Zöliakie und Ernährung: Glutenfrei durch den Alltag
FAQ
Frei von Gluten:Zöliakie: Glutenfreie Ernährung lebenslang
von Christina-Maria Pfersdorf
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Kein Weizen, kein Roggen, keine Gerste: Wer Zöliakie hat, muss sich streng glutenfrei ernähren. Doch was kompliziert klingt, lässt sich heute gut umsetzen. Worauf es dabei ankommt.
Menschen mit Zöliakie vertragen kein glutenhaltiges Essen. Die Erkrankung ist auch bei Kindern weit verbreitet. 16.05.2025 | 5:13 min
Etwa ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland hat Zöliakie. Experten schätzen, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt, denn viele Betroffene haben untypische, nur wenige oder gar keine Symptome. Sie wissen daher häufig nichts von ihrer Erkrankung.
Im Gegensatz zu einer schweren Nahrungsmittelallergie ist Zöliakie nicht akut lebensbedrohlich. Sie erfordert jedoch eine lebenslange, strikte glutenfreie Ernährung. Der Verzehr von Gluten kann für Betroffene sonst langfristig schwere gesundheitliche Folgen haben. Die Erkrankung kann beispielsweise zu Osteoporose, Unfruchtbarkeit, Fehlfunktionen der Schilddrüse oder Krebs führen.
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Was ist Zöliakie?
Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, bei der es durch die Aufnahme von Gluten zu Entzündungsreaktionen an der Darmschleimhaut kommt. Dadurch bilden sich die Darmzotten, die für die Aufnahme von Nährstoffen verantwortlich sind, zurück.
In der Folge kann es zu Nährstoffmangel mit teils gravierenden Auswirkungen auf den ganzen Körper kommen. Man spricht daher auch von einer Systemerkrankung.
Die komplexen Zusammenhänge der Entstehung einer Zöliakie sind bislang noch nicht geklärt. Fest steht, dass genetische Faktoren eine wichtige Rolle spielen.
Quelle: ap
Gluten ist das Klebereiweiß, das natürlicherweise in vielen Getreidesorten enthalten ist. Dazu gehören Weizen, Dinkel, Gerste und Roggen. Genauso die mit ihnen verwandten (Ur-)Formen wie Grünkern, Couscous, Kamut, Einkorn oder Emmer.
Hafer enthält von Natur aus kein Gluten. Betroffene sollten dennoch speziell als glutenfrei deklarierten Hafer kaufen, da handelsübliche Ware meist mit Spuren von Gluten verunreinigt ist.
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Wo ist Gluten enthalten?
Gluten ist in allen Speisen und Nahrungsmitteln enthalten, die aus glutenhaltigem Getreide gewonnen werden oder denen es zugesetzt ist. Dazu gehören zum Beispiel mit Weizenstärke gebundene Soßen genauso wie Seitan oder Bier.
Sehr viele verarbeitete Lebensmittel enthalten Gluten, da es in der Lebensmittelindustrie als Hilfsstoff, etwa als Emulgator, Stabilisator und Träger für Aromastoffe, eingesetzt wird.
Auf der Zutatenliste muss Gluten gemäß der Allergenkennzeichnung der EU angegeben sein. Auch glutenhaltige Getreide müssen deklariert sein.
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Welche Symptome verursacht Zöliakie?
Die Zöliakie ist ein "Chamäleon in der Medizin", denn die Symptome sind vielfältig und individuell verschieden. Manche Menschen merken nie etwas. Viele andere Betroffene haben häufig Verdauungsprobleme, sind abgeschlagen, ständig müde, leiden unter Übelkeit, Kopf- oder Muskelschmerzen.
Gerade bei Kindern können Wachstumsverzögerungen auf eine Zöliakie hindeuten. Oft liegen ein Eisen- und andere Mängel an Nährstoffen vor.
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Diagnose: Wie kann man Zöliakie feststellen?
Eine Diagnose kann nur erfolgen, wenn im Vorfeld ausreichend Gluten verzehrt worden ist. Bei Menschen, die sich auf Verdacht glutenfrei ernähren, wird eine Diagnosestellung erschwert.
Beim ersten Verdacht auf eine Zöliakie sollten zunächst die Zöliakie-Antikörper im Blut bestimmt werden. Ist der Befund auffällig, folgt bei Erwachsenen eine Dünndarmspiegelung mit Biopsie, der Entnahme von Gewebeproben, um die Diagnose zu sichern.
Bei Kindern kann in bestimmten Fällen darauf verzichtet werden, sie bekommen eine weitere Blutanalyse. Aufgrund der vielfältigen Symptome kann der Weg zur Diagnose mehrere Jahre dauern.
Menschen mit Zöliakie müssen schon kleinste Spuren von Gluten vermeiden. Daher sind gewisse Maßnahmen und Hygieneregeln entscheidend.
Quelle: picture alliance / dpa
Wer keinen rein glutenfreien Haushalt führen kann, muss darauf achten, dass es glutenfreie Bereiche gibt. Bei der Lagerung von Lebensmitteln sollten die glutenfreien getrennt von den glutenhaltigen aufbewahrt werden. Damit wird eine Kontamination vermieden. Idealerweise hält man hierfür strikte Bereiche vor.
Ein Extra-Backofen ist nicht nötig. Er muss aber sauber sein. Zudem sollte es eigene Bleche und Formen für die glutenfreien Speisen geben. Aufgrund der Krümel braucht es unbedingt einen eigenen Toaster und auch manche Küchengeräte wie den Handmixer sollte man doppelt haben.
Schneidebretter, vor allem die aus Holz, Kochlöffel oder Brotkörbe dürfen nicht für glutenfreie und glutenhaltige Speisen verwendet werden. Es empfiehlt sich auch ein separates Buttergefäß. Ansonsten gilt: Oberflächen sauber halten und immer wieder Händewaschen.
Wenn man außer Haus essen möchte, ist im Vorfeld eine gute Planung und Kommunikation wichtig. Schon bei der Tischreservierung sollte man sicherstellen, dass Restaurants nicht nur glutenfreie Speisen anbieten, sondern auch erfragen, ob die erforderlichen Hygieneregeln eingehalten werden. Dazu gehört beispielsweise das Benutzen einer separaten Fritteuse.
Wie sinnvoll sind glutenfreie Ersatzprodukte?
Für Menschen mit Zöliakie ist es ein großer Vorteil, dass der Markt an glutenfreien Produkten immer größer wird. So müssen sie auf wenig verzichten. Allerdings empfiehlt sich ein Blick auf die Zutatenliste, denn oft enthalten die Produkte mehr Zucker oder Fett.
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Ersatzprodukte sind teurer als die glutenhaltigen "Originale". Bei Zöliakie können Bürgergeldempfänger über das Jobcenter oder das Sozialamt einen Mehrbedarf beantragen.Für Zöliakie beträgt er 20 Prozent des Regelbedarfs. Das entspricht derzeit 112,60 Euro monatlich.
Beim Regelbedarf handelt es sich um einen festgelegten Betrag, der für die Grundbedürfnisse einer Person vorgesehen ist. Der Mehrbedarf bei Zöliakie wird in der Regel dauerhaft gewährt, da die glutenfreie Ernährung lebenslang notwendig ist.
Darüber hinaus gibt es viele Produkte, die von Natur aus glutenfrei sind. Betroffene können auch hier Alternativen finden.
Wo finden Betroffene Hilfe?
Quelle: imago
Nach der Diagnose ist es sinnvoll, mit Hilfe einer ärztlichen Notwendigkeitsbescheinigung eine Ernährungsberatung in Anspruch zu nehmen. Viele Krankenkassen bezuschussen das in unterschiedlicher Höhe.
Selbsthilfegruppen tragen online und lokal zum Erfahrungsaustausch bei. Es lohnt sich, gut vernetzt zu sein, um entsprechende Tipps zu erhalten. Gerade bei der Suche nach glutenfreien Restaurants oder Hotels kann das sehr hilfreich sein.
Einen Teil der Mehrkosten für die glutenfreie Ernährung können Zöliakie-Betroffene über die Steuer geltend machen. Dazu ist die Beantragung eines Behinderungsgrades notwendig. Empfänger von Bürgergeld können einen monatlichen Pauschalbetrag erhalten, wenn sie sich auf Grund einer diagnostizierten Zöliakie glutenfrei ernähren müssen.
Die einzige Möglichkeit, Akut- und vor allem Spätfolgen zu vermeiden, ist eine strikt glutenfreie Ernährung. In Studien wird inzwischen ein Medikament getestet, das die Entzündung im Dünndarm hemmen kann und schwere Folgeschäden verhindern soll.
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Betroffene haben die Hoffnung, dass sie sich dank dieses sogenannten Transglutaminase-Hemmers in Zukunft glutenhaltig ernähren können. Das Medikament kann derzeit jedoch nur unterstützend zu einer glutenfreien Ernährung mehr Sicherheit bieten. Es ist vor allem für stark betroffene Patienten angedacht.
Christina-Maria Pfersdorf ist Redakteurin der ZDF-Sendung "Volle Kanne - Service täglich".
Der Artikel wurde erstmals am 16. Mai 2023 publiziert und am 16. Mai 2025 aktualisiert.
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