Wie Förderlücken die Athleten belasten:Die unsichtbaren Hürden im Para-Sport
von Johannes Fischer
Para-Athletinnen wie Britta Wend kämpfen nicht nur um Medaillen, sondern auch um faire Förderung und Transparenz im deutschen Leistungssport. "Nicht akzeptabel", so DBS-Chef Quade.
Rollstuhltennisspielerin Britta Wend: "Meistens zahle ich sogar drauf."
Quelle: Imago / tennisphoto.de / Claudio GärtnerPara-Athletinnen und Athleten gehören zu den erfolgreichsten Sportlern Deutschlands. Bei den jüngsten Welt- und Europameisterschaften im Schwimmen und in der Leichtathletik gewannen sie zahlreiche Medaillen.
Gleichzeitig stoßen sie auf eine Hürde, die nichts mit Leistung oder Training zu tun hat: die nach ihrer Meinung unzureichende und intransparente Förderung.
Die nüchternen Fakten offenbaren eine Schieflage: Für olympische Athleten stehen fast drei Mal mehr Förderplätze als Teilnehmer zur Verfügung; im Para-Sport sieht das ganz anders aus.
Deutsche Parasportler sind sehr erfolgreich: Felix Streng siegt im 100-m-Lauf vor Johannes Floors, Niko Kappel gewinnt im Kugelstoßen, Andreas Walser springt zu Bronze bei der Para-WM.
30.09.2025 | 0:39 minDBS-Chef Quade: Verhältnisse nicht akzeptabel
Dieses Missverhältnis sei nicht akzeptabel, sagt Karl Quade, Vizepräsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS):
Für die Paralympics in Paris gab es weniger Förderplätze als Athlet*innen. Das ist weder zeitgemäß noch angemessen.
Karl Quade, Vizepräsident Deutscher Behindertensportverband
Die Folgen könnten gravierend sein: Obwohl die Athleten eine klare Perspektive für kommende Paralympics haben, drohen ihnen teilweise massive Kürzungen.
Sportangebote für Menschen mit Behinderung sind immer noch rar gesät. Para-Radsportlerin Denise Schindler und die Beachvolleyballer des TV Dingolfing zeigen, wie Inklusion geht.
13.08.2025 | 2:24 minBeispielhaft kämpft Britta Wend, Rollstuhltennisspielerin und Quereinsteigerin in den Leistungssport, nicht nur gegen Gegnerinnen auf dem Platz ("Rollstuhltennis ist körperlich und mental extrem fordernd"), sondern auch gegen ein komplexes und oft undurchsichtiges Fördersystem.
Hohe Kosten und Kampf um Unterstützung
Neben der körperlichen Herausforderung sind vor allem die Kosten eine Belastung. Allein Turnierreisen schlagen mit 500 bis 1.000 Euro pro Turnier zu Buche; hochgerechnet aufs Jahr sind das etwa 20.000 Euro. Hinzu kommen Trainerkosten und der Sportrollstuhl, der rund 10.000 Euro kostet und regelmäßig ersetzt werden muss:
Am Jahresende hoffe ich, wenigstens auf null rauszukommen. Meistens zahle ich sogar drauf.
Rollstuhltennisspielerin Britta Wend
Doch die finanziellen Herausforderungen sind nur ein Teil des Problems. Mit dem Anfang 2025 eingeführten neuen Förderkonzept der Sporthilfe ist der Weg zu individueller Unterstützung deutlich erschwert.
Neues Förderkonzept unzureichend durchdacht?
"Früher reichte es, unter die Top Acht einer Weltmeisterschaft zu kommen, um gefördert zu werden", erklärt Wend. Heute könne selbst eine Top-Acht-Athletin nicht automatisch auf Förderung zählen.
Das deutsche Team hat sich bei der Para-Schwimm-WM in Höchstform gezeigt: Josia Topf, Taliso Engel und Tanja Scholz holten in Singapur Gold.
22.09.2025 | 0:50 min"Im Para-Sport muss ein Quervergleich von Athletinnen aus 29 vollkommen unterschiedlichen Sportarten stattfinden, was automatisch dazu führt, dass zu den objektiven Kriterien nun auch subjektive eine große Rolle spielen", berichtet sie:
Würde ich aus der Förderung herausfallen, könnte ich das Pensum an Turnieren nicht mehr halten. Dann müsste ich Zeit in Sponsorensuche investieren - auf Kosten von Training und Wettkämpfen. Meine sportliche Entwicklung würde massiv gebremst.
Rollstuhltennisspielerin Britta Wend
Warum Transparenz und Fairness fehlen
Die Problematik betrifft nicht nur einzelne Athleten, sondern den Para-Sport insgesamt. Mareike Miller, Rollstuhlbasketball-Nationalspielerin und Gesamt-Aktivensprecherin im Deutschen Behindertensportverband kritisiert: "Die Änderungen haben 2025 einige plötzlich vor vollendete Tatsachen gestellt - das dürfte bei transparenter und rechtzeitiger Kommunikation nicht vorkommen."
Die Kritik richtet sich nicht nur gegen die Menge der Förderplätze, sondern auch gegen die mangelnde Transparenz. Wend macht deutlich: "Wir sprechen hier von erheblichen Bundesmitteln, die in die individuelle Förderung fließen. Aber es wird uns Athletinnen und Athleten gegenüber nicht klar kommuniziert, nach welchen Kriterien Entscheidungen getroffen werden."
Die gebürtige Bielefelderin wünscht sich stattdessen Orientierung und Wertschätzung: "Andere Nationen investieren ein Viertel ihres Leistungssportetats in den Para-Sport. In Deutschland sind es nicht einmal zehn Prozent."
In vielen führenden Nationen ist der Para-Sport deutlich besser integriert und finanziell unterstützt als hierzulande. In den Niederlanden, Großbritannien und Japan etwa teilen sich die Athleten die Trainingszentren, Trainer und Physiotherapeuten.
In Australien fließt etwa ein Viertel des Leistungssport-Etats in den Para-Sport, in Frankreich sind es rund 23 Prozent.
Was Deutschland von anderen Nationen lernen kann
Ein Blick ins Ausland zeigt mögliche Lösungen. Länder wie die Niederlande, Großbritannien oder Japan bündeln olympischen und paralympischen Sport unter einem Dach.
"Wenn wir solche Strukturen in Deutschland hätten, könnten wir die Förderung deutlich verbessern", sagt Wend. Trotz aller Hürden blickt die 29-Jährige schon Richtung 2028, wo in Los Angeles die kommenden Paralympics stattfinden:
Auf dem Weg dahin möchte ich bei den Grand Slams starten, mich in der Weltrangliste hocharbeiten. Ohne faire Förderung wäre das schlicht unmöglich.
Rollstuhltennisspielerin Britta Wend
Britta Wend spielt Rollstuhltennis auf internationalem Niveau - und das nach wenigen Jahren Training. Dass ihre Behinderung ein Hindernis sei, kann und will sie nicht hören.
06.08.2022 | 15:07 minDas neue Förderkonzept der Sporthilfe hat die Lage verschärft. Quade mahnt: "Leistung muss belohnt werden. Wer erfolgreich ist und eine Perspektive hat, darf nicht an bürokratischen Hürden scheitern."
Damit wird klar: Für Para-Athlet*innen entscheidet sich Erfolg längst nicht mehr nur auf dem Platz. Solange die Rahmenbedingungen nicht stimmen, bleibt ihr Potenzial zumindest teilweise ungenutzt.
Die Paralympics 2028 sind Elena Semechins großes Ziel. Dort würde sie als Mutter starten. Eine komplizierte Sache. Daher wünscht sie sich mehr Förderung für Top-Sportlerinnen, die Mütter sind.
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