Kabinett billigt Gesetzentwurf:Warum der Wehrdienst-Streit weiter gehen dürfte
Um die Nato-Vorgaben zu erfüllen, braucht Deutschland mehr Soldaten. Doch reicht dafür ein freiwilliger Wehrdienst? Der Wehrbeauftragte und ein Soldatenvertreter sind skeptisch.
Die Bundeswehr braucht viel Nachwuchs. Deutschland versucht es jetzt zunächst mit Freiwilligen - und mehr Geld. Klappt das nicht, könnte die Wehrpflicht zurückkehren.
27.08.2025 | 1:43 minEinen "Riesenschritt nach vorne" sieht Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in dem Gesetzentwurf zur Einführung eines neuen Wehrdienstes - und auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zeigte sich am Mittwoch optimistisch.
Dabei hatte die schwarz-rote Koalition bis zur Verabschiedung des Kabinettsentwurfs gestritten - und auch jetzt scheinen zwischen Union und SPD noch Fragen offen zu sein.
ZDF-Korrespondent: Zu wenig Soldaten für Nato-Ziel
"Im Prinzip trägt die Regierung stellvertretend den Streit aus, den die Gesellschaft gerade führt", analysiert ZDF-Hauptstadtkorrespondent Andreas Kynast. Die Frage sei dabei: "Wehrpflicht - ja oder nein?
Dabei seien die Fakten eindeutig: Deutschland habe zu wenig Soldaten, um die Vorgaben der Nato zu erfüllen. Dafür bräuchte Deutschland mindestens 260.000 Soldaten, so Kynast. Aber:
Es fehlen ungefähr 80.000.
Andreas Kynast, ZDF-Hauptstadtkorrespondent
Die Regierung trage den Streit um die Wehrpflicht quasi stellvertretend für die Gesellschaft aus, so ZDF-Hauptstadtkorrespondent Andreas Kynast. Schnell lasse sich der nicht beilegen.
27.08.2025 | 7:12 minDie SPD glaube, mit Freiwilligen und durch Anreize diese Lücke füllen zu können. Daran müsse sie wegen eines entsprechenden Parteitagbeschlusses, der sich gegen die Wehrpflicht ausspricht, auch glauben, so Kynast.
Die Unionsparteien hingegen "glauben überhaupt nicht, dass das reicht" - deshalb hätten sie am liebsten jetzt bereits einen Automatismus im Gesetz, dass - falls die Lücke nicht geschlossen werden kann - eine Wehrpflicht kommt.
Das Kabinett hat ein neues Wehrdienst-Gesetz beschlossen. Laut ZDF-Politbarometer spricht sich die Mehrheit der 18- bis 34-Jährigen aber klar gegen eine Pflicht aus.
27.08.2025 | 1:35 minWehrbeauftragter zweifelt an freiwilligem Wehrdienst
Auch der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Henning Otte (CDU), räumt eine gewisse Skepsis ein:
Ich werde genau darauf achten, dass die Ziele erreicht werden.
Henning Otte (CDU), Wehrbeauftragter
Die zusätzlich nötigen Soldatinnen und Soldaten zu gewinnen sei "eine Riesenherausforderung", sagt Otte im ZDF. Ob das freiwillig gelinge, müsse man sehen. "Das Verteidigungsministerium muss die selbst gesteckten Ziele erreichen und darf sie nicht verfehlen", fordert er.
Er wolle keine Rückkehr zur alten Wehrpflicht, doch man müsse überprüfen, ob die Bundeswehr genug Freiwillige finden wird, sagt der Wehrbeauftragte des Bundestags Henning Otte.
28.08.2025 | 5:21 minFür die anstehende Diskussion des Entwurfs im Bundestag fordert Otte, "so viel wie möglich verbindliche Elemente noch festzuzurren, damit Meilensteine gesetzt werden". Wenn die Ziellinie von 260.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten klar sei, dann könne "das nicht morgen passieren, aber auch nicht erst 2029".
Bundeswehrverband: Neue Wehrpflicht könnte notwendig werden
Zweifel daran, dass durch Freiwillige die notwendigen Soldaten für die Bundeswehr gewonnen werden können, hegt auch Oberst André Wüstner. Er ist der Bundesvorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes.
Bei ZDFheute live lobt er zwar, dass der neue Entwurf nicht nur Erfassung und Anschreiben, sondern auch die Möglichkeit der Musterung vorsehe. Gleichzeitig bezweifelt er, "dass es gelingt, die Größenordnungen zu erreichen, die jetzt zuletzt beschrieben wurden".
Wenn die Regierung an den eigenen Zielen und den Nato-Zusagen festhalten wolle, "dann werden wir nach meiner persönlichen Auffassung in den nächsten Jahren feststellen, dass wir umswitchen müssen auf Pflicht, auf eine Art neue Wehrpflicht", sagt Wüstner. Er glaube, diese Debatte werde man führen müssen.
André Wüstner vom Bundeswehrverband bezweifelt, dass mit Freiwilligkeit genug Soldaten für die Bundeswehr gewonnen werden können. Die Debatte über eine Pflicht werde weitergehen.
27.08.2025 | 17:49 minAuch ZDF-Korrespondent Kynast ist gespannt auf die parlamentarischen Beratungen und mögliche Vorschläge. Natürlich werde man wieder auf den sich anbahnenden Streit der Akteure schauen.
Aber wie sollte es denn sonst sein, bei einem Thema, das die Gesellschaft so umtreibt?
Andreas Kynast, ZDF-Hauptstadtkorrespondent
Der Debatte wird wohl weitergehen.
Das Interview mit Henning Otte führte Christoph Wiesel-Lancé. Mit Oberst André Wüstner sprach Philip Wortmann.
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