Ukraine: Kiew will Lügendetektortests für Staatsdiener
Antikorruptionsgesetz:Kiew will Lügendetektortests für Staatsdiener
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Kehrtwende nach EU-Kritik und Protesten: Der ukrainische Präsident Selenskyj legt ein neues Antikorruptionsgesetz vor. Er kündigte zugleich Lügendetektortests für Staatsdiener an.
Proteste in Kiew: Demonstranten forderten die Verabschiedung des überarbeiteten Antikorruptionsgesetzes (Archivfoto vom 24.07.2025).
Quelle: dpa
Nach scharfer Kritik der EU und massiven Protesten Tausender Ukrainer hat Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew einen Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Antikorruptionsbehörden vorgelegt.
Um einen russischen Einfluss in den staatlichen Stellen auszuschließen, sollen aber alle Mitarbeiter mit Zugang zu Staatsgeheimnissen Lügendetektortests unterzogen werden, kündigte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft an. "Und das müssen regelmäßige Kontrollen sein", sagte er.
X-Post von Selenskyj
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Zuvor hatte er demnach einen entsprechenden neuen Gesetzentwurf zur Arbeit der Antikorruptionsbehörden in das Parlament - die Oberste Rada - eingebracht. Dieser sieht Lügendetektortests innerhalb von sechs Monaten vor.
Trotzdem gab es in Kiew und anderen Städten der Ukraine erneut Proteste gegen Selenskyjs erst am Dienstag trotz Kritik in einem Eilverfahren unterschriebenes Gesetz, mit dem die Antikorruptionskämpfer der Generalstaatsanwalt und damit letztlich auch dem Präsidenten unterstellt werden sollten.
Die Protestierenden forderten die Verabschiedung des neuen Gesetzes, das den Antikorruptionskämpfern ihre bisherigen Vollmachten wieder zubilligt.
In mehreren ukrainischen Städten sind erneut tausende Menschen gegen ein neues Gesetz auf die Straße gegangen, das die Unabhängigkeit von Antikorruptionsbehörden beschneiden soll.24.07.2025 | 0:19 min
Behörden: Gesetzentwurf stellt Vollmachten wieder her
"Der Gesetzentwurf stellt alle prozessualen Vollmachten wieder her und garantiert die Unabhängigkeit vom Nationalen Antikorruptionsbüro (NABU) und der Spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP)", schrieben die beiden Behörden nach Bekanntwerden von Selenskyjs neuem Gesetzestext auf ihren Telegramkanälen. NABU und SAP waren demnach an der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs beteiligt.
Das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) und die Spezialisierte Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP) waren 2015 in der Ukraine mit westlicher Hilfe gegründet worden, um die notorische Korruption vor allem bei hochrangigen Politikern und in der Verwaltung zu bekämpfen. Das in die EU strebende Land gilt der Nichtregierungsorganisation Transparency International nach trotz aller Reformen als eines der korruptesten Länder Europas.
Quelle: dpa
Ein Zeitpunkt der Abstimmung in der Rada war zunächst nicht klar. Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk versprach bei Facebook, das Dokument in der nächsten Sitzung zur Abstimmung zu stellen. Abgeordneten zufolge ist die Oberste Rada allerdings erst einmal bis Mitte August in den Sommerferien.
Durch Selenskyjs Schritt, das Antikorruptionsgesetz durchs Parlament zu peitschen, habe er Vertrauen verloren, so ZDF-Reporter Bode. Der neue Entwurf soll das wiederherstellen. 24.07.2025 | 6:20 min
Die Gesetzesänderung am Dienstag hatte nicht nur Proteste in verschiedenen Städten ausgelöst. Auch in der EU stieß die Entscheidung auf Unverständnis. Kritiker warfen Selenskyj autoritäre Tendenzen vor, indem er sich die lange Zeit unabhängigen Behörden unterwerfen wollte. Dass er nun scheiterte, bezeichneten Kommentatoren als eine herbe politische Niederlage, die den Präsidenten angeschlagen zurücklasse.
Selenskyj setzt auf Unterstützung von Kanzler Merz
Selenskyj informierte nach eigenen Angaben auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) über die jetzigen Änderungen. Er habe "Deutschland eingeladen, sich an der Begutachtung des Gesetzentwurfs durch Experten zu beteiligen. Friedrich hat mir seine Bereitschaft zur Unterstützung zugesichert."
Geplant sei auch eine Einbeziehung anderer europäischer Partner wie Großbritannien und die EU. "Wir waren uns alle einig, dass es keine Einmischung oder Einflussnahme Russlands auf die Funktionsweise unserer Antikorruptionsinfrastruktur geben darf", teilte Selenskyj nach einem Treffen mit den Behördenvertretern mit.
Jeder, der Zugang zu Staatsgeheimnissen hat - und das gilt nicht nur für das NABU und die SAP, sondern auch für das Staatliche Büro für Ermittlungen, unsere nationale Polizei - muss sich einem Lügendetektortest unterziehen.
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Wolodymyr Selenskyj, ukrainischer Präsident
Schon bisher gab es solche Tests, aber nicht in der nun geplanten Dichte. Das NABU teilte allerdings am Abend erleichtert mit, dass laut dem Gesetzentwurf nicht der Geheimdienst SBU die Tests führe, sondern eine verwaltungsinterne Kontrollstelle.
Der auf der Rada-Seite veröffentlichte Text spricht aber bei der ersten Kontrolle nach Inkrafttreten des Gesetzes explizit vom SBU. Alle nachfolgenden Kontrollen sollen mindestens alle zwei Jahre durch interne Kontrollorgane erfolgen.
Der ukrainische Präsident verurteilte in seiner Abendbotschaft zudem einmal mehr die andauernden russischen Angriffe - ungeachtet der direkten Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau am Mittwoch in Istanbul. "Natürlich werden wir Russland auf all das antworten", kündigte Selenskyj an.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff - hier im Liveblog:
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.