Putin verschärft Internet-Zensur in Russland - Beckedahl warnt

Interview

Internet-Experte im ZDF:Beckedahl: Putin will Bevölkerung kontrollieren

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"Putin möchte genau wissen, wer mit wem wann wo kommuniziert", so Internet-Experte Markus Beckedahl über neue Gesetze in Russland, die eine schärfere Zensur im Internet vorsehen.

Schaltgespräch Gökdemir Beckedahl

Sehen Sie hier das Interview mit Markus Beckedahl.

01.09.2025 | 4:18 min

Der Kreml setzt im russischen Inland auf eine schärfere Zensur im Internet. Neue Gesetze sollen "extremistische Inhalte" unter Strafe stellen. Darunter fallen islamische Hasspredigten, aber auch die Biografie des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny. Der Messengerdienst "Max" soll außerdem helfen, Regime-Kritiker auszuspähen.

Welche Tragweite die neuen Gesetze haben und was sie über Kreml-Chef Wladimir Putin aussagen, darauf hat der Internet-Experte und netzpolitische Aktivist Markus Beckedahl im ZDF heute journal update Antworten.

Markus Beckedahl
Quelle: dpa

... ist Autor, Blogger, Journalist und Experte für Netzpolitik und Datenschutz. Er gründete das Blog netzpolitik.org, das 2014 mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet wurde, und hat die Konferenz re:publica mitbegründet.


Was will der Kreml mit den Gesetzen erreichen?

Seit dem 1. September ist die Messenger-App "Max" verpflichtend bei neu verkauften Handys eingeführt. "Max", genauso wie die neuen Gesetze, zielten darauf ab, die Kontrolle über die Kommunikation zu erlangen, erklärt Digitalexperte Beckedahl. Neben "Informationskontrolle" dienten die Änderungen dem Ziel, "Russland noch weiter aus dem globalen Internet abzuschalten".

Indem künftig alle Handys und Smartphones in Russland mit dieser App ausgestattet werden, versuche die Regierung, die gesamte Bevölkerung in ihrem Kommunikationsverhalten zu lenken. Dies betreffe nicht nur den Austausch von Nachrichten, sondern auch Zahlungen sowie die Interaktion mit Regierungsdiensten. Die App solle "die Bevölkerung in eine App reinleiten, die man unter Kontrolle hat".

Dadurch wisse die Regierung stets, "wer mit wem wann wo kommuniziert", erklärt Beckedahl im ZDF. Außerdem würden durch technische Restriktionen Plattformen wie WhatsApp blockiert, bei denen die Regierung keine Kontrolle habe.

Messenger Made In Russia: Der Kurznachrichtendienst MAX

Ein neues Gesetz soll in Russland "extremistische Inhalte" unter Strafe stellen. Dabei soll der Messengerdienst Max Regimektritiker ausspähen.

01.09.2025 | 2:41 min

Was sagen die Gesetze über Putin aus?

Bisher hatte Kreml-Chef Putin vor allem Oppositionelle und Journalisten im Visier. Die neuen Maßnahmen richten sich an die gesamte Bevölkerung. Beckedahl betont, dass Putin "genau wissen möchte, wer mit wem, wann, wo kommuniziert" und auch "worüber".

[Putin] möchte noch mehr die Kontrolle über seine Bevölkerung haben.

Markus Beckedahl, Digitalexperte

Es sei durchaus möglich, dass Putin über die neue App auch in die "Privatsphäre der Bevölkerung noch weiter vorzudringen" versuche. Insbesondere könne es für Sicherheitsbehörden technisch vorstellbar sein, durch die vorinstallierte App "die Tür zu öffnen", um Handys detaillierter im Ganzen zu überwachen. Nicht nur, die eigentliche Kommunikation.

Putins Vorgehen sei kein "Dolchstoß für die kaum noch vorhandene Informationsfreiheit", sondern "ein weiterer zentraler Mosaikstein in der Strategie des Kremls", um die vollständige Kontrolle über das Telekommunikationsverhalten der Bevölkerung zu erlangen. Die App in Kombination mit der neuen Gesetzgebung ermögliche es, das "Internet in Russland weiter abzuschotten, indem man die Bürger auf eigene Infrastrukturen umlenkt".

Eine Matrjoschka, eine traditionelle russische Holzpuppe, die den US-Präsidenten Donald Trump und den russischen Präsidenten Wladimir Putin darstellt, wird in einem Souvenirladen in St. Petersburg zum Verkauf angeboten.

Am Freitag wollen sich Trump und Putin persönlich treffen. Es ist nicht ihre erste Begegnung. Schon vor Trumps erster Amtszeit sprachen sie wohlwollend übereinander.

14.08.2025 | 2:49 min

Sind wir in Deutschland vor solchen Gesetzen gefeit?

Auch in Deutschland bestünden ähnliche Gefahren, macht Beckedahl klar. Er betont, dass "wir nicht für solche Gesetze gefeit" seien und, dass es notwendig sei, die Entwicklungen aus einer europäischen Perspektive zu betrachten. Auch hierzulande würden Sicherheitsbehörden und Politiker versuchen, "in Chats, in verschlüsselte Kommunikation einzudringen".

Auf EU-Ebene werde schon die sogenannte "Chat-Kontrolle" diskutiert, bei der "Hintertüren in verschlüsselte Kommunikation eingebaut werden" sollen. Dies stelle ein großes Problem für die Privatsphäre und das Recht auf vertrauliche Kommunikation dar. Eine solche "Hintertür" könne nämlich von allen genutzt werden, die es wollten, nicht nur von Sicherheitsbehörden.

Es sei durchaus wahrscheinlich, "dass auch russische Spione" diese Hintertüren gegen Deutschland einsetzen würden, falls sie einmal existierten, bilanziert Beckedahl.

Das Interview führte Nazan Gökdemir, zusammengefasst hat es Katharina Schuster.

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