Ukraine: Russischer Luftkrieg mit zunehmender Opferzahl
Analyse
Kiew und Odessa schwer getroffen:Zunehmend mehr Opfer im russischen Luftkrieg
von Christian Mölling, András Rácz
|
Russland stößt in der Ukraine vor und setzt neue Drohnen an der Front ein. Die Ukraine hat einen neuen Kommandeur der ukrainischen Bodentruppen. Das ist die Lage in der Ukraine.
Rettungsmaßnahmen nach dem Einschlag einer russischen Rakete in einem Wohnhaus in Kiew
Quelle: AP
In der Nacht vom 17. auf den 18. Juni startete Russland den tödlichsten Luftangriff auf Kiew seit mehr als einem Jahr. Insgesamt wurden in dieser Nacht mehr als 400 Drohnen, Raketen und Marschflugkörper abgefeuert. Ein russischer Marschflugkörper schlug in ein Wohnhaus ein, wodurch ein ganzes Treppenhaus einstürzte. Mehrere andere Orte wurden ebenfalls getroffen.
Insgesamt wurden mindestens 28 Menschen getötet und 134 verwundet. Von den Getöteten starben 23 in dem teilweise eingestürzten Wohnhaus. Der Einschlag erfolgte genau während des Gipfels der G7 in Kanada. Das ist kaum ein Zufall und zeigt Russlands klare Missachtung jeglicher Art von Einigung.
Zwischen dem Krieg von Israel und Iran und der Lage in der Ukraine gebe es militärisch keinen Zusammenhang, so Generalmajor Freuding. Russland produziere seine Drohnen nun selbst.19.06.2025 | 27:27 min
Angriff auf Odessa
In derselben Nacht wurde auch Odessa schwer getroffen, wobei zwei Menschen getötet und mehr als ein Dutzend verwundet wurden. In der Nacht des 20. Juni wurde die Hafenstadt am Schwarzen Meer erneut angegriffen. Die Luftverteidigung der Stadt konnte dem massiven, konzentrierten Angriff nicht ganz standhalten. Insgesamt wurden acht Orte getroffen, wobei ein Mensch getötet und 14 weitere verwundet wurden.
Neue russische Drohnen als Ersatz für Gleitbomben?
Russland hat Berichten zufolge damit begonnen, modernisierte Geran-2-Drohnen auch gegen Ziele in der Nähe der Frontlinie einzusetzen. Nach ukrainischen Berichten aus der Region Charkiw verfügen die neuen Geran-2 über einen modernisierten Vierzylindermotor, verbesserte Treibstoffsysteme und andere Antennen als die früheren Varianten.
Ukrainische Drohnenpiloten nahe der Front bei Prokrowsk arbeiten mit speziellen Fiberglas-Drohnen mit enormer Reichweite und vielen Vorteilen. Doch auch Russland nutzt sie.21.06.2025 | 2:42 min
Die wichtigste Neuerung ist, dass Russland damit begonnen hat, sie auch gegen Ziele in unmittelbarer Nähe - also fünf bis sieben Kilometer hinter der Frontlinie -, einzusetzen. Das heißt gegen Ziele, die früher oft mit Gleitbomben getroffen wurden.
Es bleibt abzuwarten, ob diese neuen Geran-2 als Ersatz für Gleitbomben, deren Effizienz aufgrund ukrainischer elektronischer Gegenmaßnahmen abnimmt, oder eher in Kombination mit ihnen eingesetzt werden.
Entwicklungen an der Front
In Richtung Pokrowsk und Kostjantyniwka gelang es den Russen, ihren im Mai erzielten Durchbruch auszuweiten. Auf der westlichen Seite des Vorstoßes nahmen sie das Dorf Koptieve ein, während sie im Nordosten etwas in Richtung Jabluniwka vorstießen. Die ukrainische Verteidigung scheint sich in dieser Richtung allmählich zu festigen, aber Russland hat immer noch eindeutig die Initiative.
Quelle: DGAP
... ist Senior Advisor beim European Policy Centre. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Im südlichen Teil des Donbass gelang es Russland ebenfalls, den in der vergangenen Woche erzielten Durchbruch entlang der Autobahn Kurachove-Pokrowske auszuweiten. Während es den Streitkräften der Ukraine offenbar gelang, sich rechtzeitig aus Odradne zurückzuziehen und so einer Einkreisung zu entgehen, rückten die Russen auf das Dorf Saporischschja - nicht zu verwechseln mit dem regionalen Zentrum - und Perebudowa vor. Die Ukrainer werden sich höchstwahrscheinlich hinter den Fluss Mokry Yali zurückziehen müssen.
Am 19. Juni ernannte Präsident Wolodymyr Selenskyj General Hennadij Shapowalow zum Kommandeur der ukrainischen Bodentruppen. Der Posten war seit dem 1. Juni vakant, als General Mykhailo Drapatyi nach einem tragischen russischen Angriff auf ein ukrainisches Übungsgelände zurücktrat.
Während der Besetzung ukrainischer Gebiete wurden viele Frauen sexuell misshandelt und vergewaltigt. Lange haben sie geschwiegen, jetzt finden einige den Mut, zu reden.20.06.2025 | 2:02 min
Schapowalow wurde 1978 geboren, absolvierte zunächst einen Ausbildung am Institut für Panzertruppen in Charkiw und später auch am US Army War College. Seit Februar 2025 war er Vertreter der Ukraine in der "Mission der Nato für Sicherheitsunterstützung und Ausbildung in der Ukraine", die in Deutschland tätig ist.
Er gilt als modern denkender, gut ausgebildeter und flexibler Befehlshaber, sodass sich mit seiner Ernennung der Trend zur Verjüngung und Reformierung der obersten militärischen Führungsstrukturen der Ukraine fortsetzt - wenn auch viel langsamer, als es nach Ansicht vieler Experten notwendig wäre.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.