Angriff zur rechten Zeit?:Was ist dran an den Plagiatsvorwürfen gegen Wolfram Weimer?
von Henriette de Maizière
"The European", das zur Weimer Media Group gehört, soll Texte von Politikern ohne deren Zustimmung veröffentlicht haben. Geistiger Diebstahl? Oder eine Kampagne rechter Kreise?
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer vergangene Woche auf der Frankfurter Buchmesse.
Quelle: dpa | Arne DedertEs sind ganz große Worte, die Kulturstaatsminister Wolfram Weimer auf der Frankfurter Buchmesse wählt. In der vergangenen Woche wirft er amerikanischen und chinesischen Tech-Konzernen vor, sie bedienten sich "auf gleichsam vampiristische Weise" kreativer Ideen und geistigen Eigentums aus europäischen Köpfen.
Ohne Lizenz würden sie auf Texte, Bilder und Filme zugreifen und damit ihre KI-Systeme trainieren.
Ich nenne das digitalen Kolonialismus.
Wolfram Weimer, Kulturstaatsminister, am 14. Oktober
Die Frankfurter Buchmesse zählt zu den größten Bücherschauen weltweit. Gastland in diesem Jahr sind die Philippinen.
14.10.2025 | 3:01 minWas Weimer konkret vorgeworfen wird
Nun sieht sich Weimer selbst den Vorwürfen des geistigen Diebstahls ausgesetzt. Kurz nach seiner Rede wird Kritik laut, weil er plagiiert und das Urheberrecht verletzt haben soll.
Weimer habe zu verantworten, dass im Online-Magazin "The European" über Jahre hinweg Texte und Reden von Politikerinnen und Politikern ohne deren Zustimmung veröffentlicht wurden - darunter Texte von AfD-Chefin Alice Weidel, Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) oder Ex-Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
"The European" nennt sich selbst ein "kuratiertes Debattenmagazin" und gehört zur Weimer Media Group, die Weimer mitbegründet hat. Nachdem er das Amt des Kulturstaatsministers übernahm, wurde seine Frau Christiane Goetz-Weimer Geschäftsführerin. Wolfram Weimer ist aber nach wie vor zu 50 Prozent Gesellschafter, worin die Organisation LobbyControl einen Interessenkonflikt sieht.
Juni 2025: Viele Menschen hätten das Gefühl, man könne nicht mehr alles sagen, was man denkt, sagt Kulturstaatsminister Weimer.
19.06.2025 | 6:24 min"The European" weist Kritik zurück
Auf Nachfrage von ZDFheute verweist "The European" auf die eigene Webseite. Dort heißt es, die Kritik könne man nicht nachvollziehen. Neben journalistischen Texten und Originalbeiträgen handele es sich um "dokumentarische Texte".
Vor allem seien "wichtige Reden oder Pressemitteilungen von Spitzenpolitikern der im Bundestag vertretenen Parteien" dokumentiert worden. Man betrachte dies als einen guten Beitrag für die demokratische Kultur, denn die Willensbildung des Parlaments und der Politik seien so einem breiten Publikum zugänglich gemacht worden.
Wenn einzelne Beiträge (...) nicht mit ordentlichen Quellenangaben veröffentlicht wurden, sind das handwerkliche Fehler, die wir bedauern.
The European
April 2025: Die Berufung des Verlegers Wolfram Weimer zum Kulturstaatsminister stößt auf Widerstand.
30.04.2025 | 1:44 min
AfD kündigt juristische Prüfung an
Auf die erhobenen Vorwürfe steigt vor allem AfD-Chefin Alice Weidel ein. Der kulturpolitische Sprecher der AfD, Götz Frömming, kündigt die juristische Überprüfung der Vorwürfe an und fordert Weimers Rücktritt, sollten diese sich nicht ausräumen lassen.
Laut Aussage von "The European" hatte es zuvor keine Kritik am Vorgehen und der Veröffentlichung der Dokumentationstexte, wie sie der Verlag nennt, gegeben. Eine Verpflichtung, die Zustimmung der betroffenen Politiker vor Veröffentlichung einzuholen, sieht der Verlag nicht.
In der Stellungnahme heißt es: "Aus gutem Grund muss die freie Presse hier weder um Erlaubnis fragen noch Honorar zahlen. Bislang fanden alle im Bundestag vertretenen Parteien es sehr gut, dass sie mit ihren Originalaussagen und Meinungen Verbreitung finden."
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14.07.2025 | 3:52 minWeimer will zügig Digitalsteuer einführen
Interessant könnte jedoch der Zeitpunkt sein, zu dem die Vorwürfe veröffentlicht werden. Der Kulturstaatsminister legt sich mit den ganz großen amerikanischen Techkonzernen an. Denn Weimer fordert im Interview mit ntv.de eine Digitalsteuer - und zwar bald.
Wir wollen noch im November ein Eckpunkte-Papier in die parlamentarische Diskussion geben.
Wolfram Weimer, parteilos
"The European" schreibt, die gerade jetzt erhobenen Vorwürfe gegen Weimer könnten mit eben jener politischen Forderung zusammenhängen: "Es wirkt auf uns wie eine Kampagne rechter Kreise aufgrund von Wolfram Weimers Kritik an den amerikanischen Tech-Konzernen auf der Buchmesse."
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Wolfram Weimer habe mit der Weimer Media Group formal nichts mehr zu tun. Wir haben die Passage geändert.
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