Auch beim Kampf um das Asow-Stahlwerk trugen chemische Wirkungen zur Kapitulation der ukrainischen Verteidiger bei.
Quelle: dpa/AP
Hundertfach wurden seit
Russlands Angriff auf die Ukraine Fälle dokumentiert, in denen chemische Waffen eingesetzt wurden. Nach ukrainischen Angaben gab es bis Dezember 2024 mehr als 800 Fälle, in denen
Russland verschiedene chemische Kampfstoffe gegen ukrainische Soldaten eingesetzt hat.
Allerdings ging bisher kein Einsatz chemischer Waffen über einen begrenzten, lokalen, taktischen Einsatz hinaus. Es gab keine groß angelegten Gasangriffe, keinen massiven Artilleriebeschuss mit Gasgranaten, wie es im Ersten Weltkrieg üblich war.
Alle Einsätze waren kleine, isolierte Fälle. Man könnte versucht sein zu glauben, dass Russland verschiedene chemische Kampfstoffe gelegentlich vor allem zu Versuchszwecken einsetzt, also um diese Waffen im Kampf zu testen.
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Einsatz von Tränengas und "CS"
In den meisten Fällen setzt Russland verschiedene Arten von Tränengas ein, meist in Form von Granaten oder Kanistern, die von Drohnen abgeworfen werden, in einigen wenigen Fällen auch durch Artilleriegranaten.
Der russische General Igor Kirillow, den die Ukraine im Dezember 2024 in Moskau tötete, soll der Hauptkoordinator für den Einsatz verschiedener chemischer Kampfstoffe in der Ukraine gewesen sein. Kirillow war Leiter von Russlands radiologischen, chemischen und biologischen Verteidigungstruppen, so dass der Einsatz verschiedener Arten chemischer Waffen in seinen Zuständigkeitsbereich und sein Fachwissen fiel.
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Einige dieser Fälle konnten von internationalen Akteuren überprüft werden. Im Mai 2024 verhängten die Vereinigten Staaten zusätzliche Sanktionen gegen Russland wegen des Fronteinsatzes verschiedener Arten von Tränengas und von Chlorpikrin, einem stark reizenden chemischen Kampfstoff.
Im November 2024 bestätigte die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), dass Russland 2-Chlorbenzylidenmononitril ("CS") gegen ukrainische Streitkräfte eingesetzt hat, ein verbotenes Mittel zur Bekämpfung von Unruhen.
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Auch konventionelle Waffen können chemische Wirkungen entfalten
Neben den genannten chemischen Stoffen haben auch bestimmte konventionelle Waffen chemische Nebenwirkungen. Besonders häufig eingesetzt wird Munition auf der Basis von weißem Phosphor, sei es für Brand- oder für Rauchzwecke. Bei der Reaktion mit Luft wird Phosphor-Pentoxid-Dampf erzeugt. Dieser Dampf hat eine stark reizende Wirkung und verursacht schwere Verätzungen der Haut, der Augen, der Atemwege und der Schleimhäute.
Beim Einsatz in engen Räumen vervielfacht sich die Wirkung aufgrund der hohen Konzentration. Diese Nebenwirkung der Munition mit weißem Phosphor trug zur Kapitulation der Verteidiger von Asowstal in Mariupol bei. Diese konnten sich nicht gegen den Phosphor-Pentoxid-Dampf wehren, der die unterirdischen Tunnel flutete.
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Größere chemische Eskalation unwahrscheinlich
Chemische Waffen sind relativ leicht herzustellen. Dennoch gibt es für beide Seiten erhebliche einschränkende Faktoren, diese systematisch im Krieg zu nutzen. Für Russland ist der wichtigste Faktor Abschreckung: Die Ukraine mit ihrer hoch entwickelten chemischen Industrie wäre in der Lage, eine Reihe tödlicher Substanzen in großer Menge herzustellen.
Dies schränkt die Bereitschaft Russlands zum massenhaften Einsatz von Substanzen ein, die mehr Schaden anrichten als Tränengas, denn in einem solchen Fall könnte sich die Ukraine für einen symmetrischen Vergeltungsschlag entscheiden. Russlands schlecht ausgebildete und schlecht ausgerüstete Streitkräfte wären gegenüber einem solchen Einsatz extrem verwundbar.
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Für die Ukraine ist die wichtigste Einschränkung politischer Natur. Der Einsatz chemischer Waffen würde dem Ansehen der Ukraine im Westen massiv schaden. Dies könnte sich also auch negativ auf die Unterstützung durch Europa auswirken.
Alles in allem wird Russland zwar wahrscheinlich weiterhin verschiedene Arten von Tränengas bei kleineren Angriffen einsetzen, und auch die chemischen Nebenwirkungen von Brandwaffen werden weiterhin Schaden anrichten. Eine größere chemische Eskalation ist jedoch unwahrscheinlich.
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