Förderung im Para-Sport:Mareike Miller: "Sportlich und strukturell Nonsens"
Warum Para-Athleten immer noch um faire Förderung kämpfen müssen: Rollstuhl-Basketballerin Mareike Miller spricht im Interview über strukturelle Hürden und fehlende Transparenz.
Es tut sich nicht genug, sagt Rollstuhlbasketballerin Mareike Miller, hier bei den Paralympics 2024 im Spiel gegen Japan.
Quelle: Imago / Beautiful SportsWo bleiben die Fördergelder - und wer profitiert wirklich davon? Rollstuhl-Basketballerin Mareike Miller, Paralympics-Goldmedaillen-Gewinnerin von 2012 und kürzlich ins Präsidium von Athleten Deutschland gerückt, fordert im Interview mehr Transparenz und gerechtere Strukturen. Das jetzige System habe für viele Athleten schwerwiegende Auswirkungen.
ZDFheute: Sie engagieren sich seit Jahren als Athletensprecherin für den paralympischen Sport. Was hat Sie dazu bewegt, das Thema Fördergerechtigkeit so stark in den Vordergrund zu rücken?
Mareike Miller: 2017 bin ich direkt mit der Athletenförderung in die Athletenkommission des Deutschen Behindertensportverbands gestartet. Gerade mit Blick auf das letzte Jahr sehen wir, dass viele Bedingungen rückläufig sind, ohne nachvollziehbare Gründe.
Wenn man sieht, wie wenige Förderplätze der paralympische Sport im Vergleich mit dem olympischen Sport hat, ist schnell klar, dass sich nicht genug tut.
ZDFheute: Was sind die Folgen dieser Politik?
Miller: Die Änderungen haben 2025 einige plötzlich vor vollendete Tatsachen gestellt - das dürfte bei transparenter und rechtzeitiger Kommunikation nicht vorkommen. Zwar hat sich in den letzten Jahren vieles verbessert, aber:
Verantwortliche befassen sich immer weniger mit den Zusammenhängen.
Das ist gefährlich, weil der Wildwuchs an Förderbausteinen selbst Erfahrene durcheinanderbringt. So sind viele Entscheidungen nicht nachvollziehbar begründet - und historisch gewachsen reicht nicht.
Die Paralympics 2028 sind Elena Semechins großes Ziel. Dort würde sie als Mutter starten. Eine komplizierte Sache. Daher wünscht sie sich mehr Förderung für Top-Sportlerinnen, die Mütter sind.
20.04.2025 | 14:35 minZDFheute: Wie vergleichen Sie die aktuelle Situation der Para-Athleten mit der von vor einigen Jahren?
Miller: Die Grundförderung wurde mit Bundesmitteln angehoben. Die höchsten Kader erhalten 700 bis 800 Euro, 2018 waren es 100 bis 150 Euro. Dieser Entwicklung fiel 2019 die Eliteförderung zum Opfer, die aus Sponsorenmitteln des DBS finanziert war.
2023 bis 2024 gab es nun Jahre später erstmalig eine Eliteförderung über einen Partner der Sporthilfe - mit zeitlicher Begrenzung und verschärften Kriterien greift sie allerdings in deutlich geringerem Umfang.
Das zeigt, dass auch im Detail Gleichstellung und Gleichberechtigung noch lange nicht erreicht sind.
ZDFheute: Die Sporthilfe verweist auf Bundesmittel und rechtliche Rahmenbedingungen. Wer trägt Ihrer Meinung nach die größte Verantwortung für die bestehenden Probleme?
Miller: Gerade für Athlet*innen ist das unklar. Die Bundesregierung stellt einen Großteil der Mittel bereit, die Sporthilfe entscheidet über die Umsetzung. Der DBS meldet die Athlet*innen nach deren Rahmenbedingungen.
Den Bund sehe ich in Verantwortung, eine Nachvollziehbarkeit der Verteilung von Bundesmitteln sicherzustellen. Mit ihrem aktuellen Positionspapier hat die Sporthilfe erneut eine Gelegenheit ungenutzt gelassen: Weder fordert sie mehr Mittel für eine angemessene Anzahl an Para-Athlet*innen, noch zeigt sie Einsatz für die Aufnahme neuer paralympischer Sportarten wie Para-Klettern.
Der achtmalige Weltmeister im Para-Weitsprung Markus Rehm wünscht sich mehr gemeinsame Wettkämpfe von paralympischen und olympischen Athleten, sagt er im ZDF-Interview.
06.10.2025 | 4:38 minZDFheute: Warum ist die Duale Karriere-Individualförderung für Para-Athlet*innen kein gleichwertiger Ersatz für die Bundeswehrförderstellen?
Miller: Athlet*innen bekommen zwar rund 1.500 Euro, aber keine Absicherung, Versicherung oder Gesundheitsschutz wie bei Bundeswehrförderstellen. Die Sporthilfe nutzt diesen Baustein dennoch, um - entsprechend den Förderstellen - die Grundförderung zu kürzen. Das sorgt für weitere Lücken.
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ZDFheute: Wo liegen die strukturellen Probleme vor allem bei den Mannschaftssportarten?
Miller: Ganze Teams, wie das mit WM-Platz 5 für die Paralympics qualifizierte Para-Eishockey-Team mit 17 Athlet*innen, lassen sich schwer bei 150 bis 160 Plätzen für 28 Sportarten integrieren.
Nachwuchsteams oder Ersatzspieler*innen können fast nie berücksichtigt werden.
Für Bausteine wie die 'Duale Karriere-Individualförderung' sind sie pauschal ausgeschlossen.
Laut Antwort auf die Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen und MdB Tina Winklmann erreicht man laut Bundesregierung so einfacher mehr Sportarten bei begrenztem Budget. Das ist sportlich und strukturell Nonsens und schränkt erheblich ein.
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14.02.2024 | 8:53 minZDFheute: Wo liegt die größte Lücke in der politischen Transparenz zwischen Bundesregierung, Sporthilfe und DBS?
Miller: Bund und Sporthilfe geben wenig Einblick über Entscheidungen, Hintergründe bleiben oft unbeantwortet. Der DBS sitzt am kürzesten Hebel und bekommt Informationen verzögert.
Die Sporthilfe scheint teils machen zu können, was sie will, ohne dass Bund oder andere Stellen eingreifen, Transparenz sicherstellen und die Verhältnismäßigkeit prüfen.
ZDFheute: Was wünschen Sie sich von der Bundesregierung und der Sporthilfe für die nächsten zweieinhalb Jahre bis zu den Spielen in Los Angeles?
Miller: Ich wünsche mir Transparenz, klare Begründungen und nachvollziehbare Verteilungen. Es muss analysiert werden, wie viele Athlet*innen in welchem Bereich gefördert werden und warum. Nur mit voller Klarheit können alle angemessen, fair und nachhaltig unterstützt werden.
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ZDFheute: Was motiviert Sie trotz all dieser Herausforderungen, weiter für Fairness im Sport einzutreten?
Miller: Ich mache den Sport viele Jahre leidenschaftlich gerne - egal, ob mit 0 bis 150 Euro Förderung oder zeitweise mit deutlich mehr Unterstützung.
Genauso trage ich meine Erfahrung gerne dazu bei, dass sich die Bedingungen für alle verbessern. Das kann nur richtig sein. Es ist ja auch kein Zufall, dass viele Kaderathlet*innen diese Botschaft unterstützen und weitertragen.
Das Interview führte Johannes Fischer.
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