Nach holprigem Auftakt: Schwarz-Rot will Neustart ohne Streit
Nach holprigem Regierungsauftakt:Schwarz-Rot will Neustart ohne Streit
von Stefanie Reulmann und Henriette de Maizière
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Weniger streiten, mehr konstruktive Lösungen: Union und SPD wollen sich um die drängenden Probleme kümmern - und auf gar keinen Fall die Fehler der Ampelregierung wiederholen.
Schwarz-Rot ist keine "Liebeshochzeit", sondern ein Zweckbündnis - darin sind sich die Koalitionäre einig. Trotzdem haben sie sich vorgenommen, konstruktiv zu arbeiten und weniger zu streiten.18.05.2025 | 3:55 min
Gebrochene Wahlversprechen und ein verpatzter erster Wahlgang bei der Kanzlerwahl: Der Start in die Kanzlerschaft verlief für Friedrich Merz holprig. Hinzu kamen öffentlich ausgetragene Unstimmigkeiten der noch jungen Regierungskoalition. Doch nun soll alles anders werden.
Juso-Chef: Koalition ist "keine Liebesheirat"
Es ist das fünfte Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass Union und SPD in einer "Großen Koalition" zusammen regieren. Ein solches Bündnis sei "keine Liebesheirat, es ist, wenn überhaupt, eine Vernunft-Ehe", sagt Juso-Chef Philipp Türmer im ZDF.
Eine Alternative gibt es nicht, die beiden Parteien sind zum Regieren verdammt. Schwarz-Rot ist die einzige Konstellation, die unter Ausschluss der AfD eine Mehrheit im Bundestag hat - mit 328 Stimmen von 630 Abgeordneten. Und mit dieser, wenn auch knappen, Mehrheit wollen die Regierungspartner das Land wieder voranbringen, die drängenden Probleme lösen, eben Verantwortung übernehmen. Deshalb haben sie ihrem Koalitionsvertrag den Titel "Verantwortung für Deutschland" gegeben.
Schwarz-Rot habe sich klare Ziele gesetzt, nicht nur inhaltlich, wie der CDU-Bundestagsabgeordnete Tilman Kuban sagt:
Wir haben inhaltlich einen Politikwechsel vereinbart. Und jetzt geht es darum, auch den Stilwechsel im Miteinander gemeinsam hinzubekommen.
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Tilman Kuban, CDU-Bundestagsabgeordneter
Friedrich Merz vor dem Kanzleramt: sachlich statt feierlich. Mit Vize Klingbeil startet ein Bündnis der Gegensätze – getragen von gemeinsamer Verantwortung.05.05.2025 | 3:01 min
Bloß keine Ampel 2.0 werden
Streit, persönliche Angriffe, unüberbrückbare Differenzen - das hat die Ampelkoalition am Ende scheitern lassen. Es kam zu Neuwahlen. Ein solches Szenario will Schwarz-Rot unbedingt vermeiden, sagt Türmer: "Wir haben bei der Ampel gesehen, dass sie mit ganz viel Optimismus gestartet ist und sich dann sehr, sehr schnell in inneren Streitigkeiten komplett verloren hat. So ein Bild ist fatal, und alle müssen den Anspruch haben, dass so ein Bild bei dieser Koalition nicht entsteht."
Doch trotz eines gemeinsamen Koalitionsvertrages gibt es Themen, bei denen die Positionen von CDU/CSU und SPD weit auseinander liegen - Mindestlohn, Rente oder Schuldenbremse. Nicht alle Themen sind im Koalitionsvertrag im Detail geregelt worden. Bei vielen gibt es noch erheblichen Abstimmungsbedarf zwischen den Regierungspartnern.
Dabei sei Streit nicht auszuschließen, sagt SPD-Fraktionschef Matthias Miersch:
Streit per se ist nichts Schlechtes und gehört zur Demokratie dazu.
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Matthias Miersch, SPD-Fraktionsvorsitzender
Allerdings müsse der Streit immer zielgerichtet sein, sagt er.
Die neue Bundesregierung will keine Zeit verlieren. Noch am ersten Tag fand die erste Kabinettssitzung statt.07.05.2025 | 1:24 min
Kuban warnt vor Selbstdarstellung
Ein Politikwechsel sei auch immer eine "Vertrauenswende", sagt Unionsfraktionschef Jens Spahn. Weder Union noch SPD hätten in dem jeweils anderen ihren Traum-Regierungspartner, trotzdem werde sich die Union konstruktiv verhalten:
Wir werden ohne Zweifel nicht immer gleich einer Meinung sein, aber wir werden immer eine tragfähige Lösung finden.
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Jens Spahn, Unionsfraktionsvorsitzender
Dieses Ringen um Lösungen müsse aber "intern und gemeinsam" stattfinden, sagt CDU-Politiker Kuban und warnt: Es dürfe nicht um "die Suche nach der nächsten großen Überschrift" gehen. Auch Juso-Chef Türmer sagt, das Ziel müssten Ergebnisse sein, damit die Bürger nicht das Gefühl hätten, dass sich Politiker "nur mit sich selbst beschäftigen". Diesen Eindruck hatte die Ampelkoalition zuletzt häufiger vermittelt.
Juso-Chef: Parteien brauchen eigenes Profil
Aber auch in einer Koalition bleiben Union und SPD unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Programmen und inhaltlichen Schwerpunkten. Er finde es "nicht schlimm", wenn das erkennbar bleibe, sagt Türmer und fügt hinzu:
Es ist richtig, dass man am Ende Kompromisse suchen muss in einer Regierung. Aber dass beide Parteien trotzdem mit ihrem eigenen Profil erkennbar bleiben, das ist genauso wichtig.