Historiker und Putin-Kritiker:Karl Schlögel mit Friedenspreis ausgezeichnet
Karl Schlögel ist mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. In seiner Dankesrede rief der Historiker dazu auf, von den Menschen in der Ukraine zu lernen.
Historiker und Publizist Karl Schlögel bei der Übergabe des Friedenspreises in der Paulskirche in Frankfurt am Main.
Quelle: dpaDer Historiker und Osteuropa-Experte Karl Schlögel ist zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Als einer der Ersten habe er vor der aggressiven Expansionspolitik des russischen Staatschefs Wladimir Putin gewarnt, heißt es in der Urkunde, die der 77-Jährige in der Frankfurter Paulskirche entgegennahm.
Seine Mahnung an uns: Ohne eine freie Ukraine kann es keinen Frieden in Europa geben.
Auszug aus der Urkunde für Karl Schlögel
Der Preis wird traditionell am Ende der Frankfurter Buchmesse verliehen.
18.10.2025 | 2:02 minSchlögel: Russland will Ukraine vernichten
In seiner Dankesrede rief Schlögel die Deutschen dazu auf, von den Ukrainern zu lernen: "Sie kennen sich aus mit Verhaltenslehren des Widerstands und bringen den Europäern bei, was auf sie zukommt, wenn sie nicht endlich sich auf den Ernstfall vorbereiten."
"Die Bürger und Bürgerinnen der Ukraine lehren uns, dass das, was geschieht, nicht Ukraine-Konflikt heißt, sondern Krieg. Sie helfen uns zu verstehen, mit wem wir es zu tun haben: mit einem Regime, das die Ukraine als unabhängigen Staat vernichten will und das Europa hasst", sagte der 77-Jährige.
Sie zeigen uns, dass dem Aggressor entgegenzukommen nur dessen Appetit auf noch mehr steigert und dass Appeasement nicht zum Frieden führt, sondern den Weg in den Krieg ebnet.
Karl Schlögel, Historiker
Anlässlich der Verleihung des Friedenspreises an den Osteuropa-Historiker Karl Schlögel hat ihn die Kulturzeit auf einer Reise ins ukrainische Lwiw begleitet.
14.10.2025 | 11:55 minEr gehöre einer Generation an, "die unwahrscheinliches Glück gehabt hat, und die nun sich unerhört schwertut, Abschied zu nehmen und sich auf den Krieg in Europa und alles, was damit zusammenhängt, einzustellen", sagte Schlögel. Er habe sich nicht vorstellen können, dass Russland noch einmal zurückfallen würde "in Zeiten, die in vielem den Praktiken des Stalinismus gleichen".
Laudatorin: "Danke, dass Sie sich immer wieder zu Wort melden"
In ihrer Laudatio schilderte die ukrainisch-deutsche Schriftstellerin Katja Petrowskaja, wie sie Schlögel 2022, wenige Tage nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, auf einer Demo in Berlin traf, eingehüllt in eine ukrainische Flagge.
Ihre öffentliche Verzweiflung hat uns damals sehr geholfen, wie auch Ihre Fähigkeit, sich aufzurichten und weiterzumachen, trotz allem.
Katja Petrowskaja, Schriftstellerin
"Wir wussten: Wir sind nicht allein. Danke, dass Sie sich immer wieder zu Wort melden", so Petrowskaja. Sein Blick gen Osten sei geprägt von Sehnsucht, Neugier und "ja, dieses Wort darf ich sagen - Liebe". Grundlage seiner Arbeit sei die Offenheit: "Es geht darum, niemals ohne genaue Anschauung zu urteilen, sei es über einen Menschen oder einen Ort." Sein Verdienst sei es, "über Staatsgrenzen hinwegzuschauen, festgefahrene Vorurteile aufzulösen, sich dem Unwissen entgegenzustellen".
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04.07.2025 | 14:55 minWeimer: Schlögel hat auf "aggressives Expansionsstreben Putins hingewiesen"
Kurz vor der Preisverleihung würdigte Kulturstaatsminister Wolfram Weimer Schlögel als "herausragenden Historiker und Intellektuellen".
Er lehrt uns, Europa mit wachen Augen zu sehen.
Wolfram Weimer, Kulturstaatsminister
Mit Blick auf die aktuelle Lage fügte er hinzu: "Karl Schlögel hat schon sehr früh und klar auf das völkerrechtswidrige und aggressive Expansionsstreben des russischen Präsidenten hingewiesen. Er hat immer betont: Ohne eine freie Ukraine gibt es keinen Frieden in Europa. Mit seiner Expertise hat er sich in den vergangenen Jahren klar für die Unterstützung der Ukraine ausgesprochen."
Dinge, von denen wir dachten, sie seien für ewig gesichert, kämen ins Rutschen, so Historiker Karl Schlögel mit Blick auf den Frieden in Europa. Man müsse sich neu aufstellen.
03.10.2025 | 5:43 minFriedenspreis wird seit 1950 verliehen
Schlögel wird 1948 in Hawangen im Allgäu in eine Bauernfamilie hineingeboren. Im Klosterinternat lernt er Russisch, reist schon als Jugendlicher nach Russland und Tschechien, erlebt vor Ort den Prager Frühling. Er studiert osteuropäische Geschichte, heiratet eine russische Schriftstellerin.
Lebenslang pendelt er zwischen Ost und West, lässt den Westen hinter den Eisernen Vorhang blicken. Sein erstes Buch 1984 heißt "Moskau lesen". Eine Universitätskarriere will er lange nicht. Nach dem Mauerfall lehrt er erst in Konstanz und dann in Frankfurt/Oder.
Die Auszeichnung gehört zu den wichtigsten in der Bundesrepublik und ist mit 25.000 Euro dotiert. Seit 1950 wurden mehr als 75 Schriftsteller, Philosophinnen, Wissenschaftler und Politikerinnen geehrt. Darunter waren Albert Schweitzer, Vaclav Havel, Astrid Lindgren und Salman Rushdie. Im vergangenen Jahr ging der Preis an die Publizistin Anne Applebaum.
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