Klimaziele kontra KI-Boom: Rechnen auf Kosten der Umwelt

Rechnen auf Kosten der Umwelt:Klimaziele kontra KI-Boom

von Eva Schmidt und Richard Luttke

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KI gilt als Hoffnung im Kampf gegen den Klimawandel - doch ihr Energiehunger macht sie selbst zum Teil des Problems. Lösungen sind da, verschwinden aber hinter dem Hype.

LEDs leuchten in einem Serverschrank in einem Rechenzentrum. (Archivbild)

Ein Rechenzentrum kann so viel Strom verbrauchen wie 100.000 Haushalte.

Quelle: dpa

Mit dem Erfolg von Künstlicher Intelligenz wächst auch die ökologische Herausforderung. "KI ist extrem klimarelevant", sagt KI-Expertin Anastassia Lauterbach gegenüber ZDFheute. Denn schon bevor ein Chatbot wie ChatGPT überhaupt seine erste Antwort gibt, hat er bereits einen ökologischen Fußabdruck hinterlassen.

Rechenzentren sind regelrechte Stromfresser. Laut internationaler Energieagentur ist ihr Stromverbrauch seit 2017 jährlich um etwa zwölf Prozent gestiegen - Haupttreiber ist KI.

Nach Angaben der Internationalen Energieagentur verbraucht ein heutiges Rechenzentrum mit 100 Megawatt jährlich etwa so viel Strom wie 100.000 Haushalte. Künftige Rechenzentren könnten bis zu 20 Mal mehr Energie brauchen. Hinzu kommt ein hoher Wasserverbrauch für die Kühlung der Server.

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KI aus dem All: Realität oder Hype?

Auch wenn es wie Science-Fiction klingt: An der Idee, Rechenzentren ins Weltall zu verlagern, arbeiten nicht nur Tech-Riesen wie Google, Amazon und SpaceX, sondern auch die EU. Denn im All gelingt die Kühlung leichter und Solarpanels liefern ein Vielfaches an Energie im Vergleich zur Erde.

Informatik-Professor Jürgen Gall von der Uni Bonn ist allerdings skeptisch gegenüber Rechenzentren im All: Allein die Hardware erfordert einen anderen Bau, um sie robust zu machen gegen die kosmische Strahlung.

Strombedarf für KI-Rechenleistungen steigt rasant

Eine aktuelle Studie von Greenpeace im Auftrag des Öko-Instituts geht davon aus, dass der globale Strombedarf für KI-Rechenleistungen bis 2030 etwa elfmal so hoch sein wird wie im Jahr 2023. Greenpeace fordert daher, die ganze Infrastruktur rund um KI vollständig aus erneuerbaren Energien zu betreiben.

Das rasante Wachstum von KI-Rechenzentren geht zu Lasten des Klimas, warnt auch das Umweltbundesamt. Um Klimaauflagen zu umgehen, wanderten Rechenzentren ab in Länder mit weniger strengen Regeln. Der Spielraum bei der Wahl der Standorte sei hoch.

Baden-Württemberg, Heilbronn: Architekt Jacob van Rijs (l-r), Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel, Bundesdigitalminister Karsten Wildberger, Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt Dorothee Bär, Reinhold Geilsdörfer (Vorsitzender der Schwarz Stiftung), Bundeskanzler Friedrich Merz, Gerd Chrzanowski (Schwarz Gruppe), der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl und IPAI Geschäftsführer Moritz Gräter beim Spatenstich zum IPAI Campus. Im Rahmen seines Antrittsbesuches nimmt Bundeskanzler Merz beim ersten Spatenstich für den IPAI Campus in Heilbronn teil. Auf dem 30 Hektar großen Areal entsteht ab sofort ein zukunftsweisendes KI-Quartier, das Forschung, Anwendung und industriellen Transfer im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) auf europäischer Ebene maßgeblich vorantreiben soll. Foto: Jan-Philipp Strobel/dpa

Im Oktober startete Europas größtes KI-Ökosystem in Heilbronn: Ein kreisrunder Campus, so groß wie 42 Fußballfelder, vereint Forschung, Entwicklung und Unternehmen an einem Ort.

21.10.2025 | 2:26 min

Digitalkonzerne: Kampf um Marktmacht

Die großen Digitalkonzerne wie Google, Amazon oder Microsoft werben damit, dass sie bald klimaneutral werden wollen. Das Problem ist also in der Branche angekommen. Technik-Soziologin Friederike Rohde von der TU Berlin bezweifelt allerdings die Ernsthaftigkeit dieser Versprechen:

Die Tech-Unternehmen sind weniger daran interessiert, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern, sondern wollen ihre Marktanteile erhöhen. Es ist eine Wette auf die Zukunft.

Friederike Rohde, Technik-Soziologin

Datenzentren werden besser, KI-Architektur bleibt

Anastassia Lauterbach sieht das ähnlich: "Ich bin extrem skeptisch gegenüber dem Versprechen von Klimaneutralität", erklärt die KI-Spezialistin, die über langjährige Erfahrung in Aufsichtsräten von US-Tech-Unternehmen verfügt.

Die Datenzentren würden zwar immer besser, aber die energieintensiven KI-Architekturen dahinter blieben unverändert. "Wir skalieren heute 'alte' neuronale Netze, die bei jedem einzelnen Kalkulationsschritt alle Modellparameter 'bewegen' müssen."

Anastassia Lauterbach zieht den Vergleich mit dem menschlichen Sprechen. "Wenn du sprichst, bewegst du den Mund, vielleicht noch etwas den Kopf oder die Arme. Sprachmodelle jedoch arbeiten so, als würdest du sprechen und gleichzeitig Marathon laufen, schwimmen und hüpfen."

Ein mensch und ein Roboter geben sich die Hand

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30.10.2025 | 2:48 min

Expertin fordert Fokus auf alternative KI-Architekturen

Aber warum kommen dann diese Architekturen immer noch zum Einsatz? Die Einführung von ChatGPT im Jahr 2022 habe KI-Anwendungen "demokratisiert", sagt Lauterbach. Milliarden Menschen hätten begonnen, diese Anwendungen zu nutzen. Dadurch sei ein gigantischer Hype entstanden, KI sei wie eine Religion geworden.

98 Prozent der Investitionen fließen in die Optimierung bestehender KI-Fähigkeiten, nur zwei Prozent in alternative Architekturen und Sicherheit. Das ist ein Skandal.

Anastassia Lauterbach, KI-Expertin

Als Lösung fordert Anastassia Lauterbach, dass KI stärker auf die politische Agenda kommt, damit es mehr Aufklärung darüber gibt - bereits in Schulen. Und die Forschung solle sich auf alternative KI-Architekturen und den Umgang mit kleinen Daten fokussieren. Greenpeace will verbindliche Transparenz für KI-Unternehmen - um Klarheit zu schaffen, wie viel Strom und Wasser tatsächlich in den Systemen dahinter steckt.

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