Waffenruhe. Sicherheitsexperte Nico Lange hält das für nachvollziehbar. Die ukrainische Verfassung lege klar fest, dass Wahlen nicht in Kriegszeiten durchgeführt werden können. Ein Staatspräsident könne nicht einfach Gebiete abtreten.
Das Parlament und das ukrainische Volk über das Referendum müssten daran beteiligt werden.
Nico Lange, Münchner Sicherheitskonferenz
Insgesamt hätten Selenskyj und sein Verhandlungsteam zuletzt äußerst geschickt agiert, analysiert Lange. Die Ukraine habe bislang sehr ernsthafte Gespräche geführt - im Gegensatz zu Russland. Die Ergebnisse des heutigen Treffens müssen abgewartet werden.
Der Sicherheitsexperte resümiert: "Im Idealfall haben wir in den nächsten Tagen mit diesen 20 Punkten und noch einigen zusätzlichen Dokumenten, zum Beispiel über Wiederaufbauaktivitäten, einen Rahmen, der zwischen Ukraine, USA und den europäischen Partnern abgestimmt ist." Dann könne man Putin an den Verhandlungstisch zwingen.
Das Interview führte ZDFheute live-Moderator Christian Hoch, zusammengefasst hat es ZDFheute-Redakteur Kai Remen.
Der russische Angriffskrieg und seine Folgen prägen die EU auch 2026. Brüssel-Korrespondent Andreas Stamm gibt einen Überblick über die wichtigsten Aufgaben für das kommende Jahr.
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